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Alpen und Anden – Gletscher in Gefahr

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Wussten Sie, dass die oberbayerischen Gletscher heute nicht mehr als etwa die Fläche der Münchner Theresienwiese bedecken würden? Zu dieser Erkenntnis kam der Forscher und Professor Wilfried Hagg von der Hochschule München (mehr zum Thema Gletscherschutz und ein «sehenswertes» Projekt in Chile auf Seite 8 und 9 in dieser Ausgabe).
Foto: Future Code Bayern / Wilfried Hagg

Seit mehr als 120 Jahren sammelt der Welt-Gletscher-Überwachungsdienst Daten über die Veränderung der Gletscher weltweit. Referenzgletscher aus fast zwanzig verschiedenen Bergregionen der Welt werden beobachtet, um ein globales Bild zu erhalten, was mit den Gletschern im Klimawandel passiert. Das Fazit lautet: Die Geschwindigkeit der aktuellen globalen Gletscherschmelze ist ohne Beispiel in der Geschichte.

Die Eisdicke der beobachteten Gletscher nimmt derzeit jedes Jahr zwischen einem halben und einem ganzen Meter ab. Das ist zwei- bis dreimal mehr als der entsprechende Durchschnitt im 20. Jahrhundert. Und: Durch die weltweite Gletscherschmelze steigt der Meeresspiegel, und das Klima gerät dadurch noch mehr aus dem Gleichgewicht. 

Alpen-Gletscher

Die Alpen-Gletscher schmelzen dieses Jahr im Rekordtempo. Neben geringen Schneefällen im vergangenen Winter und einem heiβen, trockenen Sommer spielt der rotbraune Saharastaub-Niederschlag vom März eine fatale Rolle: Wenn Sonnenstrahlung auf eine helle Schneeoberfläche trifft, werden 90 Prozent reflektiert. Der Staub aber ist dunkler und nimmt dadurch viel mehr Energie auf, die er dann als Wärme an den Schnee abgibt. In Chile ist es nicht der Sahara-Staub, sondern der Feinstaub aus der Bergbauindustrie, der auf die im Norden des Landes gelegenen Gletscher fällt und deren Abschmelzen verstärkt und beschleunigt. Gletscher in der Wüste? Ja, Sie haben richtig gelesen! 86  Prozent der chilenischen Gletscher befinden sich südlich von Puerto Montt, aber die übrigen (wenn auch kleineren) in den Bergen und in der Nähe von Vulkanen, die sich vom Llanquihue-See bis zum Parinacota an der bolivianischen Grenze erstrecken.

Der Gepatschferner in Österreich ist der am schnellsten schmelzende Gletscher der Alpen – er verliert jedes Jahr 100 Meter seiner Länge. Die Schweiz hatte 2021 einen Rückgang der Gletscherfläche um etwa 400 Millionen Tonnen Eis zu verzeichnen. In Deutschland gab es bis vor kurzem noch fünf Gletscher, die als eigenständig bewegende Eismassen definiert werden. Für den Südlichen Schneeferner gilt das nicht mehr – er verliert nun seinen Status als Gletscher, wie die Bayerische Akademie der Wissenschaften am 26. September mitteilte. Auch das Eis der übriggebliebenen vier Gletscher in Bayern – Nördlicher Schneeferner und Höllentalferner an der Zugspitze sowie Blaueis und Watzmanngletscher in Berchtesgadener Alpen – war in diesem Sommer weiter geschmolzen.

In Bayern gibt es (nur noch) vier Gletscher. Auch der am Watzmann gelegene Gletscher wird nach Expertenmeinung die nächsten zehn Jahre nicht überleben.
Foto: Abendzeitung München / Archiv KEG, C. Mayer

Das verändert das Landschaftsbild, und es kommt noch ein gefährlicher Prozess in Gang: Forscher haben in den Schweizer Alpen 180 Gletscherseen entdeckt, die erst seit 2010 entstanden sind. Ein intakter Gletscher reißt beim talwärts Fließen Felsstücke aus dem Untergrund heraus und zieht diese mit sich. Dadurch entstehen Mulden. Führen ungewöhnlich hohe Temperaturen zum Gletscherrückzug, werden die Mulden freigelegt. In ihnen staut sich schließlich das Schmelzwasser. Das Gesteinsmaterial transportiert gleichzeitig auch noch feine Sedimente mit, das Täler und enge Stellen verstopft. Diese natürlichen Dämme stauen dann das Tauwasser, das vom Berg herunterkommt. In Folge eines Starkniederschlags kann der See ausbrechen. Sturzfluten ergießen sich talwärts, mit verheerenden Folgen für Siedlungen und landwirtschaftliche Flächen. Für Gesteins- und Gletscherforscher ist die rasche Bildung neuer Gletscherseen ein sichtbarer Beweis für den Klimawandel. 

Anden-Gletscher

Würden alle Gletscher der Welt in die Ozeane abschmelzen, stiege der Meeresspiegel um 60 Meter an. Chile würde mehrere dieser Meter beisteuern, da es eines der Länder mit der größten Anzahl an Gletschern und Eisfeldern ist. Die chilenischen Gletscher bedecken 2,7 Prozent der Landfläche (ohne die chilenische Antarktis) und haben einen erheblichen Einfluss auf die Landschaft und die Wasserversorgung des Landes. Bezogen auf die Fläche befinden sich 80 Prozent der südamerikanischen Gletscher in Chile. Die jüngste Bestandsaufnahme von 2020 geht von etwa 24.005 Gletschern aus. Die größten Gletscher Chiles sind das Nördliche und das Südliche Patagonische Eisfeld, nach der Antarktis und Grönland die drittgrößte Eismasse der Welt.

Nach dem jüngsten Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimawandel (IPCC) werden die Gletscher im Norden Chiles, die von den bolivianischen Winterregen gespeist werden, bis zum Ende dieses Jahrhunderts etwa 80 Prozent ihrer Eismasse verlieren. Andererseits sind die südlichen, von den Winterregen gespeisten Gletscher aufgrund fehlender Niederschläge und steigender Wassertemperaturen bereits stark geschrumpft. So verliert der Gletscher Exploradores bei Aysén im Sommer jeden Tag 10 Zentimeter Eis; der Echaurren-Gletscher, der sich in unmittelbarer Nähe von Santiago befindet und die Hauptquelle für das Wasser des Stausees El Yeso ist, hat sich seit 1955 um rund 40 Meter zurückgezogen.

Die Alpen und die Anden sind als Naturerbe von unschätzbarem Wert. Viele Gebirgsregionen und die Kryosphäre (alle Formen von Eis und Schnee auf der Erde) sind vom Klimawandel stark betroffen. Im Rahmen der COP 26 waren die Schweiz und Chile die treibenden Kräfte bei der Gründung des Kryosphären-Pavillons, der dazu beitragen soll, die Verhandlungen für einen aktiveren Schutz dieser Regionen voranzutreiben. Der Cóndor berichtete in seiner Ausgabe vom 31. Juli über eine Foto-Installation von zwei Schweizer Gletschern in der Metro-Station Ñuñoa. Das Kunstwerk kann als ein Aufruf zum Schutz nicht nur der schweizer Alpen, sondern auch der chilenischen Anden verstanden werden.

(Quellen: ZDF, Fundación Glaciares Chilenos)

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