Militär hat in Lateinamerika einen hohen Stellenwert
Am 31. August, kurz vor Mitternacht, hob sein Flug von Santiago in Richtung Heimat ab. Genau drei Jahre – ab dem 1. September 2019 – hatte Oberst Konrad Lau das Amt des Verteidigungsattachés an der Deutschen Botschaft innegehabt. Er war einige Monate vorher ins Land gekommen, um zwischen März und Juni bei der ANEPE (Academia Nacional de Estudios Políticos y Estratégicos) an einem Grundlagenkurs über Sicherheits – und Militärpolitik teilzunehmen.
«Das hat mir sehr geholfen, zum einen, um das Chilenische etwas besser zu verstehen», schmunzelt er, «und zum anderen, um die europäische Brille ein bisschen zur Seite zu schieben und die lateinamerikanische Brille mal aufzusetzen.» Allerdings glaubt er durchaus nicht, dass diese Blickpunkte sehr unterschiedlich seien: «Wir haben die gleichen Werte, die gleichen Vorstellungen über Multilateralismus, wir haben das gleiche Verständnis, was Demokratie erfordert, die aktive Mitarbeit der Bürger und insbesondere eben auch der politischen und wirtschaftlichen Vertreter.» Militär hat in Lateinamerika einen sehr hohen Stellenwert, hat Oberst Lau feststellen können, «auch wenn ein Offizier in Chile keine politischen Funktionen wahrnehmen darf und auch nicht soll», was in Deutschland hingegen möglich ist, wo er zum Beispiel zum Mitglied eines Gemeinderates gewählt werden kann. Er wird in dem Fall vom Militärdienst, solange wie es sein politisches Amt erfordert, freigestellt.
Als Konrad Lau als Verteidigungsattaché der Deutschen Botschaft begann zu arbeiten, war es sein größter Wunsch, die bilaterale Zusammenarbeit zwischen den chilenischen und den deutschen Streitkräften zu stärken: «In gemeinsamer Arbeit ist es uns gelungen, jetzt wieder den entsprechenden Grundstein zu legen, dass wir trotz zweier neuer Regierungen – sowohl in Deutschland als auch in Chile – auf einem sehr guten Weg sind.» Der Offizier betont dabei, das dies durch die gemeinsame Arbeit gelungen ist. «Das Entscheidende ist: Wir haben es gemeinsam gemacht», unterstreicht er, «es waren sowohl die Teilstreitkräfte, vorrangig Heer und Marine, weil sie deutsche Waffensysteme nutzen, als auch die Luftwaffe und insbesondere der Estado Mayor Conjunto (Emco), das ist der Führungsstab und die Staatssekretärsebene – alle waren daran beteiligt und alle haben an einem Strang in die gleiche Richtung gezogen.»
Schon jetzt trägt diese gute Zusammenarbeit Früchte. In Deutschland nimmt zum Beispiel ein chilenischer Offizier an einem Sprachkurs in Vorbereitung zum internationalen Generalstabslehrgang teil. Er ist einer der wenigen lateinamerikanischen Repräsentanten, die diese Schulung absolvieren, was trotz durch die Pandemie verursachte Terminversäumnisse möglich war. Ebenso nimmt gegenwärtig ein deutscher Offizier in Santiago im dritten Jahr der Stabsoffiziersausbildung des chilenischen Heeres teil.
Dazu war geplant, Lehrgangsteilnehmer der chilenischen Streitkräfte in deutsche Panzereinheiten zu schicken. «Das ist aber pandemiebedingt leider ausgefallen, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben», versichert Oberst Lau, der in diesem Zusammenhang wegen der sehr guten Zusammenarbeit besonders dankbar den chilenischen Attaché in Deutschland, Oberst Eugenio Ribba Thormann, erwähnt. Es gelang, diese Maßnahmen in die kommenden Jahre zu verschieben. Wenn es so weit ist, müsse daher der ganze Prozess nicht wieder von vorne beginnen. Oberst Ribba «hat in Deutschland diesen Generalstabslehrgang gemacht, er hat einen Zugang zu Deutschen, und genauso wollte ich das während meiner Zeit in Chile in die andere Richtung entwickeln».
Die Wahrnehmung von gegenseitigen Ausbildungsmöglichkeiten im anderen Land verbessere nicht nur die Sprachkenntnisse und das militärische Wissen, meint Oberst Lau, sondern «man versteht plötzlich, warum bestimmte Entscheidungen gefällt oder eben nicht gefällt werden, und man kann dann auch entsprechend mit dazu beitragen, dass die richtigen Argumente zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle sind». Daher stellt er fest: «Meine sehr positive Erfahrung ist, dass die grenz-
übergreifende Kooperation zwischen den beiden Verteidigungsattachés, hier aber auch die Zusammenarbeit mit den militärischen Stellen in den jeweiligen Ländern, dazu geführt hat, dass wir die schwierige Pandemiezeit heute nicht als eine Katastrophe sehen, sondern auch als eine Gelegenheit, uns auf das Wichtige zu fokussieren.»
Eine zweite positive Erfahrung war für ihn, dass er trotz Covid-19 «mit meiner Frau erstaunlich viel reisen» konnte. Oberst Lau hatte sich vorgenommen, Land und Leute kennenzulernen. Das Ehepaar fuhr in einem Wohnmobil in den Norden Chiles und empfand die Landschaft als «außergewöhnlich und einmalig».
Die Beziehungen zwischen den deutschen und den chilenischen Militärs «sind auf einem sehr guten Niveau», hat der Attaché feststellen können, «und wir hoffen, dass die chilenischen Streitkräfte auch weiter an multilateralen Friedensmissionen teilnehmen und so auch entsprechend die Bande nach Europa gepflegt und gefestigt werden.»
Oberst Konrad Laus nächste Bestimmung führt ihn nach Garmisch-Partenkirchen, wo er als Dozent über Zusammenarbeit der Streitkräfte und Grundlagen der Militärpolitik an dem George C. Marshall Europäisches Zentrum für Sicherheitsstudien lehren wird. Auf die neue Aufgabe freut er sich schon sehr, «auch, weil es in einer Region ist, in der meine Kinder geboren sind und in der meine Frau und ich schon zwölf Jahre leben durften!»
Foto: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland