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lunes, 9. diciembre 2024
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Ausflüge im Auto

Immer wieder spannend – mit dem Ford durch Chile

Der Ford 17M führte die Familie zu schönen, teilweise aber auch gefährlichen Orten in ihrer neuen Heimat.

Manfred Sandner arbeitete von 1964 bis 1969 als Lehrer in Chile. Der Familie gefielen Leben, Land und Leute so gut, dass sie noch zwei weitere Male kamen. Einige Anekdoten hielt Sandner in seinem Buch «Sprünge ins Ungewisse – Aus enger DDR bis ins unendlich weite Chile» fest. Im Kapitel über das Autofahren geht es um eine abenteuerliche Fahrt hinauf zum Cerro El Roble.

Am Freitag, dem 24. April 1964, werde ich zum Zoll nach Valparaíso gerufen, um unseren Ford 17M abzuholen. Ich empfange ihn unbeschädigt und komplett – was sollen all die negativen Informationen über die Westküste Südamerikas mit ihren Häfen? Die interessieren uns nun nicht mehr, denn bei uns beginnen damit spannende Autofahrten in Chile, unserer neuen Heimat. 

«Fahr weiter!» 

Gleich am Sonntag nach unserem Autoempfang fahren wir mit unserem Taunus zum Gottesdienst nach Valparaíso. Auf dem Cerro Alegre, einem der vielen Hügel, die Valparaíso umgeben und die malerische Kulisse ausmachen, gibt es die Deutsche Evangelische Kirche.Der Gottesdienst dort ist das Ziel unserer Fahrt. Wir sitzen nicht nur als vierköpfige Familie in unserem tollen Erstwagen, sondern auch noch drei weitere Personen. Die Sitzbank vome nimmt unsere komplette Familie auf, sodass für drei «Hinterbänkler» noch ausreichend Platz zur Verfügung steht. Kein Mensch denkt in diesen Zeiten an das Motto «Erst gurten, dann spurten». 

Es ist nicht viel los auf der Straße Richtung Küste, zumal am frühen Sonntagmorgen kaum ein Chilene draußen anzutreffen ist – aber umso mehr Vierbeiner. Bei der Ortsdurchfahrt von Quilpué läuft einer der Hunde direkt vor unser Auto. Ich habe keine Chance für eine Bremsreaktion – ein Stoß und unter uns ein fürchterliches Geräusch. Ich will anhalten, aber die chileerfahrenen Insassen rufen wie aus einem Munde: «Fahr weiter!» Es hätte keinen Sinn, sich auf irgendeine Diskussion mit einem vermeintlichen Besitzer einzulassen, denn jeder, der gerade vorbeikommt und feststellt, dass es sich im Auto um Ausländer handelt, bei denen etwas zu holen ist, würde sich als das «Herrchen» des Hundes ausgeben. Mir sagt auch mein Blick in den Rückspiegel, dass dem armen Tier nicht mehr zu helfen ist. Wir haben das Geräusch unter dem Auto noch lange im Ohr. 

Auto-Ausflug mit steilen Wänden und Felsbrocken 

Ingrid Sandner mit ihren Kindern – ein Ausflug im Taunus

Es naht der 1. Mai, auch in Chile ein Feiertag. Die Schüler, die im Internat meiner Schule, dem Internado Alemán in Villa Alemana, wohnen, wollen zusammen mit dem Bergsteigerschulleiter einen Ausflug in die Küstenkordillere machen und in diesem zu den Anden parallelen Gebirgszug den Cerro El Roble bezwingen, mit 2.200 Meter der höchste Berg dieses Gebirges. Uns reizt es, diese Gegend auch kennen zu lernen, aber den Fußmarsch hinauf und hinunter können wir unseren beiden Kleinen noch nicht zumuten. Es soll aber einen fahrbaren Weg fast bis zum Gipfel geben – also fahren wir mit dem Auto. 

Nur gut, dass einem Weg unten noch nicht anzusehen ist, was weiter oben aus ihm wird. So beginnen wir frohgemut die Auffahrt. Der Weg wird bald schmaler, zur Linken geht es steil bergab und rechts bleibt wenig Platz bis zur Felswand. Mit dem zweiten Gang ist bald nichts mehr zu machen, es geht nur noch im ersten weiter. In einem besonders steilen Abschnitt ist das auch nicht mehr möglich. Ich muss zurückrollen, um dieses Stück mit Schwung zu überwinden. Dabei ist an vielen Stellen zu viel Schwung auch nicht angebracht, weil mitten auf dem Weg plötzlich Felsteile liegen, die den empfindlichen unteren Teilen des Autos nicht guttun würden. 

Eine herausfordernde Rechtskurve

Dann kommt eine Rechtskurve, eng und steil. Unser Auto schafft sie nicht, weil nun links eine steil aufragende Felswand die Kurve einengt und das Abbiegen verhindert. Ich muss stoppen, mit der Handbremse ein Zurückrollen verhindern und darauf hoffen, dass deutsche Qualitätsarbeit das auch in Extremsituationen schafft. Der Führerscheinbesitzer aus Wilhelmshaven, der wenige Jahre zuvor das Anfahren aus der Handbremse an der sanft geneigten Auffahrt zur Kaiser-Wilhelm-Brücke einmal geübt hat, bekommt feuchte Hände. Denn er muss nicht nur das alles in einer realen Situation bewerkstelligen, sondern vorher auch noch mit Lenkereinschlag zurückrollen, um sich von der einengenden Felswand zu befreien. 

Auch Ingrid schaut ängstlich nach hinten, als ihr Mann die Handbremse löst, ein Stück zurückrollt, sich dabei gefährlich dem Abgrund nähert und zugleich gegenlenkt, wieder die Handbremse zieht, um sich auf den Neustart bergauf vorzubereiten. Dann muss ich erst einmal durchschnaufen und die Lage peilen. Die sieht eigentlich ganz gut aus, denn die Fortsetzung der Fahrt besteht nur aus einem «Geradeaus!». Leider besteht der Weg nicht aus festgefahrenem Untergrund, sondern aus lockerem Geröll. Vor mir hatten anscheinend auch schon andere Autos Probleme, die Rechtskurve auf Anhieb zu passieren. Mir ist klar, dass die Zeit zwischen dem Lösen der Handbremse und dem Kommenlassen der Kupplung bei gleichzeitigem Gasgeben, kurz sein muss. Doch beim Blick in den Rückspiegel, der nur unendliche Weite zeigt, wird mir einfach mulmig. 

Noch kann ich ganz ruhig den ersten Gang einlegen und die Kupplung gedrückt halten. Doch schließlich mache ich tatsächlich alles ganz schnell: Handbremse lösen, Gas geben und Kupplung kommen lassen – zum ersten Mal in meinem Leben. Mein Wilhelmshavener Fahrschullehrer hätte bestimmt Beifall geklatscht. Die Hinterräder drehen – bei meinem gar zu forschen Gasgeben und dem lockeren Untergrund – durch und verursachen hinten eine dichte Staubwand. Doch die Fahrt durch die Kurve ist geschafft und es geht weiter ohne zu große Hindernisse bergauf. Der Spannungsabfall im Taunus ist deutlich spürbar. Wir genießen den Tag oben auf den Höhen des Roble.

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