«Vater der Luftfahrt»
Das erste Luftschiff wurde nicht von Graf Zeppelin, sondern 1898 von dem Brasilianer Alberto Santos-Dumont erfunden. Dem genialen Erfinder gelang auch der erste beglaubigte Motorflug der Geschichte im Jahr 1906. Wie kaum ein anderer hat Alberto Santos-Dumont die frühe Luftfahrt geprägt. In seinem Heimatland wird er als «Vater der Luftfahrt» bezeichnet.
Sohn eines «Kaffeebarons»
Alberto Santos-Dumont kam am 20. Juli 1873 auf der Kaffeeplantage Cabangu bei dem brasilianischen kleinen Ort Palmira in Brasilien zur Welt. Er war das sechste von insgesamt acht
Kindern von Henrique Dumont und seiner Frau Francisca de Paula Santos. Sein Vater war ein erfolgreicher Kaffeeplantagenbesitzer und zu einem «Barão do Café» («Kaffeebaron») aufgestiegen.
Schon früh zeigte Alberto Interesse für Mechanik und arbeite zusammen mit dem Mechaniker der Kaffeeplantage an der Wartung der Kaffeeverarbeitungsmaschinen und der Lokomotiven, die für den Transport des Kaffees in der Fazenda eingesetzt wurden. Damit war die Kaffeeplantage von Henrique Dumont die wohl fortschrittlichste in Brasilien. Als 10-Jähriger las Alberto bereits die Abenteuerromane von Jules Verne, besonders die über Luftreisen.
Von der halbjährigen Reise nach Paris, die er als 17-Jähriger mit seiner Familie 1890 unternahm, brachte er einen Peugeot mit, von denen damals lediglich drei Stück pro Jahr hergestellt wurden. Es war wahrscheinlich eines der ersten Automobile in Südamerika überhaupt.
Da keiner der Söhne die Kaffeeplantage übernehmen wollte, verkaufte der Vater 1892 das Geschäft, um sich ganz der Familie zu widmen. Damit war Santos-Dumont mit 18 Jahren bereits Millionär, da ihm sein Vater einen Teil des zukünftigen Erbes ausbezahlte und ihn für eine weiterführende Schulausbildung nach Paris schickte. Seinem Sohn gab er den Rat: «In Paris suche mithilfe unserer Cousins eine Spezialisierung in Physik, Chemie, Mechanik, Elektrizität, etc.; studiere diese Dinge und vergiss nicht, die Zukunft der Welt liegt in der Mechanik. Du musst nicht daran denken, wie du für deinen Unterhalt sorgst, denn ich werde dir das Nötige für`s Leben hinterlassen.»
Erfinder und Luftschiffbauer in Paris
1892 begann Dumont in Paris unter anderem Physik und Mechanik zu studieren. Die Welt der Ballone interessierte den jungen Mann immer stärker und so besuchte er die Ballonfabrik von Lachambre. Am folgenden Tag unternahm er seine erste Ballonfahrt und bestellte sich einen Ballon. Damit begann Alberto seine Ballonexperimente.
Am 4. Juli 1898 startete er mit seinem eigens angefertigten Wasserstoffballon, der «Brasil», vom Jardin d’ Acclimatation aus. Es folgten 200 weitere Aufstiege mit dem aus japanischer Seide gefertigten Ballon von 6 Metern Durchmesser und einem Volumen von 113 Kubikmeter. Insgesamt musste der Ballon das Gesamtgewicht mitsamt dem Piloten von knapp 116 Kilo tragen.
Er suchte nach stetigen Verbesserungen, so dass er bald die Idee hatte, dem Ballon durch den Anbau eines 1.75 PS starken Verbrennungsmotors (einem De-Dion-Bouton-Motor) einen eigenen Antrieb zu verschaffen. Dessen Leistung erwies sich jedoch als zu gering. Von 1898 bis 1906 baute er dann insgesamt elf Luftschiffe, ein weiteres Luftschiff zur Unterstützung eines Hubschrauberflugs und noch eines für ein Motorflugzeug.
Am 20. September 1898 stieg er mit seinem ersten Luftschiff auf. Drei Mal versuchte er den begehrten «Deutsch-Preis» – ein vom Öl-Industriellen Henry Deutsch de la Meurthe gestifteten Preis – zu gewinnen. Dabei galt es von Saint-Cloud aufzusteigen, den Eiffelturm in 30 Minuten zu umrunden und am Ausgangspunkt wieder zu landen. Sein zweiter Versuch im Jahre 1901 mit seiner «Santos Dumont Nr. 5» endete damit, dass das Luftschiff an Bäumen im Park Rotschild sich aufgrund unvorhergesehener Winde verfing und schließlich über dem Dach des Trocadero-Hotels in Paris abstürzte und in Brand geriet. Er selbst konnte sich durch einen Sprung auf eine Fensterbank retten.
Dann erfolgte sein größter Erfolg mit der «Santos Dumont Nr. 6» am 19. Oktober 1901. Er gewann als erster den «Deutsch-Preis» und damit das Preisgeld von 100.000 Franc, das er dann zur Hälfte seinen Mechanikern schenkte, die andere Hälfte stiftete er der Präfektur von Paris für Arbeiter und Bettler der Stadt.
Sein Luftschiff «Santos Dumont Nr. 9» nutzte er für Ausflugsfahrten und als Art Verkehrsmittel, da er auch öfters mitten auf der Straße landete. Auf der Avenue des Champs-Élysées besuchte der exzentrische Mann Cafés oder Freunde, nachts auch das Maxim’s, wobei er dann das Luftschiff an einen Baum band.
Bei einem Besuch beim US-Präsidenten Theodore Roosevelt machte er erstmals auf die Funktion eines Flughafens aufmerksam. Er dachte stets praktisch, so stellte er fest, dass zum Ablesen der Zeit die gängigen Taschenuhren bei der Luftschifffahrt ungeeignet waren und entwickelte gemeinsam mit seinem Freund Louis-François Cartier den Gedanken einer Armbanduhr für Piloten. Cartier fertigte daraufhin für Santos-Dumont eine der ersten Fliegeruhren an, die er «Modell Santos» nannte.
Ende 1905 und Anfang 1906 beschäftigte sich Santos-Dumont mit der Frage der Entwicklung von schweren Fluggeräten und verfolgte dabei die Idee des Hubschraubers, die er allerdings nicht verwirklichen konnte.
Das erste Motorflugzeug
Am 23. Oktober 1906 gelang Santos-Dumont mit seinem Flugzeug «14-bis» in Anwesenheit der Kommission des Aéro-Clubs de France der erste erfolgreich gesteuerte Motorflug. Er erhielt das vom Club ausgesetzte Preisgeld von 3.500 Franc für den ersten Motorflug mit einem eigenstartfähigen Flugzeug, das eine Entfernung von mehr als 25 Meter schaffte. Es folgte ein weiterer Erfolg am 12. November, als es ihm gelang, mit demselben Flugzeug 220 Meter zu fliegen und das vom Vorsitzenden des Aéro-Clubs de France, Ernst Archdeacon, ausgesetzte Preisgeld zu gewinnen. Mit diesen Flügen galt Alberto Santos-Dumont zu diesem Zeitpunkt offiziell als erster erfolgreichster Motorflieger der Welt.
Als die Gebrüder Wright 1903 den Flug ihres «Flyer» bekanntgaben, hatten sie noch mit einer Rampe arbeiten müssen, ohne die Verwendung eines eigenen Antriebs. Am Ende erfüllte nur Alberto Santos-Dumont die gesetzten Kriterien und konnte sie vor einer offiziellen Kommission bestätigen lassen.
Der Flugpionier baute von 1907 bis 1909 an einem Eindecker mit 5 Meter Spannweite, einem Vorläufer für ein Leichtflugzeug, dass er im September 1909 entwarf und selbst auch flog. Seine «Demoiselle» war das erste Leichtbau-Sportflugzeug der Welt und erlangte im selben Monat den Geschwindigkeitsrekord von 89,8 Kilometer pro Stunde. Es wurde dann mehrfach in den USA und Europa kopiert.
Ein tragisches Ende
Als bei ihm eine Multiple Sklerose diagnostiziert wurde, beschloss der 36-Jährige die Fliegerei aufzugeben. Er kehrte am 3. Dezember 1928 nach Brasilien zurück.
Bei seiner Ankunft in Rio de Janeiro kam es zu einem tragischen Unfall: Als zwölf brasilianische Wissenschaftler ihn in einem von der Regierung geschickten Flugboot willkommen heißen wollten, explodierte dieses in der Nähe seines Schiffs und alle Insassen kamen ums Leben.
Santos-Dumont, der bereits sehr krank war, brach zusammen und begann an schweren Depressionen zu leiden. Er erhängte sich im Alter von 59 Jahren in seinem Haus in Guaryja im Bundesstaat São Paulo. Begraben wurde er auf dem «Cemitério São João Batista» in Rio de Janeiro. In seiner Heimat gilt er als «Vater der Luftfahrt». Nach ihm ist der Flughafen Rio de Janeiro-Santos Dumont benannt.