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jueves, 16. enero 2025
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Viktor Frankl starb vor 25 Jahren

Was erwartet das Leben von mir?

Viktor Frankl, Wiener Psychiater und Holocaust-Überlebender, im Jahr 1997



Seine 32 Bücher wurden in 50 Sprachen übersetzt. Er ist einer der großen Sinn-Sucher. Der
vor 25 Jahren gestorbene Arzt und Begründer der Logotherapie Viktor Frankl gilt in
Krisenzeiten als hochaktuell.
Wien (dpa) «Es kommt nie und nimmer darauf an, was wir vom Leben zu erwarten haben,
viel mehr lediglich darauf: was das Leben von uns erwartet.» Das ist der Kerngedanke in
der Philosophie des Wiener Psychiaters und Holocaust-Überlebenden Viktor Frankl (1905-
1997), der sich in seinem Werk intensiv mit der Frage nach dem Sinn des Lebens
auseinandergesetzt hat. «Jeder Mensch, solange er atmet, hat einen ganz klaren Sinn-
Auftrag», sagt Annemarie Moser vom Vorstand des Frankl-Zentrums in Wien. Gerade in
einer Zeit voller Krisen und Konflikten sowie dem Infragestellen des «Weiter so» sei
Frankl, der vor 25 Jahren, am 2. September, gestorben ist, ein hochaktueller Begleiter.
Die Ohnmacht und die Resignation, die viele angesichts der Weltlage empfänden, sei das
Gegenteil von Frankls Lehre, sagt Moser. Es gehe jederzeit um menschenfreundliches Tun.
«Leben heißt letztlich eben nichts anderes als: Verantwortung tragen für die rechte
Beantwortung der Lebensfragen», schreibt Frankl. Nach der Lehre des gebürtigen Wieners
kann das Leben umso sinnvoller werden, je schwieriger es wird.
Der Arzt und Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse wusste jedenfalls, wovon er
sprach. Der bekennende Jude Frankl schlug im Nationalsozialismus seine Chance zur
Flucht in die USA aus. Er blieb in Österreich, um seinen jüdischen Patienten helfen zu
können und seinen Eltern beizustehen. 1942 wurde er deportiert und kam in vier
verschiedene Konzentrationslager. Fast seine gesamte Familie starb im KZ.
Sein Werk «… trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das
Konzentrationslage» («El hombre en busca de sentido») ist keine Abrechnung, sondern ein
Bekenntnis zur Möglichkeit, selbst unter solch extremen Umständen noch Herr über sein
Verhalten und seine Haltung zu bleiben. «Ihr könnt mir alles antun, aber ihr habt nie in der
Hand, wie ich darauf reagiere», so Frankl. Er beschrieb die NS-Gräuel, aber erwähnte auch,
dass zumindest einzelne SS-Männer die Gefangenen nicht schlugen oder ihnen sogar auf
eigene Kosten Medikamente besorgten.
Darüber hinaus lehnte Frankl eine Kollektivschuld der Deutschen ab. Diese Ansicht mag
laut Moser ein Grund sein, warum der Arzt, der im Laufe seines Lebens 29 Ehrendoktorate
internationaler Universitäten erhielt, im deutschsprachigen Raum eher unbekannt blieb.
«Seine Ansicht passte nicht ins Bild, er erhielt sogar Morddrohungen», sagt Moser. «In
den USA ist er dank seiner Veröffentlichungen ein Super-Star». Auch in Südamerika und
Asien sei Frankl bekannter als in seiner Heimat Österreich.
Überzeugt von der Bedeutung und Einmaligkeit jedes Menschen lehnte Frankl Suizid
kategorisch ab. Schon als Medizinstudent gründete er 1928 in Wien eine Beratungsstelle
für junge Menschen in seelischer Not und erreichte mit einer Sonderaktion für Schüler zur
Zeit der Zeugnisverteilung, dass die Zahl der Selbstmorde wegen schlechter Leistungen auf
Null sank. Eines der Rezepte: Den nach dem Sinn ihres Daseins fragenden Jugendlichen
wurden ehrenamtliche Tätigkeiten vermittelt.

Für seine Hobbys Extrembergsteigen und Fliegen fand er eine überraschende Begründung,
nämlich die eigene Höhenangst zu überwinden. Diese Methode der paradoxen Intention
empfahl er auch seinen Patienten: Der Mensch könne stärker sein als die Angst.

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