Es begann vor 93 Jahren
Der Deutsche Hilfsverein und die Corporación Chileno-Alemana de Beneficencia, Trägerverband der Clínica Alemana, beide gemeinsam Teilhaber der Hogares Alemanes S.A., hab en beschlossen, die Geschäftsführung der Corporación zu überlassen. Dies ergab die Hauptversammlung am 18. Juli im Claus von Plate-Saal im Pflegeheim in der Calle Tupungato, das heißt genau 93 Jahre nach der Vereinsgründung.
Hatte Chile bis zum Jahre 1928, dem Beginn der Weltwirtschaftskrise, die in der ganzen Welt Millionen Menschen in Armut und Elend stürzte, recht gut von den Einnahmen aus dem Salpetergeschäft gelebt, so verursachte der Zusammenbruch der Salpeter-Oficinas, und mit ihnen vieler Handelshäuser und Werkstätten, die für die Salpeter-Industrie gearbeitet hatten, eine zuvor nicht gekannte Arbeitslosigkeit vieler Deutsch-Chilenen. Aus den Salpeterfeldern drängten jetzt Männer mit ihren Familien nach Santiago in der Hoffnung, in der Hauptstadt eine Arbeit zu finden, die sie und ihre Familien vor dem Hunger bewahren würde.
Erstes Heim in der Calle Santa Rosa
Die Not war groß, und Not drängt auf Hilfe. Man hielt zusammen, und so geschah es, dass sich am 6. April des Jahres 1929 im Deutschen Verein zu Santiago auf Veranlassung von Konsul Guillermo Schacht eine Gruppe Männer mit der Absicht traf, rasch eine Hilfsorganisation ins Leben zu rufen. Es würde den Platz dieses Berichtes sprengen, alle Namen der Männer nennen zu wollen, die damals an dieser Versammlung teilnahmen, daher seien hier nur einige genannt, deren Nachkommen aller Wahrscheinlichkeit nach heute unter uns weilen, wie Alberto Mansfeld, Erich Hinze, Otto Loose, B. Wygnanki, Luis Stegmaier, Cesar Klein, Bernard Timmermann, H. Büntemeyer und viele andere.
Sie beschlossen, einen Verein der gegenseitigen Hilfe zu gründen, legten einen monatlichen Beitrag fest und beauftragten den ebenfalls am gleichen Tag gewählten Vorstand, die Herren Cesar Klein und Paul Rothkegel, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die staatliche Anerkennung, die Personería Jurídica, zu erhalten. Diese staatliche Zulassung wurde durch das Dekret Nr. 1817 am 17. Juli 1930, also vor genau 93 Jahren durch Präsident Carlos Ibañez del Campo erteilt.
Der neue Hilfsverein nahm sofort seine Arbeit auf. Als erste und wichtigste Aufgabe sah man die Schaffung eines Heimes für ältere Menschen vor, denen schnellstens ein Dach über dem Kopf angeboten werden musste. Die Mittel waren gering, aber sie reichten für die Anmietung eines bescheidenen Heimes in der Calle Santa Rosa. Anfang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts konnte dieses nach Barrancas umziehen und immerhin ein Zuhause für 40 bis 50 Personen bieten.
Der damalige Herausgeber des «Condor» Claus von Plate erkannte die Notwendigkeit, sich persönlich tatkräftig für eine Verbesserung der Lage notleidender Angehöriger unserer deutsch-chilenischen Gemeinschaft einzusetzen, ihnen ein besser eingerichtetes und vollwertig ausgerüstetes Heim zu bieten. Dank seines Einsatzes und der kostenlosen Überlassung eines geeigneten Grundstückes durch die Familie Praetorius im Stadtteil Vitacura – damals noch weit vor den Toren der Stadt gelegen – konnte im Jahr 1965 mit dem Bau eines neuen Wohnheimes begonnen werden, nun an der Straße Los Rododendros in Vitacura gelegen,.
Lang war der Weg, bis es zu dieser Lösung kam und vielen sei gedankt, die dabei waren. Neben den bereits genannten kamen die Herren Edgar Köster, Leitender Direktor der Baufirma Tecsa, Federico Praetorius, später auch Werner Praetorius als Vertreter der Familie Praetorius, Pastor Friedrich Karle kam hinzu – gerade Pastor Karle konnte man stets im Vorstand antreffen – bald auch der langjährige Schriftführer, dann spätere Vorsitzende des Vereins, Rechtsanwalt Gerardo Scheffelt.
In regelmäßigen Abständen unterstützte die Bundesrepublik Deutschland über die Deutsche Botschaft in Santiago das Vorhaben durch beachtliche Geldzuwendungen. Ganz außergewöhnliche Wege musste man sich einfallen lassen, um neue Mitglieder und somit zusätzliche Einnahmen für den Verein zu gewinnen, unter anderem die Einrichtung eines Casinos im Zentrum von Santiago, das über viele Jahre Geschäftsleuten der Stadt ein wohlschmeckendes Mittagessen anbieten konnte.
Ein Schritt voraus: Zusammenarbeit mit der Corporación Chileno-Alemana de Beneficencia
Es war wohl allen bewusst, dass es zu einer Zusammenarbeit mit der Deutschen Klinik kommen musste, waren doch Mitglieder des Vorstandes des Hilfsvereins auch im Vorstand der Klinik anzutreffen. Die Anfänge dieser engeren Zusammenarbeit können wir auf das Jahr 1981 legen: Dr. Federico Haecker, Chefarzt der Klinik, kümmerte sich vom ersten Tag an um eine bevorzugte Behandlung der Heimbewohner. In jenem Jahr bot das Heim 75 Einwohnern ein freundliches Zuhause, ihr Durchschnittsalter betrug 85 Jahre. Viele von ihnen waren noch nicht einmal in der Lage, einen geringen Beitrag für ihre Unterkunft aufzuwenden. Trotz der in Deutschland abschwächenden wirtschaftlichen Lage war es jedoch auch dann noch durch Vermittlung der Deutschen Botschaft immer wieder gelungen, finanzielle Zuwendungen für den Unterhalt des Heimes bereitzustellen, auch minderbemittelten Angehörigen unserer Gemeinschaft wurde so der Kauf teurer, lebenswichtiger Medikamente ermöglicht.
Die Zusammenarbeit des Hilfsvereins mit der Trägergesellschaft der Deutschen Klinik, der Corporación Chileno-Alemana de Beneficencia, begann sich enger zu gestalten. Das Jahr 1998 sah auf gemeinschaftlicher Ebene die Grundsteinlegung für den Bau eines neuen Pflegeheims auf dem einst von der Familie Praetorius gespendetem, jetzt dem Hilfsverein gehörenden Grundstück. Drei Jahre später zogen die ersten Heimbewohner aus dem alten Bau der Calle Rododendros in das neue Pflegeheim. Alsdann ging es zügig voran, rasch entstand die Gesellschaft Hogares Alemanes S.A., der Deutsche Hilfsverein beteiligte sich an der neuen Gesellschaft mit einem Anteil von 40 Prozent.
Der Bau eines kompletten neuen Pflegeheims, nach Fertigstellung über die Calle Tupungato zu erreichen, das den höchsten Ansprüchen gesundheitlicher, sozialer und gesellschaftlicher Natur entspricht, konnte dann endlich im Jahr 2005 durch den Umzug der letzten Heimbewohner in die neuen Gebäude abgeschlossen werden. Die erste Hauptversammlung des Deutschen Hilfsvereins im gleichen Jahr fand selbstverständlich im Claus von Plate-Saal des neuen Pflegeheims statt.
Neues Pflegeheim in Chicureo
Erste Gedanken über eine endgültige Zusammenlegung der beiden Gesellschaften Deutscher Hilfsverein (so die offizielle Nennung in deutscher Sprache im Dekret 1817 von 1930) und der Corporación Chileno-Alemana de Beneficencia, der Trägergesellschaft der Clínicas Alemanas in Santiago, Temuco und Valdivia, begannen im Jahre 2003 feste Formen anzunehmen. Dabei musste schon beachtet werden, dass sich bald die Notwendigkeit ergeben sollte, mit der Planung und der baulichen Ausführung eines neuen Pflegeheims zu beginnen. Dieses entsteht zurzeit auf einem Grundstück der Clínica Alemana im Vorort Chicureo. Mit seiner Fertigstellung ist gegen Ende des laufenden Jahres 2023 zu rechnen. Es soll an die 80 Personen aufnehmen können und ganz selbstverständlich nach den neuesten Anforderungen gesundheitlicher, sozialer und gesellschaftlicher Auflagen und Erkenntnissen ausgestattet werden.
Nun galt es, die Gesellschaften Sociedad Alemana de Beneficencia, früher Deutscher Hilfsverein und die Corporacion Chileno-Alemana de Beneficencia endgültig zusammenzuführen, unter ein Dach zu bringen, beide legal als Nachfolger der Gesellschaft Hogares Alemanes S.A. aufzubauen. Nicht zu übersehen ist, dass dieses alles eine erhebliche Verwaltungs- und rechtlich abgesicherte Leistung erforderte, für die Rechtsanwalt Gerardo Scheffelt verantwortlich zeichnete und die in einer neuen Hauptversammlung vom 18. Juli, genau am 93. Jahresfesttag der legalen Gründung und Zulassung des alten Hilfsvereins bestätigt werden konnte.
Wir dürfen uns freuen. Dem sozialen und gesundheitlichen Beistand unserer älteren Generationen öffnet sich fortan ein neuer, weiterer Weg, der mancher Besorgnis «Was und wohin im Alter» abhelfen wird.