Sicherlich ist es kein Zufall, dass der Gründungsdirektor des Heidelberg Center Lateinamerika (HCLA) Walter Eckel im Jubiläumsjahr des 20-jährigen Bestehens den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland erhalten hat. Von Beginn an setzte er sich für die erste Ausgründung einer deutschen Universität in Lateinamerika ein.
Mit zahlreichen Weggefährten hat Walter Eckel das HCLA vom Postgraduiertenzentrum zu einem Exzellenzzentrum in Forschung und Lehre entwickelt, das er bis März 2020 als Geschäftsführender Direktor leitete. Es ist inzwischen eines von insgesamt fünf Exzellenzzentren weltweit, die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit Mitteln des Auswärtigen Amtes gefördert werden.
Der Cóndor sprach mit Walter Eckel anlässlich der Ordensverleihung.
Herzlichen Glückwunsch zum Bundesverdienstkreuz, Herr Dr. Eckel! Sie haben im Jahr 2004 die Philippi-Medaille des Deutsch-Chilenischen Bundes erhalten, im Jahr 2016 die Wilhelm-von-Humboldt-Medaille der Escuela de Pe-dagogías en Alemán (LBI) und im Jahr 2016 die Auszeichnung der Auslandshandelskammer Chile für «langjährige erfolgreiche Arbeit».
Gemeinsam ist allen Ehrungen, dass Sie zwischen deutschen und chilenischen Institutionen vermittelt und so zu einer Bereicherung der Bildung und Kultur in Chile beigetragen haben. War es da eigentlich eine Überraschung für Sie, nun auch das Bundesverdienstkreuz zu erhalten?
Auch Rektor Ignacio Sánchez von der Universidad Católica hat 2021 meine Verdienste um die Kooperation mit seiner Universität gewürdigt, ebenso wie in diesem Jahr die Fakultät für Architektur und Städtebau der Universidad de Chile, zu der auch das Institut für Geografie gehört. Wenn man über einen so langen Zeitraum ein derart exponiertes Zentrum leitet, ist man besonders dankbar für diese Ehrungen, da sie die Wertschätzung der Kooperationspartner ausdrücken. Ich habe jedoch nicht damit gerechnet und mich über jede Auszeichnung sehr gefreut. Das Bundesverdienstkreuz nimmt dabei eine Sonderstellung ein, da es vom Bundespräsidenten verliehen wird.
Vor über 20 Jahren, im August 2001, sind Sie mit Ihrer Frau Isabel Aliaga-Rosson in Santiago angekommen. Was hat Sie so sicher gemacht, dass Santiago der richtige Ort für die Ausgründung der Universität Heidelberg ist?
Die Wahl des Standorts fiel ja nicht vom Himmel. Sie war eher das Ergebnis von einem jahrelangen Engagement vieler Beteiligter aus Wissenschaft und Politik. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg spielte dabei eine herausragende Rolle, indem es zahlreiche Initiativen aus Heidelberg finanziell unterstützte und Austauschprogramme für Studierende ins Leben rief. Zudem wurden die Kosten für Lehr- und Forschungsaufenthalte von Wissenschaftlern aus Heidelberg und Chile übernommen. So kam ich von 1994 bis 1996 in den Genuss einer Lehrtätigkeit am Institut für Übersetzen der Universidad Católica, und eine chilenische Kollegin kam im Gegenzug an das Internationale Studienzentrum der Universität Heidelberg, dessen stellvertretender Direktor ich damals war.
Die große Zahl chilenischer Alumni, darunter einige einflussreiche Personen aus Politik, Wirtschaft und Diplomatie mit besten Verbindungen in Deutschland, war ein entscheidender Faktor für den Standort Santiago. Außerdem gab es neben den an der Zusammenarbeit mit ihren chilenischen Kolleginnen und Kollegen interessierten Wissenschaftlern auch innerhalb des Rektorats, der Universitätsverwaltung und des Wissenschaftsministeriums in Stuttgart Fürsprecher für diese Standortwahl. Hilfreich war auch die Tatsache, dass die Universität Heidelberg vom Wissenschaftsministerium als Schwerpunkthochschule für die Zusammenarbeit mit Chile ernannt wurde, nachdem sich Wissenschaftsminister Klaus von Trotha auf seiner Chile-Reise des Jahres 2000 ein Bild vom Potential einer engeren Kooperation mit chilenischen Universitäten gemacht hatte. Bei ihm haben wir gewissermaßen offene Türen eingerannt. Hilfreich war natürlich auch die im Vergleich zu Ländern wie Argentinien und Brasilien wirtschaftliche und politische Stabilität Chiles.
Was war für Sie in den ersten Jahren beim Aufbau der Institution besonders wichtig?
Im Gegensatz zu anderen im Ausland engagierten deutschen Hochschulen, die in der Regel bei einer Universität im Zielland andocken, wollte ich unsere Eigenständigkeit auch räumlich sichtbar werden lassen, indem wir ein eigenes Gebäude angemietet haben. Dadurch gelang es, mit den beiden wichtigsten und forschungsstärksten Universitäten, der Universidad de Chile und der Universidad Católica, Kooperationsverträge abzuschließen. Auch hier waren das Alumninetz und bereits bestehende Kooperationen von entscheidender Bedeutung.
Was macht Sie besonders stolz, wenn Sie auf diese Zeit zurückschauen?
Der Erfolg des im Jahr 2009 vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) ausgeschriebenen Wettbewerbs zur Gründung von Exzellenzzentren in Forschung und Lehre hat bei allen an der umfangreichen Antragstellung Beteiligten für höchste Zufriedenheit gesorgt, weil damit eine Förderdauer von insgesamt fünfzehn Jahren bis Juli 2024 verbunden ist. In der Rückschau finde ich es nach wie vor beeindruckend, dass wir es trotz der Dominanz der nordamerikanischen Hochschulen durch gemeinsame Anstrengungen geschafft haben, ein Postgraduiertenzentrum in einem lateinamerikanischen Land erfolgreich zu betreiben. Einiges abverlangt haben uns auch Kauf und Renovierung des Institutsgebäudes und des an den Garten angrenzenden Gebäudes mit 20 Wohneinheiten, die zu einem Gästehaus und Aparthotel umgewandelt wurden. Zurückblickend freut es meine Frau und mich am meisten, dass es über die Studienabschlüsse am HCLA gelungen ist, so vielen Menschen aus Chile und Lateinamerika zu einem besseren Leben zu verhelfen.
Wie kam es zu den Promotionsprogrammen in den Bereichen Astronomie und Psychotherapie sowie zu den Masterstudiengängen in Jura, Geo- und Umweltwissenschaften, medizinischer Informatik und medizinischer Physik?
Der seit 2004 zusammen mit der Universidad de Chile angebotene Masterstudiengang in International Law (LL.M.) ist auch heute noch das Flaggschiff des HCLA. Mehr als 300 Anwälte aus der ganzen Welt, überwiegend jedoch aus Lateinamerika, haben diesen einjährigen Studiengang, der mit Unterstützung des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht entwickelt wurde, inzwischen absolviert.
Ebenso erfolgreich war das Promotionsprogramm in Psychotherapie, in dessen Zentrum die Depressionsforschung stand. Unter aktiver Mitwirkung aus Heidelberg haben sich die beiden Kooperationspartner erstmalig zu einem gemeinsamen Studiengang entschlossen. Aus diesem ist letztlich das Millenium-Zentrum an der Universidad Católica hervorgegangen.
Mit der Erfolgsgeschichte dieser beiden Studiengänge im Rücken erfolgte die Bewerbung im DAAD-Wettbewerb. Erfreulicherweise war die Entwicklung eines Promotionsprogramms bei den Astronomen der Universidad Católica und des Astronomiezentrums in Heidelberg bereits weit gediehen, das flugs in den Antrag aufgenommen werden konnte. Die Zusammenarbeit in den Fächern Medizinischer Informatik und Medizinischer Physik wurde seit den Anfängen im Jahr 2002 stetig intensiviert, sodass die entsprechenden Masterstudiengänge mit Unterstützung des Deutschen Krebsforschungsinstituts zügig entwickelt werden konnten. Da es auch in den Geo- und Umweltwissenschaften bereits vertrauensvolle Verbindungen nach Heidelberg gab, konnte auch hier rasch ein erfolgversprechender Masterstudiengang auf den Weg gebracht werden.
Was macht den guten Ruf des Heidelberg Center Lateinamerika aus und was hat ihn besonders gefestigt?
Das HCLA ist inzwischen ein angesehenes Exzellenzzen-trum auf dem umkämpften lateinamerikanischen Bildungsmarkt. Eine forschungsbasierte Lehre mit starken Praxisbezügen, erteilt von einem international zusammengesetzten Lehrkörper, ist zu einem seiner Markenzeichen geworden.
Das breite Fächerspektrum mit für den Arbeitsmarkt attraktiven Studiengängen sowie Studien- und Forschungsaufenthalte in Heidelberg stoßen auf großes Interesse. Intensive Studienberatung, studienbegleitender Sprachunterricht und moderate Studiengebühren sind zu weiteren Erfolgsfaktoren geworden. Auch die zeitgemäße Infrastruktur findet bei den Studierenden großen Anklang, die ein Studium in einem angenehmen Ambiente zu schätzen wissen.
Letztlich sind es neben der Qualität der Lehre und dem Engagement der Kolleginnen und Kollegen die über die Jahre entstandene Vernetzung mit starken Partnern in Lateinamerika und in Heidelberg sowie eine marktgerechte Kommunikation und ein modernes Marketing, die darüber entscheiden, ob dem HCLA ein langes Leben beschieden sein wird.
Im März 2020 sind Sie in den Ruhestand gegangen. Sie haben in einem Interview gesagt, dass Chile Ihnen zur zweiten Heimat geworden ist. Werden Sie Chile treu bleiben?
Selbstverständlich bleibe ich Chile treu. Nachdem ich mich vierzig Jahre lang im Hochschulbereich mit Chile beschäftigt habe, kann ich gar nicht anders. Meine Aufmerksamkeit wird jedoch zukünftig der kulturellen Zusammenarbeit gelten, die ich in der Vergangenheit eher nebenbei betrieben habe. Wir werden zwar unseren Lebensmittelpunkt nach Berlin verlegen, aber in Chile einen pied à terre behalten, um den Kontakt zu Land und Leuten nicht zu verlieren.