«Ein gegenseitiger Segen»
Das Pastoren-Ehepaar, Johannes Merkel und Nicole Oehler, ist dabei, seine Kisten und Koffer zu packen: Nach neun Jahren in der Versöhnungsgemeinde in Las Condes geht es im Juli für die Familie nach Deutschland zurück.
«Es fällt uns allen vieren sehr schwer, Abschied zu nehmen», sagt Nicole Oehler bedauernd. Ihr Mann Johannes Merkel bemerkt, dass sich die Familie eigentlich schon nach zwei Wochen in Chile einig gewesen sei: «Wir wollen hier möglichst lange bleiben.» Aus den sechs Jahren wurden also neun, die maximale Zeit, die die Evangelische Kirche in Deutschland für eine Auslandspfarrstelle vorsieht.
«Eine tolle Gemeinde – offen und spontan»
Als sich das Ehepaar im Jahr 2014 auf die Stelle beworben hat, lernte die Gemeinde sie über Videos kennen. Sie selbst waren vorher nie vor Ort. «Daher haben sowohl wir als auch die Gemeinde quasi die Katze im Sack gekauft», meint Nicole Oehler schmunzelnd. Wie sich ganz schnell herausstellte, hätte es nicht besser passen können.
Was ihnen denn besonders gefallen hat? «Es ist einfach eine tolle Gemeinde – offen und spontan», meinen beide unisono. Es gebe eine herzliche Willkommenskultur, so dass sich die Familie von Anfang an wohlgefühlt habe. «Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Das haben wir immer wieder zurückgemeldet bekommen.»
Gleich am Anfang fiel dem Pastorenehepaar auf, dass die Gemeinde sehr vielfältig ist: «Es ist eine generationenübergreifende Gemeinschaft: Immer wieder sind alle Lebensalter in unseren Gottesdiensten präsent – von der 90-Jährigen über Jugendliche bis zum Baby.» Das haben dann beide mit ihren Angeboten verstärkt: «Es gab regelmäßig Kindergottesdienste, gemeinsames Feiern und Grillen, auch nach den Gottesdiensten, Vorträge mit interessanten Persönlichkeiten, Filmreihen und natürlich die beliebte Kinderfreizeit im Sommer.»
Außerdem galt es, die zwei Kulturen zu leben: «In unserer Gemeinde gibt es etwa ein Drittel Chileninnen, ein Drittel Deutsch-Chilenen und ein Drittel Deutsche.» Das kam den Ehepartnern entgegen und sahen sie als Bereicherung an.
Beide mussten ganz neue Aufgaben bewältigen. Nicole Oehler berichtet von ihrer Tätigkeit im Colegio Belén in La Florida: «Es war das erste Mal, dass ich in einer Schule gearbeitet habe. Außerdem war mein Spanisch am Anfang noch nicht so gut.» Einmal in der Woche war die Pastorin in der Schule, um die Woche mit einem Gebet und Segen für die Schulgemeinschaft zu beginnen. Außerdem war sie als Seelsorgerin Ansprechpartnerin, wenn Lehrer oder Schüler Probleme hatten. Sie fungierte als Bindeglied zwischen der Versöhnungsgemeinde und ihrer Schule. Mit der Zeit sei Vertrauen entstanden. Das wurde ihr richtig klar, als der damalige Schulleiter zur Schulgemeinschaft sagte: «Die Pastorin ist nicht zu Besuch hier, sie ist Teil unserer Schule.»
«Kurzfristig planen – und doch entspannt sein»
An einige Ereignisse erinnert sich Johannes Merkel zurückblickend besonders. Zum Beispiel das Gedenken der «500 Jahre Reformation» im Jahr 2017. Damals wurde weltweit das Jubiläum der Veröffentlichung der 95 Thesen durch Martin Luther an der Schlosskirche in Wittenberg gefeiert. «Und wir hatten die Staatspräsidentin Bachelet und viele weitere Ehrengäste in der Kirche. Das erlebt man so in einer deutschen Gemeinde kaum einmal und das war wirklich großes Kino – angefangen bei den Vorbesprechungen mit den Leuten aus der Moneda und nicht zu Ende mit dem Sicherheitsaufgebot. Wir hatten uns zum Beispiel Sorgen wegen der Parkmöglichkeiten gemacht, da das ganze Viertel großräumig abgesperrt war, dies stellte am Ende aber kein Problem mehr da», sagt der Pastor mit einem Schmunzeln.
Das Ehepaar hat auch einiges in diesen neun Jahren dazugelernt: «Kurzfristig planen, sehr flexibel und doch entspannt sein, das gehört hier dazu.» Ganz deutlich sei ihm das bei der Planung des 40-jährigen Jubiläums der Versöhnungsgemeinde geworden, das 2015 in ihr erstes Jahr in Chile fiel, wie Johannes Merkel erzählt. Als der Pastor vier Tage vor den Feierlichkeiten das Gefühl hatte, alles sei doch mehr schlecht als recht vorbereitet und er einem Mitglied des Kirchenvorstands klagte, dass zum Beispiel noch die Musik fehle, sagte dieser: «Keine Sorge – bei uns in Chile klappt das am Ende immer irgendwie.» Und so war es dann tatsächlich auch.
«Auf der anderen Seite hatten wir große gestalterische Freiheit», stellt Johannes Merkel fest. «In Deutschland waren Baumaßnahmen zum Beispiel immer ein Kampf. Als wir hier Solarpanele auf das Kirchendach setzen wollten, haben wir
jemanden gesucht, der das projektiert und Angebote eingeholt und die Finanzierung gesichert: Und los ging es.» Dabei habe auch die enge Zusammenarbeit mit dem Kirchenvorstand eine große Rolle gespielt. Genauso hat die gute Kooperation in der Ielch sowie mit den Pfarrern der Erlösergemeinde die Arbeit bereichert.
Für die beiden Kinder des Ehepaars, die mit drei und fünf Jahren nach Chile kamen, bedeutet der Umzug nach Deutschland eine große Umstellung. Inzwischen sind sie 12 und 14 Jahre alt, haben also ihre Kindheit hier verbracht. «Auch wenn Oma und Opa dann in der Nähe sind – Chile wird sicherlich immer eine zweite Heimat für sie bleiben», meint Nicole Oehler. Die Familie wird künftig in Wiesbaden leben, wo Johannes und Nicole jeweils eine Pastorenstelle in einer Gemeinde übernehmen werden.
«Chile ist ein wichtiger Teil unseres Lebens geworden», betont Nicole Oehler. «Die Menschen hier sind uns ans Herz gewachsen. Wir werden sicher wiederkommen. In all den neun Jahren durften wir spüren, dass wir für uns gegenseitig ein Segen waren – Gott hat seine Hand über uns gehalten.».
Der Abschiedsgottesdienst von Pastorin Nicole Oehler und Pastor Johannes Merkel findet statt:
am 2. Juli um 11 Uhr in der Kirche «Zum Guten Hirten», Alonso de Camargo 8040, Las Condes
Fotos: Versöhnungsgemeinde