«Wie zähmt man eigentlich ein wildes Pferd?»

Als «Pferdeflüsterer» wurde Monty Roberts weltberühmt. Sein Credo «Gewalt ist niemals eine Lösung» hat auch die deutsche Pferdetrainerin Denise Heinlein beeindruckt, die über zehn Jahre mit Roberts zusammenarbeitete. 2020 wurde sie von Queen Elizabeth ausgezeichnet. Anfang dieses Jahres folgte Heinlein einer Einladung der Pferdebesitzer Laura Lachhein und Pablo Sepúlveda an den Lago Puyehue.
Vor rund zwei Jahren zogen sich die Soziologin Laura Lachhein und ihr Mann Dr. Pablo Sepúlveda vom Stadtleben in Santiago in den Süden Chiles zurück und fanden am Lago Puyehue ihre neue Wahlheimat. Ein Freund schenkte ihnen zwei Wildpferde und nach und nach bauten sie die dazugehörige Infrastruktur auf. Doch damit war es nicht genug, denn es stellte sich die Frage: «Wie zähmt man eigentlich ein wildes Pferd?» Laura Lachhein erinnert sich: «Mein Mann und ich sind zwar schon immer Pferdeliebhaber gewesen, aber eben keine Wildpferdeexperten. Im Juni 2020 nahm ich an einem Online-Kongress von Monty Roberts teil, ein US-Amerikaner, der durch einen besonderen Umgang mit traumatisierten und schwierigen Pferden weltweit bekannt geworden und unter anderem der Pferdeberater der Queen ist. Seitdem studiere ich an der Monty Roberts Online University die Sprache der Pferde.»
Heilung durch Kontakt mit Pferden

Die Soziologin traf beim Kongress ebenfalls auf die Pferdetrainerin Denise Heinlein aus Bamberg, die sich in ihrer Arbeit auf die partnerschaftliche Kommunikation zwischen Mensch und Pferd fokussiert – basierend auf den Erkenntnissen und Lehren von Monty Roberts. «Nachdem ich den Vortrag von Denise gehört habe, habe ich sie sofort angeschrieben und sie nach Chile eingeladen. Doch aufgrund der Pandemie mussten wir uns gedulden», berichtet Laura Lachhein.
Denise Heinlein arbeitet, neben dem Training und dem Unterrichten des gewaltfreien Umgangs mit dem Pferd, ebenfalls therapiebegleitend mit traumatisierten Menschen. Sie gründete 2019 den Verein Equus – Interaktion zwischen Mensch & Pferd e.V. Heinlein und unterstützt Kriegsveteranen mit Posttraumatischer Belastungsstörung und durch Gewalt belastete Jugendliche in ihrem Heilungsprozess durch den Kontakt mit Pferden. Im Jahr 2020 wurde Denise Heinlein von Queen Elizabeth für ihre Arbeit und ihr soziales Engagement mit einem royalen Zertifikat ausgezeichnet. Seit über zehn Jahren arbeitet sie mit Monty Roberts. Zurzeit baut sie in ihrer Heimatstadt Bamberg auf ihrem eigenen Hof das Monty Roberts Learning Center Europa auf.
Anfang dieses Jahres war es dann endlich so weit – die Pferdeexpertin kam in den chilenischen Süden. Laura Lachhein berichtet: «Denise hat intensiv mit unseren Wildpferden gearbeitet und uns praxisorientiert im gewaltfreien Umgang unterrichtet. Theoretisch wusste ich ja schon einiges von meinen Kursen, aber das Gelernte in die Praxis umzusetzen, ist nicht so leicht.»
Workshop zu Monty Roberts Methode in Osorno
In Osorno organisierte Laura Lachhein gemeinsam mit Carin von Ungern-Sternberg, einer deutsch-chilenischen Trainerin für Reit- und Kutschpferde, und mit Sergio Willer, dem Präsidenten der Sociedad Agrícola y Ganadera de Osorno A.G. (Sago A.G.), am 27. und 28. Januar einen zweitägigen Workshop, um die Kommunikation auf partnerschaftlicher Ebene nach Monty Roberts live zu demonstrieren. Hierzu brachten Pferdebesitzer ihre Pferde auf das Gelände der Sago A.G., damit die Pferdetrainerin aus Deutschland mit ihnen arbeiten konnte. «An diesen beiden Tagen habe ich vor den rund 30 Teilnehmern mit mehreren Pferden gearbeitet, um die Zuschauer ein wenig für die Körpersprache zwischen Pferd und Mensch zu sensibilisieren. Wichtig ist, die eigene innere Haltung und die Überzeugung, das Tier führen zu wollen. Diese Überzeugung spüren die Tiere, man kann ihnen nichts vormachen», erklärt Denise Heinlein. Der wohl bewegendste Moment sei gewesen, als eines der Pferde – Canelo – den Raum und das Vertrauen gespürt und sich das erste Mal überhaupt freiwillig von einem Menschen habe berühren lassen, erzählt die Pferdetrainerin.
«Den gewaltfreien Umgang mit Tieren fördern»
Während des Workshops war auch Luis Francisco Hott mit einem Jungpferd auf dem Gelände der Sago A.G. anwesend. Der lokal bekannte Rodeoreiter aus Osorno berichtet: «Seit meiner Kindheit habe ich täglich mit Pferden zu tun. Meine Familie ist seit Generationen traditionell im Rodeo aktiv. Beruflich arbeite ich seit fünf Jahren in der Aufzucht und dem Training von chilenischen Pferden.»
Das Thema der partnerschaftlichen Kommunikation mit dem Pferd habe ihn sofort angesprochen, erklärt der 27-Jährige und so kam es, dass er kurzentschlossen nach Deutschland flog, um im Juli an dem ersten zweiwöchigen Monty Roberts Einführungskurs für Horsemanship am neuen Zentrum von Denise Heinlein bei Bamberg teilzunehmen. «Im Kurs habe ich meine Techniken verbessert und auch gelernt, selbst sensibler und ruhiger zu werden, um eine stabile Bindung zum Tier aufbauen zu können».
Nach seiner Rückkehr nach Chile will der Rodeoreiter seine Ausbildung zum Monty Roberts Certified Instructor weiterführen. Denise Heinlein möchte ebenfalls gern bald wieder nach Chile kommen, um in umfangreicheren Kursen und Veranstaltungen ihr Wissen weiterzugeben. Die Bande sind geknüpft. Laura Lachhein ist zufrieden: «Meinem Mann und mir liegt am Herzen, den gewaltfreien Umgang mit Tieren zu fördern. Ich denke, auf diesem Weg haben wir schon ein paar große Schritte geschafft.» Das Pferd Canelo steht übrigens mittlerweile auf ihrer Koppel am Lago Puyehue.
