Von Walter Eckel

Foto: HCLA
In Spanien erhielt er 2006 den Preis «Casa de América de Poesía» und 2014 den «Premio Loewe de Poesía». In Chile hat er den «Altazor-Preis» bereits zweimal erhalten (2003 und 2012), und 2012 wurde ihm auch der «Iberoamerikanische Poesiepreis Pablo Neruda» verliehen. Im selben Jahr durfte er zudem den «Chilenischen Nationalpreis für Literatur» aus den Händen des chilenischen Staatspräsidenten Sebastian Piñera entgegennehmen. Während es um Hahn in den letzten Jahren in Chile etwas ruhiger geworden ist, erfährt sein Oeuvre im Ausland geradezu einen Boom. Inzwischen liegen zahlreiche Gedichtbände in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Griechisch, Italienisch und Portugiesisch vor, wobei eine Anthologie seiner Gedichte auf Aymara und Quechua besonders augenfällig ist. Damit gehört Hahn zweifelsohne zu den meist übersetzten chilenischen Dichtern.
Das hier im Original und in der Übertragung ins Deutsche vorliegende Gedicht «Ucrania bajo fuego» und «Ukraine unter Feuer» ist wenige Wochen vor dem ersten Jahrestag der russischen Invasion der Ukraine am 24.02.2023 entstanden und reiht sich nahtlos in die große Schar von Antikriegsgedichten ein, die Hahn seit seinen frühesten dichterischen Anfängen veröffentlicht hat. Seine Ablehnung des russischen Angriffskrieges hätte kaum deutlicher ausfallen können. In poetischen Bildern stellt er das Kriegsgeschehen in seinen schrecklichen Auswirkungen auf «Uniformierte und Zivilisten» dar, bei dem nicht nur Agressoren und Verteidiger, sondern auch viele Kinder ihr Leben lassen mussten. Die Verantwortung dafür lastet Hahn dem Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin an, der am Ende des Gedichts als bürokratischer «Verwalter des Todes» namentlich genannt wird. Für Hahn handelt es sich bei Kriegen um eklatante Versagen der Politik, die durch den Appellcharakter des Gedichts und die dadurch beim Leser ausgelöste Betroffenheit unausgesprochen aufgefordert wird, Wege zu finden, um Putin in die Schranken zu weisen und das Gemetzel zu beenden.
Dieses Gedicht hat offenbar beim europäischen Lyrikpublikum einen Nerv getroffen. Am 24. Februar wurden in der angesehenen französischen Zeitschrift «Poesibao» nicht nur das Original, sondern auch die Übertragungen ins Englische, Französische, Italienische und Deutsche veröffentlicht. Zeitgleich erschien die deutsche Fassung in der Heidelberger «Rhein-Neckar-Zeitung». Dies dürfte in der Rezeption von unveröffentlichten Gedichten bisher einzigartig gewesen sein, wodurch das hohe Ansehen, das Hahn als zeitgenössischer Dichter genießt, eindrucksvoll vor Augen geführt wird.
Ucrania bajo fuego
Siento que estoy girando en el espacio
como si fuera un astronauta loco
Poco más poco menos poco a poco
entro en la órbita de las desgracias
Ya el río Dniéper se tiñó de sangre
ya la nieve comienza a enrojecer
ya escuadrones de pájaros maléficos
descienden sobre Kiev
Ahora la Parca iza su bandera
y anuncia el tiempo de los sacrificios
ya los embajadores del Infierno
dictan los códigos del exterminio
Ahora lanzan bandadas de misiles
contra escuelas viviendas y hospitales
Arden las ruinas y en lo Alto brillan
los ojos de los niños
Un temporal de fuego azota Járkov
Odesa es bombardeada desde el mar
pero los combatientes ucranianos
resisten sin flaquear
Veo a los mercaderes de la guerra
depositar en bóvedas secretas
lingotes de oro y ojivas nucleares
Y veo a uniformados y civiles
dar la vida en las calles de Mariúpol
mientras Putin administra la muerte
sentado en su despacho
Ukraine unter Feuer
Ich fühle wie ich mich im Raum drehe
als ob ich ein verrückter Astronaut wäre
Etwas mehr etwas weniger nach und nach
trete ich ein in die Umlaufbahn des Unglücks
Schon hat sich der Fluss Dnjepr mit Blut gefärbt
schon beginnt der Schnee rot zu werden
schon stürzen Schwärme bösartiger Vögel
auf Kiew herab
Jetzt hisst die Parze ihre Fahne
und verkündet die Zeit der Opfer
schon diktieren die Botschafter des Infernos
die Codes der Vernichtung
Jetzt werfen sie Raketen in Scharen
auf Schulen Gebäude und Krankenhäuser
Die Ruinen brennen und in der Höhe leuchten
die Augen der Kinder
Ein Feuersturm verwüstet Charkiw
Odessa wird vom Meer aus bombardiert
doch halten die ukrainischen Kämpfer
ohne zu wanken stand
Ich sehe wie die Kaufleute des Krieges
Goldbarren und Atomsprengköpfe
in geheimen Stahlkammern lagern
Und ich sehe wie Uniformierte und Zivilisten
ihr Leben lassen in den Straßen von Mariupol
während Putin in seinem Büro sitzt
und den Tod verwaltet