Starke Frauen in der Geschichte Chiles
«Sei es bei den Clubes de Lecturas oder sei es bei Lesungen: Vor allem Frauen, die aus allen gesellschaftlichen Schichten stammen, melden mir zurück, dass sie sich in den weiblichen Hauptfiguren meiner Romane wiederfinden», hat Patricia Cerda immer wieder festgestellt.
Es sei ihr wichtig, dass die Protagonistinnen in ihren Büchern nicht als Opfer dargestellt sind: «Es sind starke Persönlichkeiten aus der Geschichte Chiles, die selbst aktiv werden und ihr Leben in die Hand nehmen. Positive feminine Figuren, die auch in einer patriarchalischen Gesellschaft Strategien und Wege finden, ihr Leben zu leben. Diese Chileninnen waren unsere Vorgängerinnen, wir fühlen uns ihnen verbunden und können auch heute noch von ihnen lernen.»
Das ist ihr besonders gut mit ihrem 2016 erschienen Roman «Mestiza» gelungen. Das Buch erlebt bis heute jedes Jahr eine weitere Auflage. Es spielt im 17. Jahrhundert in Chile, in der Zeit der Kolonisierung durch die Spanier. Eine Leserin habe ihr gesagt: «Mestiza könnte meine Schwester sein.»
Es sei ihr ein Anliegen gewesen, mit ihren Büchern das Bewusstsein für einen Teil der chilenischen Geschichte zu stärken, der lange Zeit für die jungen Generationen keine Rolle gespielt habe. Daher freut es die promovierte Historikerin besonders, dass ihre Bücher heute in den Schulen und Universitäten in Chile gelesen werden.
Wie kommt es nun, dass Patricia Cerda seit 1986 in Berlin lebt? Zunächst hat sie als Studentin ein DAAD-Stipendium erhalten, das ihr ermöglichte, ihre Promotion an der Freien Universität Berlin fortzuführen. Sie ist in Deutschland geblieben und hat als Universitätsdozentin gearbeitet. Immer wollte sie schon literarische Bücher verfassen, aber erst 2013 war eine Lebensphase gekommen, in der sie so weit war, sich ganz dem Schreiben zu widmen.
In ihrem Buch «Luz en Berlín» hat sie ihre Erlebnisse aus der Zeit, als die Mauer fiel und der Kalte Krieg zu Ende war, verarbeitet: «Es war ein Jahr, in dem Deutschland und Chile parallel einen Umbruch erlebt haben.» Damit habe sie eine Verbindung zwischen beiden Ländern hergestellt.
Auch in ihrem Roman «Rugendas» zeigt sie eine Brücke zwischen Chile und Deutschland auf, die durch den aus Augsburg stammenden Maler Johann Moritz Rugendas entstanden ist. Neun Jahre, zwischen 1836 und 1845, lebte er in Valparaíso und Santiago. Er malte unter anderem auch das Gesicht eines Mapuche – als erster bekannter Künstler. In Chile fanden seine Bilder damals keinen Abnehmer – heute hängen sie in den Museen.
Die Emigration nach Deutschland während der Militärdiktatur Pinochets sei für sie selbst «ein Geschenk des Schicksals» gewesen. Es ermögliche ihr als Autorin durch die Distanz ihr Land aus einer anderen Perspektive zu sehen, die Widersprüche wahrzunehmen. Auch als Historikerin lebe sie am richtigen Ort: «Meine Wohnung ist nur 100 Meter von der Bibliothek des Ibero-Amerikanischen Instituts entfernt – die größte für die lateinamerikanische Kultur außerhalb von Südamerika.»
In ihrer ersten Publikation, den Erzählungen «Entre mundos» (2013), beschreibt sie das Leben zwischen zwei Kulturen. Es folgten sieben Romane: Nach «Mestiza» (2016), «Rugendas» (2016), «Violeta & Nicanor» (2018) und «Luz en Berlín» (2019) ist 2020 «Bajo la Cruz del Sur» (2020) über die erste Weltumsegelung erschienen. Danach erschienen «Las infames» (2021) und in diesem April ihr neuestes Buch «Ercilla y las contradicciones del imperio». Eine Erzählung von «Entre mundos» ist auf Deutsch erschienen und auch auf Chinesisch und Arabisch übersetzt worden.
Zur Recherche für ihr nächstes Werk ist Patricia Cerda zurzeit in Chile unterwegs. Eins verrät die Autorin bereits: Es wird wieder eine starke Frau der chilenischen Geschichte im Mittelpunkt stehen – Gabriela Mistral.