Experte für Wohnungsbaugenossenschaften
Der ehemalige Stipendiat der Carl-Duisberg-Gesellschaft Ramón Santelices war fast 60 Jahre im Wohnungsbaubereich tätig. Er beschäftigte sich mit dem Bau von Gebäuden für Genossenschaften und arbeitete für das Ministerium für Wohnungsbau und Städteplanung in Chile.
Ramón Santelices ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied bei der Covip, dem Wirtschaftsverband der Wohnungsbaugenossenschaften. Die Körperschaft vereint gemeinnützige Einrichtungen für den Wohnungsbau, die in Chile tätig sind. «Diese Firmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine Kapitalgesellschaften, sondern Personenvereinigungen und Genossenschaften sind, die sich für ihre Mitglieder einsetzen und sie beim Bau von Wohnungen unterstützen», erläutert Ramón Santelices. Wohnungsbaugenossenschaften existieren in Chile schon seit vielen Jahren.
Ramón Santelices hat seit 1963 Erfahrung beim Wohnungsbau gesammelt. Die Gründung der Genossenschaften kam damals durch die Erkenntnis zustande, dass eine Lösung der Wohnungsprobleme durch Selbsthilfe zu erreichen war. Der Experte weist darauf hin, dass Genossenschaften zum Ziel haben, mit allen Eigenschaften, die ein Unternehmen hat, «Aktionen durchzuführen, um mit ihren Mitgliedern gemeinsam die Lösung ihrer Probleme anzugehen». Die Hilfe bestand darin, ihren Teilhabern auf technischem, rechtlichem, sozialem und administrativem Gebiet beratend zur Seite zu stehen. Oft entstand dabei auch eine Zusammenarbeit mit den Firmen, bei denen die Mitglieder arbeiteten, wodurch Vereinbarungen erreicht werden konnten, die es ihnen ermöglichten, die nötigen Mittel zusammenzusparen, um ihre Projekte zu finanzieren.
Mitte der 1970er Jahre «stellten wir fest, dass es im Land keine Finanzierung für unsere Vorhaben gab», erinnert sich Santelices. «Außerdem vergab der Staat keine Kredite. Es gab keine Ressourcen. In den darauffolgenden Jahren enwickelte sich zwar das Bankwesen, aber Vereinigungen wie unsere bekamen bei den Banken keinen Kredit.» So entschieden die Verantwortlichen, die Verbände zu fusionieren, sodass eine einzige Genossenschaft entstand, die ein größeres Vermögen hatte und die Erfahrung der Fachleute, die nun zusammenkamen, nutzen konnte. Hierdurch wurden sie in die Lage versetzt, die Bauvorhaben mit den Beiträgen der Mitglieder und der Beratung der verschiedenen Fachleute durchzuführen. Hinzu kam, dass die Vereinigung dank einer Garantie, die die Regierung der USA ihr gewährte, nunmehr doch die Möglichkeit erhielt, Kredite aufzunehmen: «Damit war es möglich, mit den Bauvorhaben zu beginnen und die verschiedenen Projekte zu entwickeln.»
Mit diesem System «hatten wir bis Ende des vergangenen Jahres um die 8.000 Wohnungen im Bau», stellt Santelices fest. Er unterstreicht, dass es sich «um ein soziales Thema handelt, allerdings nicht um Wohltätigkeit, sondern um eine Hilfe zur Selbsthilfe». Es ist, als ob man die Mitglieder fragte: «Sie benötigen ein Haus? Dann können wir Ihnen dabei helfen.»
Ramón Santelices studierte zunächst Philosophie und Theologie, danach Jura. Er erhielt später ein Stipendium der Carl-Duisberg-Gesellschaft, um sich in Deutschland im Bereich Verwaltung und Finanzierung von Wohnungsbaugenossenschaften weiterzubilden. Es sei ähnlich wie eine duale Ausbildung gewesen und er habe den praktischen Teil dort verbracht, wo er sich spezialisieren wollte. Als er in Deutschland eintraf, musste er zunächst einen dreimonatigen Deutschkurs absolvieren. Danach folgte die eigentliche Lehrzeit. Sein Praktikum machte er bei der Ehrenfelder Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft in Köln: «Man arbeitete im Bereich der Auszubildenden, aber auch in dem der Geschäftsführung.»
Er lernte auch, vieles im Leben zu hinterfragen: «In Chile behaupten wir, dass wir tausende von Freunden haben. In Deutschland habe ich gelernt, was wahre Freundschaft ist. Jetzt habe ich wenige, aber echte Freunde und weiß zu unterscheiden, was es bedeutet, mit jemandem bekannt zu sein oder mit jemandem befreundet zu sein.»
Als er 65 Jahr alt war, meldete er sich an der Fakultät der Philosophie der Universidad Alberto Hurtado an, um moderne Philosophie zu studieren. Dazu sagt er voller Überzeugung: «Es war kein Berufswechsel!» Er führt als Beispiel den ehemaligen Minister
Alejandro Foxley an: «Er war Chemiker, wurde zum Finanzminister ernannt und ist heute ein herausragender Wirtschaftsexperte. Das gehört zum Lebensweg.» Santelices unterstreicht, dass «die Bildung, die man auf der Hochschule erhält, ermöglicht, sich auch im eigenen Beruf weiterzuentwickeln». Jura studierte er, «nicht um Rechtsanwalt zu werden, sondern weil mir klar wurde, dass es notwendig war, einige Rechtskenntnisse für meine Tätigkeit zu kennen».
Heute ist Ramón Santelices, obwohl er Rentner ist, weiterhin an der Covip aktiv. Außerdem hat er Bücher über Unternehmensethik und die Aufgabe von Genossenschaftsunternehmen geschrieben. Ferner hat er zu diesem Thema in verschiedenen Ländern Vorträge gehalten. Sein ganzer Stolz sind seine Enkel, die die Deutsche Schule besucht haben «und sehr gut Deutsch sprechen», wie er betont – ohne Zweifel eine Folge davon, dass Ramón Santelices‘ Kinder in Deutschland aufgewachsen sind.
Foto: privat