«Danke, Opa!»

«Ich hatte das Glück, dass mein Großvater Franz Korff immer auf Deutsch mit uns sprach, und wir waren verpflichtet, in derselben Sprache zu antworten. Die sonntäglichen Besuche bei den Großeltern werden von uns heute hoch geschätzt… Danke Opa!»
Über ihre Kindheit und Jugend erzählt Tatiana Held: «Ich wurde am 14. Februar 1964 in Puerto Varas geboren. Meine Kindheit verbrachte ich auf dem Land, in der Nähe von Llanquihue, denn mein Vater Helmin Held war Landwirt. Er hatte die Landwirtschaftsschule Adolfo Matthei in Osorno besucht und auf dem Hof der Familie gearbeitet. Ich erinnere mich, dass ich mit meinen Schwestern Catia und Lorena immer im Freien spielte und von klein auf viel geritten bin. An heißen Tagen badeten wir im Fluss, und dazu gab es immer ein Picknick mit von meiner Mutter gebackenen Keksen und hausgemachtem Himbeersirup. Unser Obstgarten war riesig, mit allen Arten von Gemüse und Obst, die geerntet und für den Winter gelagert wurden.
Das Leben änderte sich für mich mit dem Schulbeginn, denn aufgrund der Entfernung blieb ich von Montag bis Freitag in einem Internat. Die ersten Jahre besuchte ich die Deutsche Schule in Llanquihue, dann die in Puerto Varas und schließlich die DS in Osorno, bis zur achten Klasse. In diesem Jahr besuchte uns Klaus Weidinger, um für das Kaufmännische Berufsbildungszentrum Insalco zu werben. Man konnte zwischen Außenhandel und zweisprachiger Sekretariatsausbildung wählen. Ich entschied mich für Sekretariat, denn auch meine Mutter Brigitte Korff war Sekretärin, obwohl sie dann, als sie auf dem Land lebte, nicht mehr in ihrem Beruf arbeitete.»
Die Familie Held kam im Jahr 1852 aus Zittau, Sachsen, nach Chile. Sie waren Weber, doch mit dem Aufkommen der mechanischen Webstühle stand die Familie plötzlich mitten in der Revolution von 1848 ohne Arbeit da. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als nach neuen Horizonten zu suchen. Sie hörten, dass ein weit entferntes Land in Südamerika Einwanderer aufnahm und reisten mit dem Segelschiff Susanne, das nach viermonatiger Fahrt in Valdivia eintraf. Man bot ihnen eine Farm im Sektor Totoral am Ufer des Llanquihue-Sees an, wo es ein Kolonisierungsprojekt der chilenischen Regierung gab. Allerdings handelte es sich nicht um einen landwirtschaftlichen Hof, sondern um einen undurchdringlichen Wald…
Tatiana berichtet über die Ankunft ihres Großvaters mütterlicherseits in Chile: «Franz Korff verließ sein Heimatland Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. Auf der Suche nach einer besseren Zukunft arbeitete er auf einem Dampfer, der in die Vereinigten Staaten fuhr. Er durchquerte die Magellanstraße und legte dann in Puerto Montt an, um Vorräte aufzufüllen. Dort stellte Franz fest, dass es bereits eine blühende deutsche Kolonie gab und beschloss zusammen mit zwei Freunden von Bord zu gehen. Er war erst 20 Jahre alt, und ließ sich in Llanquihue nieder. Er begann als Schmied zu arbeiten und konnte bald seine eigene mechanische Werkstatt eröffnen.»
Nach ihrem Abschluss am Isalco arbeitete Tatiana als junge Frau für das deutsche Unternehmen Ender Consulting, das auf der Messe Fisa in Chile präsent war. Nun hatte sie die Gelegenheit, die Firma in verschiedenen Ländern auf Messen zu vertreten und ihre Produkte zu verkaufen. Zusammen mit drei anderen Freundinnen reiste sie ein Jahr lang in Länder wie Australien, Singapur, Malaysia, Südafrika, Kanada und andere. «Es war eine sehr interessante und bereichernde Erfahrung», erinnert sie sich. Danach arbeitete Tatiana bei Ultramar in der Marketingabteilung.
Doch dann kam der Tag des Heiratsantrags. Ihr Bräutigam lebte im Süden, so dass ein Umzug anstand: «Mein Mann Jorge Werner ist Forstingenieur und arbeitet auch in der Milch- und Fleischproduktion. Wir kennen uns seit unserer Kindheit, da unsere Familien befreundet waren und wir uns immer im Deutschen Turnverein von Llanquihue trafen, dem wir auch heute noch angehören. Wir haben den schönen Strand dieses Clubs sehr genossen und natürlich auch den Sport, insbesondere Faustball. Wir hatten das Glück, an mehreren internationalen Meisterschaften teilnehmen zu können. Wir können mit Stolz sagen, dass unsere drei Kinder – Felipe, 34, Joaquín, 32 und Catalina, 28 Jahre alt – diese Tradition fortgesetzt haben und sehr gute Sportler sind. Joaquín ist Mitglied der Faustball-Nationalmannschaft und wird im Juli dieses Jahres bei den Faustball-Weltmeisterschaften in Mannheim, Deutschland, spielen.
Unsere Kinder haben die Deutsche Schule in Puerto Montt besucht und sprechen daher auch etwas Deutsch.»
Nachdem Tatiana verheiratet war, arbeitete sie bei der Firma Kaufmann in Llanquihue, bis die Kinder geboren wurden und sie sich der Erziehung widmete. Mit der Zeit wurde ihr aber klar, dass sie noch eine andere Tätigkeit ausüben wollte, und so bewarb sie sich – mit einem Abschluss der Universität Los Lagos in Tourismusmanagement – bei einer der renommiertesten Agenturen in Puerto Varas, Travel Art, um als Reiseleiterin für deutschsprachige Gruppen zu arbeiten. «Auf dem Kreuzfahrtschiff Stella Australis traf ich viele interessante Menschen und lernte Nationalparks und Kap Hoorn kennen. Und ich entdeckte die neue und faszinierende Welt des Trekkings! In meiner Familie war es nicht üblich, zu wandern, auf Berge oder Vulkane zu steigen. Das Schönste ist, dass ich meine ganze Familie für diesen Sport begeistern konnte. Mit meinem Mann angeln wir auch gerne in Flüssen und Seen.»
Mit der Pandemie kamen lange Zeit keine Touristen, eine Chance für Tatiana, sich zurückzuziehen. «Jetzt kümmere ich mich um Haus, Garten und die Landarbeit. Wir kochen viel zu Hause und freuen uns, wenn unsere Kinder zu Besuch kommen und die besten Grillbraten der Gegend zubereiten!»
Foto: privat