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lunes, 13. enero 2025
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75 Jahre Berliner Luftbrücke

Ein Triumph, an den niemand glaubte

Flugzeuge im Minutentakt, 277.000 Landungen insgesamt: Die Versorgungsflüge der Westmächte ins blockierte Westberlin 1948 und 1949 waren ein logistischer Kraftakt. Sie wurden zum Mythos. Schauen Westdeutsche deshalb so anders auf die USA als der Osten?

Berlin (dpa) – Dem «lieben Schokoladenflieger» schrieb der kleine Wolfgang mit einem wichtigen Anliegen. «Ach sei doch so gut und schreibe mir, wo du immer deine Schokolade abwirfst», bat der Fünfjährige den US-Piloten Gail Halvorsen 1948 auf einer Postkarte. «Ich suche mit meinem Schwesterchen immer, habe aber noch nie welche gefunden.» Im Gegenzug bot der Berliner Knirps dem Amerikaner freie Auswahl aus seinen Spielsachen. «Ich habe auch ein schönes Dreirad, willst du das haben?»

«Feinde wurden Freunde»

Die kleine Postkarte im Bestand des Berliner Alliiertenmuseums sagt erstaunlich viel über ein Schlüsseldatum im Kalten Krieg. Die Berliner Luftbrücke vor 

75 Jahren war nicht nur erster Höhepunkt der jahrzehntelangen Ost-West-Konfrontation. Sie half zwei Millionen Menschen in Westberlin beim Überleben und wurde damit ein grandioser 

Sympathieerfolg der westlichen Besatzer. Halvorsen, der beim Anflug oft Süßigkeiten für Kinder abwarf und so ein Volksheld wurde, sagte selbst: «Es war fantastisch. Feinde wurden Freunde, und das hat alles verändert.»

Wer sich heute wundert, warum West und Ost so unterschiedlich auf die USA schauen, findet hier vielleicht Hinweise. Nur drei Jahre nach der deutschen Kapitulation 1945 entschloss sich Washington gemeinsam mit den Verbündeten Großbritannien und Frankreich zu diesem logistischen Kraftakt, um ihren Außenposten Westberlin zu sichern und der Sowjetunion die Stirn zu bieten. «Das hat das US-Bild nachhaltig positiv geprägt», sagt der Historiker Bernd von Kostka vom Alliiertenmuseum. Für die Sowjetunion war es ein unerwarteter Rückschlag, der später kaum thematisiert wurde. «Das war eine bewusste Leerstelle im Osten», sagt von Kostka.

Kurz die Fakten: Die seit Ende des Zweiten Weltkriegs bestehenden Besatzungszonen der drei Westmächte Frankreich, Großbritannien und USA führten mit einer Währungsreform im Sommer 1948 die D-Mark ein. Die eigene Währung signalisierte, dass das aufgeteilte Deutschland auseinanderdriftete. Die UdSSR sah die Gelegenheit zur Übernahme der von den Westmächten kon-trollierten Sektoren Berlins, die als Insel mitten in der Sowjetischen Besatzungszone lagen. Diktator Josef Stalin kappte sämtliche Landwege und setzte darauf, dass die Westmächte ihren abseitigen Außenposten aufgeben würden. Stattdessen begannen die drei Länder am 26. Juni 1948 mit der Versorgung aus der Luft. Bis Mai 1949 flogen sie Westberlin 277.000 Mal an und brachten rund zwei Millionen Tonnen lebenswichtiger Güter.

«Ich erinnere mich noch an das maßlose Erstaunen selbst bei höchsten SED-Kreisen, als plötzlich da die Luftbrücke in Gang kam», sagte später der Historiker Wolfgang Leonhard, damals noch Parteikader im Osten. «Am Anfang lachte man darüber und sagte:

 ‘Man kann ja nicht ganz Westberlin – das waren ja fast zwei Millionen Menschen – durch die Luft versorgen. Das ist nur so eine Show.’ Aber dann wurde es doch ernster.»

Im Minutentakt flogen die Maschinen über die SED-Parteihochschule Karl Marx in Kleinmachnow am südwestlichen Stadtrand, wo der junge Kommunist lehrte. «Wir spürten das hautnah», erinnerte sich Leonhard, der mit der «Gruppe Ulbricht» aus dem Moskauer Exil gekommen war und später in den Westen floh. «Und wir haben auch die Unsicherheit gespürt der sowjetischen Freunde. Damit hatte man nicht gerechnet.»

Das galt aber fast genauso für die Westmächte. «Es war alles andere als selbstverständlich, dass die Westalliierten blieben», erläutert von Kostka. Großbritannien hatte die Idee dieser gigantischen Hilfsaktion für den gerade besiegten Feind, obwohl die Briten selbst noch mit rationierten Lebensmitteln auskommen mussten. Der gesamte Beraterstab von US-Präsident Harry Truman war dagegen. Experten hielten eine Versorgung aus der Luft für unmöglich. Am Ende entschied Truman: «Wir bleiben in Berlin, wir lassen uns nicht rausdrängen», so gibt der Historiker den US-Präsidenten wieder.

Zu dem Zeitpunkt hatten sich die einstigen Kriegsverbündeten USA und Sowjetunion längst entfremdet. Der damalige britische Premierminister Winston Churchill prägte 1946 den Begriff vom «Eisernen Vorhang» zwischen West und Ost. Der US-Diplomat George Kennan schwor seine Regierung 1947 auf «Containment» ein, auf Eindämmung Moskauer Machtbestrebungen. Dazu brauchte man in Europa den einstigen Kriegsgegner Deutschland – oder zumindest die unter westlicher Kontrolle stehende Hälfte. Die Luftbrücke war eine humanitäre Leistung, aber auch ein geopolitischer Schachzug.

Den Berlinern signalisierte sie, «dass wir uns auf eine gewisse Festigkeit der Amerikaner verlassen können», so sagte es der spätere Regierende Bürgermeister Klaus Schütz (SPD) und schrieb das Verdienst vor allem US-General Lucius Clay zu. Care-Pakete und Rosinenbomber, all das wurde zum Mythos. Die westdeutsche Sicht auf die einstigen Kriegsgegner drehte sich fundamental.

«Die Situation zwischen den Deutschen und den Amerikanern änderte sich sehr, als die Luftbrücke startete», erzählte später auch «Schokoladenflieger» Halvorsen. Vor der Hilfsaktion seien US-Soldaten feindselig behandelt worden, etwa Restaurants, wo Deutsche aus Protest aufgestanden und gegangen seien. Nach Beginn der Luftbrücke seien sie nicht nur geblieben, sie hätten den GIs sogar einen ausgegeben, sagte Halvorsen. Er starb 2022 mit 101 Jahren.

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