Blu-Ray Report
Die Kassette enthält vier Dokumentarfilme, die Leben und Werk von ebensovielen großen Dirigenten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts behandeln: Carlos Kleiber, Georg Solti, Leonard Bernstein und Herbert von Karajan.
Carlos Kleiber (1930-2004) wurde 2011 von der BBC, nach einer Umfrage unter 100 Kapellmeistern, darunter Colin Davis, Valery Gergiev und Mariss Jansons, zum «größten Dirigenten aller Zeiten» gekürt. Der Film behandelt eingehend anhand zahlreicher Interviewpartner, von Riccardo Muti über Otto Schenk bis Ileana Cotrubas, Kleibers Widerspruch zwischen seiner Unsicherheit und den superben Leistungen, die er am Pult zu vollbringen imstande war. Die seltenen Aufnahmen zeigen ihn bei konzentrierter Probearbeit. Kleiber taktiert nicht akademisch, sondern erzeugt mit fließenden Bewegungen eine einzigartige musikalische Atmosphäre.
Von Georg Solti (1912-1997) erfahren wir, dass er relativ spät zum Zuge kam. Seine Begabung, unerhörte Klänge, Rhythmen und Stimmungen zu schaffen, womit er Altbekanntes in ungewohntem Gewand erschienen ließ, veranlassten Neider (auch auf höchstem Niveau) ihm den Zutritt zu ersten Häusern zu verweigern. Auf den Salzburger Festspielen etwa betrat Solti das Dirigentenpult erst nach Herbert von Karajans Tod. Dennoch wurde er mit Ehren überhäuft. Seine Schallplatten erhielten insgesamt 38 Grammys und die Königin von England erhob ihn in den Adelsstand.
Die gelungene Bilderauswahl zeigt Solti mit seiner typischen äußerst präzisen Zeichengebung: Konzertmitschnitte dokumentieren seine ungeheure Energie, die sich auf sein musikalisches Erbe so einzigartig ausgewirkt hat.
Leonard Bernstein (1918-1990) erscheint als schillernde Persönlichkeit. Sein Werdegang als Jünger von Sergei Kussewizki, Dimitri Mitropoulos und Aaron Copland lässt ihn nicht nur zum herausragenden Dirigenten aufblühen, sondern auch zu einem Komponisten mit unverkennbarer amerikanischer Klangsprache. Er prägt die Mahler-Interpretation und genießt maßlose Triumphe. Die von ihm moderierte Fernsehsendung «Young Peoples Concerts» wird eingehend von Musikerkollegen behandelt, womit ein besonders spannendes Bild dieses Außenseiters unter den Musikern entsteht.
Herbert von Karajan (1908-1989) tritt als einzigartiger Charismatiker und Medienmensch zutage, der das Fernsehen entdeckt, um sich selbst ein Denkmal zu setzen. Karajans Befehl «Alle Kameras auf mich!» bestimmt von nun an jeden seiner Filme. Das unverkennbare Profil mit der stets frisierten Locke und den geschlossenen Augen in Großaufnahme wird zum Markenzeichen. Mit dem Filmregisseur Georges-Henri Clouzot dreht er Musikfilme, die Eindruck machen. Später engagiert er Hugo Niebeling zur Verfilmung von Beehovensinfonien. Niebeling nimmt sich Freiheiten, versucht die Musik optisch darzustellen, Karajan ist verstimmt. Der Geiger Hellmut Stern meint ganz richtig: «Was hat das mit Musik zu tun?» Besonders informativ ist ein Interview mit Norio Ohga, CEO von Sony, der bereitwillig Auskunft über seine Zusammenarbeit mit dem Elektronikfan Karajan gibt.
Einige sehenswerte Extras sind den Platten beigefügt: Herbert von Karajan dirigiert vom Cembalo aus Bachs Suite Nr. 2 und das Brandenburgische Konzert Nr. 3 (nicht sein Fach!); Kent Nagano, Marin Alsop und Gustavo Dudamel äußern sich im Gespräch über Leonard Bernstein und Georg Solti dirigiert in Chicago ein Konzert mit Werken von Mussorgski, Prokofjew und Schostakowitsch.
Wübboldt skizziert in seinen vier Filmen eindrucksvolle Porträts der Künstler, in denen er dazu mit einer optimalen Auswahl von Bildern aufwartet. Musikfreunde, zugreifen!
«Great Conductors»
Österreich, 2008-2012.
Erscheinungsdatum auf Blu-ray: 2023.
Regie: Georg Wübboldt.
Produktion: Bernhard Fleischer.
Schnitt: Janine Dauterich.
Spieldauer: Insgesamt 324 Min.
Bild ***
Ton ***
Darbietung *****
Extras *****
