«Mein Herz ist in Afrika»
Aus ärmlichen Verhältnissen stammend wurde er durch Eigenstudium Arzt, dann Missionar und vor allem Forschungsreisender auf dem afrikanischen Kontinent: David Livingstone verdanken die Victoriafälle ihren Namen. Der Entdecker wurde in Großbritannien als Nationalheld gefeiert. Er starb nach einer fünfjährigen beschwerlichen und erfolglosen Suche nach den Quellen des Nils.
Vom armen Krämersohn zum Arzt und Missionar
In der Industriestadt Blantyre bei Glasgow kam vor 140 Jahren, am 19. März 1913, David Living-stone als Sohn des Krämers Neil Livingstone und dessen Frau Agnes zur Welt. Er hatte vier Brüder und zwei Schwestern, von denen aber zwei Brüder bereits im Kindesalter verstarben. Seine Familie war arm, lebte in einer Einzimmerwohnung. Mit zehn Jahren musste er die Dorfschule verlassen, um in einer Baumwollspinnerei zu arbeiten. Trotz dieser Widrigkeiten gelang es ihm, sich die erforderlichen Erkenntnisse anzueignen, um theologische, botanische und medizinische Studien betreiben zu können. Nach der 14-stündigen Arbeit an den Webmaschinen, folgten zwei Unterrichtsstunden in einer Abendschule, zudem versuchte er während der Arbeit Latein und Griechisch zu studieren, indem er sich von seinem ersten Lohn eine Grammatik kaufte und diese an der Baumwollmaschine befestigte.
Der deutsche lutherische Missio-nar Karl Gützlaff, der 1831 in China die erste lutherische Mission errichtete und zur Entsendung von Missionsärzten nach China aufrief, beeindruckte ihn. Für David öffnete sich nun eine Perspektive, Wissenschaft und christlichen Dienst verknüpfen zu können. So überzeugte er seinen Vater von einem Medizinstudium. 1840, mit 25 Jahren, beendete er sein Studium und wurde kurz danach Mitglied der London Missionary Society. Wollte er ursprünglich nach China reisen, verschloss ihm schließlich der Opiumkrieg (1839-1842) diese Tür. Die Begegnung mit Robert Moffat, einem Missionsveteranen aus Südafrika, brachte ihn darauf, dort sein Glück zu versuchen. Es war die Erzählung von seiner abgelegenen Missionsstation, und dem «Rauch von tausenden Dörfern, wo bisher kein Missionar auftauchte», die ihn überzeugte.
Missionsarzt in Afrika
Der junge Arzt kam auf seiner Missionsreise via Brasilien nach drei Monaten, im Dezember 1840, in Kapstadt an. Dort sollte er nun die nächsten 16 Jahre verbringen. Sofort lernte er die Gegensätze zwischen den hochmütigen weißen Siedlern und den Eingeborenen kennen, was ihn zu einem erbitterten Gegner der Sklaverei machte.
Ihn zog es dann auch sogleich in die Station Kuruman im Betschuanaland, jener Station, von der ihm Robert Moffat berichtet hatte. Die Zahl der Bekehrten in Kuruman hielt sich jedoch in Grenzen. Weniger als 40 wurden Christen und die Hälfte von ihnen fiel bald wieder vom Glauben ab.
Einen Monat später begab er sich mit Missionsgefährten auf sein erstes von drei Entdeckungsunternehmen, das ihn etwa 500 Meilen nordöstlich von Südafrika führte. Livingstone war einer der ersten Missionare im südlichen Afrika , und der erste in Zentralafrika. Im Landesinneren war er auch der erste Europäer, der zu den lokalen Stämmen Kontakt aufnahm. Er gewann als Heiler ihr Vertrauen.
Der «Humboldt» von Afrika
Nach vier Jahren in Südafrika heiratete er die Tochter von Robert Moffat, Mary. Die Christianisierung allein erfüllte ihn nicht. Es wurde ihm bewusst, dass er vielmehr zum Forscher berufen war. Während seiner ersten 16 Jahre in Südafrika unternahm er die erstaunlichsten und gefährlichsten Forschungsunternehmen des 19. Jahrhunderts. Sein Ziel war es, eine «Missionsstraße» (Missionary Road) zu öffnen, die 1.500 Meilen nach Norden ins Innere Afrikas führte. So gelangte er 1849 als erster Europäer an den Ngamisee. Er drang nach Norden vor und erreichte 1851 den oberen Sambesi.
1852 schiffte Livingstone seine Frau und Kinder nach Großbritannien ein – erst nach vier Jahren traf er sie wieder. Er schätzte zunehmend die Afrikaner als seine Freunde. 1852 nahm er die Erkundung des Sambesi wieder auf und folgte den Fluss aufwärts bis zur Quelle, wandte sich dann zum Kassai und erreichte im Mai 1854 erschöpft durch Malaria und Hunger Luanda an der Atlantikküste. Vier Monate später begann seine berühmt geworde-ne Durchquerung des afrikanischen Kontinents von Luanda in Richtung Osten. Dabei entdeckte er die gewaltigen Wasserfälle des Sambesi, die die Kololo «Mosi-oa-Tunya» («donnernder Rauch») nannten. Livingstone aber nannte sie zu Ehren der britischen Königin «Victoria Falls» (Viktoriafälle). Für Livingstone waren die Wasserfälle «das Schönste, das er in Afrika je zu Gesicht bekam». Er gelangte dann am 20. Mai 1856 nach Quelimane in Mozambique, an die Mündung des Sambesi in den Indischen Ozean und war somit der erste Nicht-Afrikaner, der den Kontinent von Westen nach Osten durchquerte.
Im Dezember 1856 kehrte er als Held nach England zurück und ordnete seine Aufzeichnungen, die er dann 1857 als «Missionary Travels and Researches in South Africa», 1858 in Leipzig auch in deutscher Sprache als «Missionsreisen und Forschungen in Süd-Afrika» veröffentlichte. Es wurde ein Bestseller, und so vermochte er seine Familie nun besser zu versorgen.
1859 trat er erneut eine Entdeckungsreise an, die ihn zum Schirwasee und Njassasee führte. Von 1860 bis 1864 zog er den Sambesi aufwärts nach dem Rovuma und in die Landschaften südlich und westlich vom Njassasee. Doch die Suche nach einem möglichen Handelsweg, der den Osten und Westen Afrikas verband und dadurch das Ziel einer Christianisierung, besserer Handelsbedingungen und einer «Zivilisierung» Afrikas dienen sollte, was zudem dem Sklavenhandel ein Ende bereiten würde, scheiterten.
Der Tod Marys 1862, die ihn auf dieser Expedition begleitete, traf ihn sehr. Als er dann im Sommer 1864 zurück nach Großbritannien zurückkehrte, wurde ihm weniger Aufmerksamkeit geschenkt.
Der verschollene Missionar
Im Herbst 1865 schiffte er sich erneut nach Afrika ein, landete im Januar 1866 in Sansibar und begann am 24. März 1866 seine letzte Forschungsreise. Eines seiner Ziele war, die Quelle des Nils zu erkunden. Im April 1868 erreichte er den Moerosee, entdeckte dessen Ausfluss, den Lualaba, gelangte dann zum Bangweolosee und zog nach Norden weiter.
Ab 1871 schien David Livingstone wie vom Erdboden verschluckt. Das spurlose Verschwinden dieses berühmten schottischen Entdeckers weckte in der ganzen Welt Interesse. Es wurden mehrere Suchexpeditionen unternommen. Schließlich schickte auch der Her-ausgeber des New York Herald, James Bennet, seinen hartgesottenen Journalisten Henry Morton Stanley in die Kongo-Region.
Diesem gelang es dann am 10. November 1871 den kranken Livingstone in Ujiji anzutreffen. Bei der Begegnung fielen die berühmten Worte «Dr. Livingstone, I presume?» («Doktor Livingstone, nehme ich an?»). Gemeinsam erforschten sie im Dezember 1871 das Nordende des Tanganjika. Stanley veröffentliche später sein Buch «How I found Livingstone» («Wie ich Livingstone fand»). Obwohl gesundheitlich stark angeschlagen, wollte Living-
stone weiterhin im Inneren Afri-kas bleiben und seine Suche nach den Nilquellen fortsetzen. Seine letzte Expedition führte ihn dann an die östliche Seite des Bangweulu-Sees. Dort war er so stark geschwächt, dass er in einer Hängematte getragen werden musste. Am 1. Mai 1873 starb er in IIala am Südufer des Bangweulu an Ruhr.
Entsprechend Livingstones Ausspruch «Mein Herz ist in Afrika» begruben seine beiden getreuen Diener Susi und Chuma das Herz unter einem Affenbrotbaum. Danach balsamierten sie den Leichnam ein und brachten ihn an den Indischen Ozean, von wo aus Livingstones sterbliche Überreste in die Heimat verschifft und 1874 in der Londoner Westminster Abbey beigesetzt wurden.