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viernes, 20. septiembre 2024
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Interview mit Nicholas Röhm

«Deutsche Schulen sind Leuchttürme im Ausland»

Zur Person:

Nicholas Röhm war von 2008 bis 2021 ehrenamtlich im Vorstand der Deutschen Schule Carlos Anwandter in Valdivia aktiv, davon vier Jahre als Vorsitzender. Vor acht Jahren wurde er in den Vorstand des Weltverbands Deutscher Auslandsschulen (WDA) gewählt. Dort vertritt er im Besonderen die Schulen in der Region Amerika und die Schulen, die den Abschluss des Gemischtsprachigen International Baccalaureate (GIB) anbieten. Der studierte Forstwirt kam mit seiner Frau vor 24 Jahren aus Deutschland nach Valdivia und leitet als Geschäftsführer einen Betrieb zum Anbau von Haselnüssen im Süden Chiles.

Seit 20 Jahren setzt sich der WDA für die Interessen der Deutschen Auslandsschulen ein. Im Cóndor-Interview berichtet Nicholas Röhm, Vorstandsmitglied der Deutschen Schule Valdivia und des WDA, über die Bedeutung der Auslandsschulen und was der weltweite Verband auch für die chilenischen Schulen für eine Rolle spielt.

Was zeichnet die deutschen Schulen in Chile aus?

Die deutschen Schulen sind in Chile beliebt, weil sie ihre Schüler ganzheitlich und gut ausbilden. Das Erlernen der deutschen Sprache ist in der heutigen Zeit eher sekundär, als dass es als einziges attraktives Argument gesehen wird. 98 Prozent der 

Familien, deren Kinder deutsche Schulen in Chile besuchen, sind chilenische Familien. Auch von den Familien, deren Vorfahren aus Deutschland kamen, sprechen die Eltern immer weniger Deutsch zuhause, eventuell die Großeltern. 

Es handelt sich um eine sehr erfolgreiche öffentlich-private Partnerschaft zwischen Deutschland und den deutschen Schulen im Ausland, von der beide profitieren.

Dennoch entscheiden sich viele Eltern für eine deutsche Schule, weil sie die pädagogische Qualität zu schätzen wissen und ihre Kinder mit den Kenntnissen von drei Sprachen – Spanisch, Deutsch und Englisch – ihren Schulabschluss machen und sich ihnen dadurch viele Türen öffnen.

Wie kam es dazu, dass Sie im Vorstand des Weltverbands Deutscher Auslandsschulen aktiv wurden?

Ehrung der Mitglieder des Gründungsrates durch den WDA-Vorstand in Athen: Marco Föhn (Hongkong), Eckart Mehring (Den Haag), Friederike Gribkowsky, Kurt Hellemann (Valdivia), Brigitte von der Fecht (Buenos Aires) und Ludwig Johannsen

Die Deutsche Schule in Valdivia gehört zu den Gründungsmitgliedern des WDA vor 20 Jahren und war immer sehr aktiv in dem Verband. Vor acht Jahren sprachen mich die lateinamerikanischen Schulen im Verband an, ob ich mir vorstellen könnte, mich dort auch als Vertreter der GIB-Schulen zu engagieren. Da ich selbst einen Sohn auf DS Valdivia hatte, war mir bewusst, wie wichtig der Beitrag der Deutschen Schulen für die Bildung unserer Kinder ist und wollte mich auch weltweit dafür einsetzen.

In Chile gibt es fünf deutsche Auslandsschulen: Das sind die Deutsche Schule Santiago, die Sankt Thomas Morus Schule und die Deutschen Schulen in Valparaíso, Valdivia und Concepción. In der DS Santiago wird das Abitur angeboten und in den übrigen vier Schulen der Abschluss des Gemischtsprachigen International Baccalaureate (GIB). Welche Aufgabe sehen Sie für den WDA bei der Unterstützung dieser Schulen?

Alle fünf sogenannten Begegnungsschulen, sowie auch die übrigen deutschen Auslandsschulen weltweit, werden von der deutschen Regierung gefördert.  Die Voraussetzung ist, dass mindestens zwölf Schüler das Abitur oder den GIB-Abschluss jedes Jahr machen. Damit dies gelingen kann, unterrichten Lehrer in deutscher Sprache – außer im Deutschunterricht auch in Fächern wie Geschichte, Biologie oder Chemie. Das können nur entsprechende Fachlehrer aus Deutschland leisten. Die Deutschen Auslandsschulen erhalten eine Förderung von der deutschen Regierung, aber den größten Teil der notwendigen Einnahmen, mehr als 70 Prozent, generieren die Schulen selbst. 

Es handelt sich um eine sehr erfolgreiche öffentlich-private Partnerschaft zwischen Deutschland und den deutschen Schulen im Ausland, von der beide profitieren: Hier werden Schüler ausgebildet, die durch das Erlernen der deutschen Sprache, der deutschen Kultur und Geschichte sowie von Werten wie Demokratie und Gleichberechtigung sowohl in Deutschland als auch in Chile für beide Länder einen wertvollen Beitrag leisten können. Durch die Förderung wird die deutsche Kultur- und Bildungspolitik unterstützt. 

Unser Weltverband übernimmt die wichtige Arbeit der Vertretung alle Deutschen Schulen weltweit, Politiker in Deutschland über ihre Leistungen zu informieren. 

Wir sehen es als unsere Aufgabe an, kontinuierlich Lobbyarbeit zu leisten, wenn zum Beispiel neue Politiker ein Amt übernehmen. Das heißt, wir schärfen das Bewusstsein der Verantwortlichen und zeigen die vielen wertvollen Möglichkeiten auf, um davon zu überzeugen: Deutsche Schulen sind Leuchttürme im Ausland.

Was bedeutet der WDA für die Schulen in Chile beziehungsweise in den übrigen Ländern der Welt für Vorteile? Die Zahl der Mitglieder ist in der letzten Zeit ja deutlich gestiegen. 

Auch Schüler der Deutschen Schule in der griechischen Hauptstadt trugen zur Formulierung der «Athener Erklärung» bei.

Die Mitgliederzahl wächst erfreulicherweise kontinuierlich. Der WDA wirkt besonders in drei Bereichen. Den ersten Bereich, die Lobbyarbeit, also die Information und den Austausch mit der Politik, hatte ich bereits genannt. Wir vertreten gemeinsame Interessen gegenüber dem Deutschen Bundestag und den fördernden Stellen und sind wichtiger Ansprechpartner der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik und gestalten diese zugleich aktiv mit.

Zweitens bietet die Plattform des Verbands die Chance, sich gegenseitig zu vernetzen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und Best-Practice-Beispiele auszutauschen. Darüber hinaus gibt es spezielle Veranstaltungen und Weiterbildungsmöglichkeiten für Mitglieder.

Die Krisen der vergangenen Jahre sind auch an den Auslandsschulen nicht spurlos vorbeigegangen: Die wirtschaftliche Situation vieler Schulen, die vor allem im Schulgeld der Eltern ihre Haupteinnahmequelle haben, hat sich wesentlich verschlechtert. Zwei Mal im Jahr wird der WDA-Auslandsschulkompass erstellt, eine Befragung nach der Situation unserer Mitglieder. Daraus ergab sich bei der letzten Umfrage, dass sich 25 Prozent nach der Pandemie immer noch in einer Existenzkrise befinden.

Umso wichtiger ist es, dass wir uns zusammenschließen, damit wir gemeinsam auf diese Entwicklungen hinweisen und Lösungen formulieren.

Wie haben Sie den Weltkongress in Athen erlebt?

Nachdem wir die vergangenen zwei Kongresse – vor vier und vor acht Jahren – in Berlin veranstaltet haben, fand dieses Jahr das Treffen der Schulvertreter aus der ganzen Welt zum ersten Mal wieder in einer Schule statt. Das war eine besondere Atmosphäre: Denn es kamen neben den Schulträgern die Schulleiter, die Verwaltungsleiter und Vertreter der Lehrer zusammen, und sogar Schüler aus der Deutschen Schule Athen nahmen teil. Sie brachten sich mit Aufführungen und musikalischen Beiträgen, genauso aber auch inhaltlich ein. 

So hat der WDA erstmals eine Plattform geschaffen, bei der alle Interessenvertreter gemeinsam erarbeiten konnten, wie sie sich die Zukunft der Deutschen Auslandsschulen vorstellen. Das Ergebnis, die «Athener Erklärung», die dabei herausgekommen ist, ist etwas ganz Besonderes, weil sie von allen Stakeholdern gemeinsam getragen wird, und somit gebündelt in einer Stimme unsere Botschaft in die Öffentlichkeit trägt. 

Das war das Besondere an diesem Athener Kongress, dass wir alle mit einer kraftvollen Stimme gesprochen haben!

Sie sind nun bereits acht Jahre ehrenamtlich im WDA-Vorstand aktiv und sind  laut Satzung noch ein weiteres Jahr im Amt. Was treibt Sie persönlich an, diesen Einsatz zu leisten?

Es ist vor allem dieser interkulturelle Austausch und die daraus entstehende Weltoffenheit, die durch deutsche Schulen im Ausland möglich werden, die mich zu meinem Engagement bewegen.

So wie beim Schmetterlingseffekt, das Phänomen, dass ein zunächst kleines Ereignis eine große Auswirkung auf die Zukunft haben kann, ein Schmetterlingsflügel einen Tornado auslösen kann, besteht eine gute Chance, dass Schüler, die in mehreren Kulturen zuhause sind, auch in Zukunft für ihre Länder einen wertvollen Beitrag leisten können.

Die Fragen stellte Silvia Kählert.

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