Gigantisches Potential für Chile
Lithium kann umweltschonend aus Geothermalwässern gewonnen werden – das zeigen die Ergebnisse des deutsch-chilenischen Brinemine-Projekts. Die beteiligten Forscher haben Methoden entwickelt, um die Gewinnung von Lithium aus geothermischen Quellen zu ermöglichen – ebenso wie die von anderen wirtschaftlich bedeutsamen Rohstoffen sowie von erneuerbarer Energie. Von den Forschungsergebnissen können nun nach dem Abschluss des vierjährigen Projektes Ende März sowohl Deutschland als auch Chile profitieren.
Joachim Koschikowski ist für die Forschungsgruppe «Wasseraufbereitung und Stofftrennung» am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg zuständig. Vier Jahre leitete der Wissenschaftler das Brinemine-Projekt, bei dem Geowissenschaftler und Verfahrenstechniker aus Forschung und Industrie in Deutschland und Chile zusammenarbeiteten.
Erfolgreiche Tests im Oberrheingraben und in den Termas de Puyehue
Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Das Fraunhofer ISE entwickelte im Rahmen des Projekts zusammen mit der Firma SolarSpring GmbH die Anlagentechnik für die Mineralienextraktion, die zunächst in einem Demonstrator erprobt wurde. Dieses vereinfachte Modell zeigte die Umsetzbarkeit und kann nun für die industrielle Nutzung eingesetzt werden.In Chile war der Einsatz der Testanlage an den Termas de Puyehue durch das Unternehmen Tanica ermöglicht worden und wurde auch vom Fraunhofer Chile Re-
search unterstützt. In Deutschland wurde ein Teil der Prozesskette dazu bereits erfolgreich in einem Geothermie-Kraftwerk im Ober-
rheingraben getestet.
Valentin Goldberg, der für das Brinemine-Projekt im Rahmen seiner binationalen Doktorarbeit am Karlsruher Instituts für Technologie (Kit) und der Universidad de Chile forscht, stellt fest: «Sowohl in Chile als auch in Deutschland gibt es ein sehr großes Potenzial an Lithium in geothermalen Quellen, das durch eine kombinierte stoffliche und energetische Nutzung wirtschaftlich gewonnen werden könnte.» Er ist der Meinung, dass der Green Mining Sektor in Chile und Deutschland durch die gemeinsamen Forschungsarbeiten im Brinemine Projekt gleichermaßen erheblich profitieren kann. Das KIT ist in dem Projekt zusammen mit der Firma Geothermie Neubrandenburg GmbH (GTN) und der Universidad de Chile für die geochemische und geophysikalische Untersuchung der geothermalen Reservoirs zuständig. Die GTN ist ein Beratungs- und Planungsbüro von Ingenieuren und Geologen, die international tätig sind.
Weltweite Lithiumnachfrage vervielfacht sich
Lithium ist angesichts von Klimakrise und Krieg ein Schlüsselelement: Um die Energiewende einzuleiten und um sich von importiertem Öl und Gas unabhängig zu machen, setzen deutsche Politiker zunehmend auf Technologien wie Wind- und Solarenergie, Wärmepumpen und Elektroautos. Das Leichtmetall ist ein notwendiger Bestandteil von Elektroautos und von Solarspeichern zur Stabilisierung der Stromnetze. Für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien sind riesige Mengen an Lithium, ebenso an Kobalt und Nickel notwendig.
Der weltweite Lithium-Bedarf wird sich bis 2030 gegenüber 2020 vervier- bis versiebenfachen, wie die Deutsche Rohstoffagentur, die zur Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe gehört, prognostiziert hat. Auf die momentan in Deutschland entstehenden und geplanten Produktionsstätten entfallen drei bis 15 Prozent des für 2025 prognostizierten weltweiten Lithiumbedarfs, haben die Wissenschaftler des Kit ausgerechnet.
Gegenüber anderen kritischen Rohstoffen wie Kobalt oder seltenen Erden hat Lithium jedoch einen großen Vorteil: Auch in Deutschland gibt es nennenswerte Vorkommen. Das heiße Thermalwasser, das in wenigen Kilometer Tiefe im Oberrheingraben zwischen Basel und Wiesbaden sowie in Teilen Norddeutschlands im Untergrund zirkuliert, weist hohe Lithiumkonzentrationen auf.
Das Thermalwasser ist auch deshalb eine attraktive Quelle für den Rohstoff, weil es mancherorts bereits an die Oberfläche befördert wird, um Energie zu gewinnen. Valentin Goldberg weist darauf hin, dass es in Deutschland bereits mehr als 40 Geothermie-Anlagen gibt, die mit dem heißen Wasser aus der Tiefe naturschonend Wärme und teilweise auch Strom erzeugen.
«Kritische Rohstoffe» nachhaltig abbaubar
Mit neuartigen Kombikraftwerken könnte also nicht nur klimafreundlich Strom erzeugt, sondern gleichzeitig könnten auch Trinkwasser und sogar Bodenschätze gewonnen werden. Hinzukommt für Chile die Möglichkeit, außer der Energiegewinnung und dem Abbau von Lithium auch andere strategische Elemente für die Wirtschaft zu gewinnen, wie Cäsium, Magnesium, Antimon oder Rubidium. Sie sind für die Energietechnologie und verschiedene Hightech-Branchen notwendig und werden als «kritische Rohstoffe» von der Europäischen Union eingestuft. Das heißt, die Rohstoffe haben eine entscheidende wirtschaftliche Bedeutung, können aber nicht in der EU abgebaut werden und müssen somit zum größten Teil importiert werden.
Für die Daten, die bei der im vergangenen Jahr unternommenen Erkundungsfahrt durch Chile erhoben wurden, stehe nun die finale Auswertung an, erklärt Valentin Goldberg. Doch bereits jetzt lasse sich absehen, dass in den untersuchten Thermalquellen ein hohes Potenzial stecke. (Siehe auch Bericht «Effiziente und umweltfreundliche Rohstoffgewinnung in Chile» auf Seite
8 und 9.)
Fotos: Kit