Österreichische Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlerin
«Auf der Suche nach einer besseren Welt»
Ursula Vavrik lebt mit ihrem Mann Stephan Vavrik, dem österreichischen Botschafter in Chile, seit 2020 in Santiago. Die promovierte Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlerin pflegte eine besondere Beziehung zu ihrem Großonkel, dem Philosophen Sir Karl Popper. Als hochrangige Beraterin war sie für die österreichische Regierung und beim Rat der EU tätig. In Chile hat bereits ein großes Publikum mehrere Konzerte besucht, die von der musikbegeisterten Österreicherin, die selbst Violine spielt, organisiert wurden.
«Der Geburtsort prägt immer», meint Ursula Vavrik und ist dankbar, in der schönen Gegend des 13. Wiener Gemeindebezirks aufgewachsen zu sein: «Dort habe ich dann in der wunderschönen Ober St. Veiter Kirche geheiratet, die ersten Ehejahre verbracht und unsere Kinder haben den Klosterkinderkarten derselben Kirche besucht.»
Die Schweiz betrachtet sie als ihre zweite Heimat. Dorthin zog ihre Familie, als sie 13 Jahre alt war: «Zunächst war ich ein Jahr im Hochalpinen Töchterinstitut Fetan, danach in der Kantons-schule Chur, wo ich auch die Matura absolvierte.»
Natur, Musik und Sport haben ihre Kindheit und Jugend geprägt: «Schon als Kinder machten wir mit befreundeten Familien viele fantastische Wanderungen: Ich fuhr in der Schweiz Ski und Langlauf-Jugendmeisterschaften, wurde dann später Skilehrerin, und war auch im Tennisteam. In Wien noch begann ich Violine zu lernen und hatte großartige inspirierende Lehrer, spielte im Orchester die zweite Geige der Ouvertüre zur Zauberflöte, und in der Schweiz dann durfte ich in der Geigenstunde in der Kirche Telemann spielen.» Auch die Beziehung zu ihrem Mann und dessen französische Familie haben sie geprägt: «Frankreich ist sozusagen meine dritte Heimat.»
Ihr Großonkel Sir Karl Popper nahm in ihrem Leben ebenfalls eine wichtige Rolle ein: «Als Jugendliche durfte ich ihn in England besuchen, besuchte seine Philosophieseminare, das blieben für mich einschneidende Erlebnisse. Die Spaziergänge mit ihm in der Natur, Diskussionen mit ihm über Gott und die Welt und das Waldsterben, es war für mich eine wunderbare Zeit.» Nach dem Tod der Frau des britisch-österreichischen Wissenschaftstheoretikers, der zu den bedeutendsten Philosophen der Neuzeit gehört, betreute ihn Ursula Vavrik in Wien: «Als Dank dafür erhielt ich eines der schönsten Geschenke meines Lebens: einen riesigen Scheck, mit dem ich mir das Hochzeitskleid meiner Träume in einem Pariser Atelier auf den Champs Élysées machen lassen konnte, inklusive Zugfahrt hin und retour.» Am 30. Oktober hält Ursula Vavrik an der Universidad de los Andes einen Vortrag zu «Sir Karl Popper defensor de la democracia».
Die vielseitig interessierte Frau erlernte neun Sprachen: «Zu Deutsch als Muttersprache kamen noch Englisch, Französisch, Italienisch, Latein, Russisch und Schweizerdeutsch bis zur Matura hinzu und später Portugiesisch und Spanisch.» Nach dem Abschluss ihres Studiums der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften schrieb sie ihre Doktorarbeit. Auf der Universität, als «das Mädchen mit der Geige» bekannt, lernte sie ihren Mann Stephan Vavrik kennen.
Zu Beginn ihrer Karriere 1986 kamen sie und ihr Mann nach Moçambique, das damals zweitärmste Land der Welt: «Nach meiner Zeit in der Schweiz war dies ein richtiger Kulturschock. Doch die Armut so hautnah zu erleben, hat auf mein ganzes weiteres Leben entscheidend Einfluss genommen. Ich erinnere mich an einen Stoffladen, in dem die leeren Holzballen sorgfältig aufeinandergestapelt waren, es gab keine Ware, nur eine Triumph-Werbung, die an bessere Zeiten erinnerte – ein unvergesslicher, trauriger Eindruck.»
Dennoch sei es eine gute Zeit für sie gewesen: «Ich war damals erstmals als Beraterin für Entwicklungshilfeprojekte tätig, unter anderem für die Vereinten Nationen, wie auch sehr häufig später während meiner beruflichen Karriere. Damals entstand mein inniger Wunsch, mich für eine bessere Welt einzusetzen, ganz im Sinne von Sir Karl Poppers Buch „Auf der Suche nach einer besseren Welt“.»
Es folgte Kenia, wo sie ein Bildungsprojekt leitete, und ihr «die wunderbare Natur der Nationalparks, wie die Masai Mara, oder der Ngorongoro in Tanzania» besonders in Erinnerung blieben», und Mexiko, wo sie auch an Universitäten lehrte.
Wichtige zehn berufliche Jahre verbrachte das Ehepaar in Paris und Brüssel: «Wir arbeiteten jeweils auf zwei Posten an der europäischen Gesetzgebung mit, teils als Mitglied des Rates der Europäischen Union, und ich auch einige Jahre als nationale Expertin in der Europäischen Kommission und beide in der EU-Ratspräsidentschaft.» Ursula Vavrik betont: «Die Zeit in der Kommission war wohl gemeinsam mit der Tätigkeit als hochrangige Beraterin für das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten im Jahr 2006 das Highlight meiner beruflichen Karriere.»
Die Wirtschaftswissenschaftlerin vertrat die Europäische Kommission im Jahr 2001 bei der International Civil Aviation Organization (ICAO) und wirkte maßgeblich an internationalen Gesetzen für den Luftverkehr mit, ebenso später an unter anderem der EU-Klimastrategie, der EU-Biodiversitätsstrategie und auch an den beiden EU-Nachhaltigkeitsstrategien.
Herzensprojekte sind für die musikbegeisterte Österreicherin die von ihr organisierten Konzerten von teils noch unbekannter Musik, insbesondere auch von Komponisten, die vom Naziregime verfolgt wurden. Im Oktober finden Konzerte in Santiago mit dem Pianisten Robert Lehrbaumer, im November mit dem Violonisten Yury Revich statt.
In Chile faszinieren Ursula Vavrik «die Vulkane, die blühende Wüste – ein ganz großartiges Naturereignis – aber auch die Nationalparks und der wunderbare, zum Glück noch nicht lichtverschmutzte, Sternenhimmel. Die Milchstraße mit freiem Auge zu sehen und auch fotografieren zu können ist, woanders in der Welt fast unvorstellbar!».