Die Kunst jenseits von Politik und Alltag

Foto: Nicola Perscheid
Er war einer der bedeutsamsten Erneuerer des deutschsprachigen Theaters der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Name des Mitbegründers der Salzburger Festspiele wird heute in der Regel mit seiner Theaterarbeit identifiziert; er war indes außerdem ein erfolgreicher Filmregisseur, der nicht nur in Europa, sondern auch in Hollywood drehte, wo er eine «Sommernachtstraum»-Version, nach der berühmten Komödie von Shakespeare, inszenierte.
Max Reinhardt äußerte einmal, dass Theater «nichts mit dem Alltag, schon gar nichts mit Politik zu tun haben sollte». Eine Meinung, die aus dem Rahmen des Üblichen fällt, da doch die meisten seiner Regiekollegen ihre Arbeit vorrangig der Politik verpflichteten. Reinhardt lebte in einer Zeit technischer Fortschritte. Er ließ sich von Drehbühnen, indirekter Beleuchtung und plastischen Dekorationen faszinieren, die er dramaturgisch zu verwenden wusste.
Am 9. September 1873 in Baden (Niederösterreich) geboren, schickten ihn die Eltern mit kaum 15 Jahren zu einem Fabrikanten und ein Jahr später auf eine Bank in die Lehre, um ihn als Kaufmann ausbilden zu lassen. Seine eigentliche Begabung war indes das Theater. Max konnte bei den Eltern durchsetzen, Schauspielunterricht zu nehmen. Die Entscheidung erwies sich als richtig, denn mit bereits 18 unterschrieb er einen festen Vertrag mit dem Volkstheater Rudolfsheim.
Kaum zwei Jahre später wurde er in dem Ensemble des Stadttheaters Salzburg aufgenommen, wo er innerhalb einer Saison 52 Rollen spielte. Kritik und Publikum äußerten sich lobend über seine Arbeit, sodass er bald ein Engagement in Berlin annehmen konnte.

Neues Genre der «Kammerspiele»
1905 erwarb er das «Deutsche Theater», in dem während der folgenden Zeit so herausragende Schauspieler und Regisseure wie Wilhelm Dieterle, Friedrich Wilhelm Murnau und Max Schreck ausgebildet wurden. Reinhardt gründete hier die «Kammerspiele», ein Theatergenre, das auf realistische oder sogar naturalistische Art die psychologischen Merkmale der Figuren herausarbeitete. Die Aufführungen fanden vor einem winzigen Publikumskreis statt. Hiermit wollte er erreichen, selbst die subtilsten Gesten der Schauspieler einzufangen, die von dem kleinen Zuschauerkreis genauestens beobachtet werden sollten, was von allen Beteiligten eine gründliche Vorbereitung erforderte. Max Reinhardts Ensemble wurde dadurch ein Bezugspunkt in der Schauspielerausbildung.
Salzburger Festspiele

Anfang der 1920er Jahre rief er gemeinsam mit Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss die Salzburger Festspiele ins Leben. Im Gründungsjahr 1921 kam es lediglich zur Inszenierung von Hofmannsthals «Jedermann», im Jahr darauf kamen Konzertabende hinzu und 1923 ging mit Mozarts «Don Giovanni» die erste Oper über die Bühne.
Nach einigen Ausflügen in die Filmwelt leitete Reinhardt zwischen 1924 und 1932 abermals das Berliner «Deutsche Theater». Seine avantgardistischen Inszenierungen dieser Periode übten einen enormen Einfluss auf die zeitgenössische Film- und Bühnentätigkeit aus.
Adolf Hitlers Machtergreifung Ende Januar 1933 hatte Reinhardts – der einer jüdischen Familie entstammte – fast sofortige Flucht aus Deutschland zur Folge. Am 27. Februar, dem Abend, an dem der Reichstag in Brand gesetzt wurde, stieg er in einen Nachtzug und fuhr nach Italien.
Sein Ruhm war ihm vorausgeeilt: Auf Benito Mussolinis Geheiß leitete Reinhardt schon im Mai des gleichen Jahres Shakespeares «Sommernachtstraum» im Boboli-Garten von Florenz. Im Sommer kehrte er nach Salzburg zu den Festspielen zurück, wo er einen exemplarischen «Faust» leitete. Die Hauptrollen waren mit Paula Wessely (Gretchen), Ewald Balser (Faust) und Max Pallenberg (Mephisto) hochkarätig besetzt, die Bühnenmusik dirigierte der junge Herbert von Karajan.
Regisseur in den USA
1937 emigrierte Reinhardt in die USA. Im April des darauffolgenden Jahres erfuhr er in der Presse, dass sein Besitz Schloss Leopoldskron entschädigungslos enteignet worden war.
Reinhardt führte abwechselnd in New York und Hollywood Regie, und versuchte, sich dem US-amerikanischen Lebensstil anzupassen, was ihm nicht recht gelingen wollte. Er selbst gestand einmal später: «Ich habe nicht das Talent, ‚to meet the people‘ in Hollywood.»
Trotz einiger Erfolge konnte Max Reinhardt nie wieder an seine Leistungen in Europa anknüpfen. Er musste sich wiederholt von seinen Söhnen finanziell unterstützen lassen, 1942 beantragte seine Frau sogar Arbeitslosengeld beim Arbeitsamt. Zu seinem 70. Geburtstag im September 1943 organisierte sein Sohn Gottfried in Manhattan einen Empfang, den der Jubilar nur widerwillig mit der Begründung annahm, es wäre eine «Leichenfeier». Knapp drei Wochen später erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich nicht erholen konnte. Max Reinhardt starb am
31. Oktober 1943 in einem New Yorker Hotel.