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Jaime Celedón ist der diesjährige Gewinner des Wettbewerbs Falling Walls Lab (FWL) in Chile. Die Stiftung Falling Walls gründete das FWL im Jahr 2011 mit dem Ziel, innovative Talente zu entdecken, den interdisziplinären Dialog und die internationale Zusammenarbeit zu fördern.
Die internationale Wissenschaftskonferenz «Falling Walls – The International Conference on Future Break-troughs in Science and Society» wird seit 2009 jährlich am Tag des Mauerfalls von der Falling Walls Foundation in Berlin veranstaltet. Ziel ist es, im übertragenen Sinne Mauern einzureißen und Grenzen zu überwinden, insbesondere im Denken und im Handeln der Menschen und der Gesellschaft. In Chile wird die Veranstaltung vom Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD) und der Fundación Ciencia Joven organisiert. Das Auswärtige Amt übernimmt die Schirmherrschaft. Das FWL ist Teil der Falling Falls Conference und fand dieses Jahr am 7. November in Berlin statt.
Der Cóndor fragte den diesjährigen Gewinner Jaime Celedón zu seiner Teilnahme und seinem Projekt.
Wie haben Sie vom Wettbewerb Falling Walls erfahren? War es schwierig, sich zu bewerben?
Während der Pandemie habe ich die meisten Mails geöffnet, die auf meinem Konto eingingen, da aufgrund der Restriktionen Workshops, Präsentationen und Wettbewerbe online für alle Studenten angeboten wurden und frei zugänglich waren. Ich habe an allen möglichen Vorträgen teilgenommen, von Neurowissenschaften und Architektur bis zu Bildung und Geschichte. Dann erhielt ich eine Mail des Deutschen Akademischen Austauschdienstes mit Informationen über Studienmöglichkeiten in Deutschland sowie Vorträge und Wettbewerbe, für die man sich bewerben konnte, darunter Falling Walls. Ich beschloss, mich zu bewerben. Einige Wochen später wurde mir mitgeteilt, dass ich mich qualifiziert hatte und dass ich meine Idee in Santiago vorstellen sollte.
Egal, wie oft man vorher im privaten Kreis geübt hat, das Präsentieren vor Publikum ist immer eine Herausforderung, bei der Emotionen und Nervosität entstehen, vor allem, wenn man in einer anderen Sprache vortragen muss. Es gab viele gute Projekte, von denen einige bereits in Arbeitsgruppen erarbeitet wurden. In meinem Fall gab es keine technische Unterstützung, außer von meiner Familie, Freunden und über wissenschaftliche Artikel. Ich war jedoch überzeugt, dass meine Idee für den Wettbewerb aufgrund der Dringlichkeit des Problems und des Vorschlags, den ich dazu machte, Erfolg haben könnte. Nach den Präsentationen und Bewertungen wurde das Ergebnis bekannt gegeben: Der dritte Platz, dann der zweite und zu meiner großen Überraschung hörte ich meinen Namen auf dem ersten Platz. Das waren Minuten voller Freude und Emotionen, und der Beweis, dass man mit einer einfachen Idee weit kommen kann, wenn man sie wirklich umsetzen will.
Was bedeutet die Teilnahme in Berlin?
Das Finale des Falling Walls Lab in Berlin bietet die wunderbare Gelegenheit, sein Land zu vertreten und seine Idee vor einer hochkarätigen Jury zu präsentieren. Außerdem kann man dort mehr als 75 Finalisten aus der ganzen Welt zuhören und sie kennen lernen. Ich habe auch ein 6-tägiges Stipendium für die Innovationswoche in Berlin erhalten.
Worum genau geht es bei Ihrem Projekt?
Stellen Sie sich ein geschlossenes Waschbecken vor, in das ständig Wasser aus einem Hahn fließt. Irgendwann wird das Wasser überlaufen. Um dies zu verhindern, gibt es zwei Möglichkeiten: Die erste besteht darin, den Wasserhahn abzudrehen, die zweite darin, das Waschbecken unten zu öffnen. Ähnlich verhält es sich mit unserem Planeten: Wir stoßen jedes Jahr mehr als 50 Milliarden Tonnen Treibhausgase aus, eine Menge, die aufgrund unseres Lebensrhythmus ständig zunimmt. Wenn wir so weitermachen, werden wir in den nächsten 30 Jahren einen noch nie dagewesenen Klimakollaps erleben, der unsere Existenz bedrohen wird (das Waschbecken wird überlaufen).
Auch in diesem Fall gibt es zwei Lösungen: Die Beendigung des Ausstoßes von Treibhausgasen in die Atmosphäre durch Änderung unseres Lebensstils hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft (Abstellen der Wasserversorgung); und die Beseitigung von Treibhausgasen, um ihre Auswirkungen auf die Atmosphäre zu verringern (Öffnen des Bodens der Spüle). Mit meinem Projekt möchte ich beides erreichen.
Wie soll das genau funktionieren?
Meine Idee besteht darin, ein T-Shirt zu entwickeln, das in der Lage ist, CO2 aus der Atmosphäre zu binden (den Wasserhahn abdrehen) und gleichzeitig dank einer photosynthetischen Beschichtung auf der Innenseite Sauerstoff an die Umwelt abzugeben (das Waschbecken unten öffnen). Indem ich die Natur imitiere, versuche ich, den CO2-Fixierungsprozess, den bestimmte Mikroalgenarten ständig durchführen, in einem alltäglichen Produkt wie einem Kleidungsstück nachzubilden.
Was ich anstrebe, ist erstens die Verringerung des Kohlenstoff-Fußabdrucks von der Herstellung bis zur Entsorgung im Müll, indem ich den CO2-Ausstoß auffange. Da das T-Shirt hauptsächlich aus nachhaltigen Fasern wie Hanf hergestellt wird, die auβerdem widerstandsfähiger sind als herkömmliche Baumwoll- und Polyesterfasern, wird dieses Kleidungsstück die Eigenschaft haben, biologisch abbaubar zu sein und kann als Dünger im Garten verwendet werden, ohne dass Sie 200 Jahre warten müssen, bis es sich zersetzt hat.
Mit meinem Projekt möchte ich eine Faserart schaffen, die zunächst kohlenstoffneutral ist und dann kohlenstoffnegativ wird, um die enormen Auswirkungen der Textilindustrie auf die Umwelt zu verringern, denn diese ist derzeit der zweitgrößte Umweltverschmutzer der Welt und für 10 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Warum haben Sie sich für die Studienrichtung Wirtschaftsingenieurwesen entschieden?
Als Kind habe ich gerne Tierzeitschriften gelesen und Umwelt- und Natursendungen gesehen. In der Schule haben mich die Fächer Physik und Biologie besonders fasziniert. Wir haben viele Präsentationen und wissenschaftliche Experimente durchgeführt, die unsere Neugierde und unser logisches Denken förderten. Das hat sich auch in den Jahren nach meinem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens nicht geändert. Zwar gibt es bei dem Studium betriebswirtschaftliche und administrative Fächer, aber viele Universitäten haben verschiedene Initiativen, um wissenschaftlich Innovationen zu entwickeln. In meinem Fall wurde das Interesse an Themen im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der globalen Erwärmung geweckt. So habe ich an verschiedenen Innovationswettbewerben teilgenommen, darunter Falling Walls Lab, dessen Schwerpunkt auf den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung liegt, die 2015 von der Uno aufgestellt wurden.
Ich war beeindruckt vom Ausmaß und der Bandbreite der Herausforderungen, denen wir uns als Menschheit stellen müssen und die wir als Fachleute bewältigen wollen. Ich möchte gern ein Sandkorn dazu beitragen, durch Wissenschaft, Technologie und vor allem durch Innovation.
Zu Person:
Jaime Celedón hat gerade sein Studium als Wirtschaftsingenieur abgeschlossen. Nach einem Austausch in Brasilien begann er sich für die Lösung globaler Probleme zu interessieren. In den letzten Jahren hat er sich auf das Thema Klimawandel und seine Auswirkungen konzentriert. Jaime ist Mitautor von Artikeln zum Thema Nachhaltigkeit und war Finalist in drei internationalen Innovationswettbewerben in Lateinamerika und Europa.