Königin auf zwei Thronen
Sie war die mächtigste Frau Europas im 12. Jahrhundert. Als Herzogin von Aquitanien, deren Besitz sich von Poitiers bis zu den Pyrenäen erstreckte, war sie ein politischer Machtfaktor territorialer Interessen in Frankreich. So wurde sie durch die Heirat mit Ludwig VII. zunächst Königin von Frankreich, nach der Annullierung dieser Ehe dann Frau des Herzogs Heinrich von Anjou und mit dessen Thronbesteigung in England 1154 schließlich Königin dieses Landes.
Enkelin des «Troubadour-Herzogs»
Aleonòr – so die okzitanische Form von Eleonore – kam um 1122 vermutlich in der Nähe von Bordeaux zur Welt. Sie entstammt damit der erlauchten Dynastie der Herzöge von Aquitanien, Herrscher über das größte Herzogtum in Frankreich. Eleonores Großvater war Wilhelm IX., wegen seiner eigenen Dichtungen und Minnegesänge ein wahrhafter «Troubadour-Herzog». Literatur und Künste wurden am Hof gepflegt, und auch Eleonore sollte Troubadoure fördern. Der Hof ihrer Familie war einer der kultiviertesten Europas. Eleonore lernte neben Okzitanisch auch Latein.
Mit 13 Jahren wurde sie Erbin des großen Herzogtums Aquitanien, nachdem ihr Bruder Wilhelm und ihr Vater Herzog Wilhelm X. verstorben waren. Vor dem Antreten seiner Pilgereise nach Santiago de Compostela stellte ihr Vater sie und ihre jüngere Schwester Petronilla unter den Schutz seines Landesherrn König Ludwig VI. von Frankreich. Von ihren Zeitgenossen wurde ihr eine legendäre Schönheit und ein willensstarkes und temperamentvolles Naturell bescheinigt.
Königin und «Penthesilea» Frankreichs
Der König entschied, dass Eleonore die Gattin seines Thronfolgers werden sollte, denn dadurch wurde der französischen Krone eine wesentliche Territorialerweiterung gesichert. Bis dahin war die französische Krondomäne lediglich auf die Île-de-France, Orléans und einen Teil von Berry beschränkt.
Für Ludwig VII. war als zweitgeborener Sohn zunächst eine kirchliche Karriere vorgesehen. Der Tod seines älteren Bruders 1131 änderte schlagartig seine Bestimmung. Der 17jährige war ein tiefgläubiger Mensch, der ein mönchisches Leben führte. Eleonore hingegen war lebensfroh und liebte den Luxus und die Künste. Kurz nach ihrer Hochzeit am 25. Juli 1137 in der Kathedrale von Bordeaux erhielten sie die Nachricht vom Tod des Königs. Nun war Eleonore Königin von Frankreich.
Sie vermochte es zur wichtigsten Ratgeberin des jungen Königs zu werden. Politisch und militärisch erwies sich Ludwig VII. als ungeschickt. Eine Affäre zwischen Eleonores Schwester Petronilla und dem verheirateten Grafen Raoul de Vermandois mündete in einen kriegerischen Konflikt in der Champagne, in der Ludwig Partei für die Schwägerin ergriff. 1145 brachte Eleonore ihr erstes überlebensfähiges Kind zur Welt: ein Mädchen, auf den Namen Marie getauft.
Der berühmte Zisterziensermönch Bernard von Clairvaux rief Ende März 1146 in Vézelay zum Kreuzzug auf, und Ludwig und Eleonore versprachen, daran teilzunehmen. Im folgenden Jahr brach das französische Kreuzfahrerheer auf. Mit Eleonore zogen auch weitere Frauen in das Heilige Land. Sie hatten sich wie Amazonen gekleidet und Eleonore erschien manchem Chronisten gar als Penthesilea mit goldenen Waffen.
Der Zweite Kreuzzug scheiterte aber letztendlich. Nach der Rückkehr wurde es immer offensichtlicher, dass die Ehe zwischen Eleonore und Ludwig VII. kriselte. Als 1150 wiederum «nur» eine Tochter, Alix, geboren war, wurden die Stimmen lauter, die den König zur Annullierung der Ehe antrieben. Diese erfolgte 1152, und Eleonore kehrte nach Aquitanien zurück. Frankreich gingen damit große Territorien verloren.
Ihre beiden Töchter verblieben unter der Vormundschaft Ludwigs. Eleonores Trennung von Ludwig VII. sollte langfristige Nachwirkungen haben, da sie den 300 Jahre währenden Konflikt zwischen den englischen und französischen Königsreichen auslöste, in der die Französische Krone sich auf dem Kontinent behauptete und das angevinische Reich auflöste.
Königin von England und Herrscherin des angevinischen Reiches
Nach der Annullierung ihrer Ehe begab sie sich nach Poitiers. Auf dem Rückweg hatten die Grafen Theoblad von Blois und Gottfried von Anjou versucht sie abzufangen, um sie zur Hochzeit mit ihnen zu zwingen. Ihr gelang es jedoch, ihnen auszuweichen und sie ließ dann von Poitiers aus nach Heinrich, dem Herzog von Anjou, rufen. Nur eine Ehe mit ihm konnte sie vor Nachstellungen bewahren und damit auch ihre Besitzungen sichern.
Die Hochzeit mir Eleonore 1152 machte den 19-jährigen Heinrich Plantagenet zum mächtigsten Fürsten Europas. Als Herzog besaß er mehr Land und Gefolgschaft als der König von Frankreich. Eleonore war die Schlüsselfigur seiner Macht, denn durch die Zusammenlegung der Territorien entstand das sogenannte angevinische Reich.
Die elf Jahre ältere Eleonore verstand sich zunächst gut mit dem jungen Herzog. Beide waren gebildet und energisch. Heinrich erlangte 1154 nach dem Tod Stephans die Krone Englands. Am
19. Dezember 1154 wurden Heinrich II. und Eleonore vom Erzbischof von Canterbury in Westminster in London gekrönt. Heinrich II. musste immer wieder auf den Kontinent fahren, um seine Vasallen zu bändigen. Eleonore übernahm die Regierungsgeschäfte, zumindest während Kanzler Thomas Becket sich mit Heinrich in Frankreich aufhielt. Aus der Ehe mit Heinrich II. gingen insgesamt acht Kinder hervor, aber Heinrich hatte noch zahlreiche außereheliche Kinder.
Heinrichs Entscheidungen bezüglich der Aufteilung der Territorien und Machtbefugnisse führten in den Jahren 1173/1174 zu Konflikten zwischen dem Vater und seinen drei Söhnen, wobei sich Eleonore auf die Seite ihrer Söhne stellte. Diese politische Stellungnahme bezahlte sie dann mit 15 Jahre langem Hausarrest auf verschiedenen Burgen.
Die Königinmutter und ihre Erben
Nach dem Tod Heinrichs II. im Jahr 1189 übernahm die fast 70-Jährige eine bedeutende politische Rolle während der Regentschaften ihrer beiden überlebenden Söhne Richard Löwenherz und Johann Ohneland. Während König Richard Löwenherz auf dem Dritten Kreuzzug war – 1189 bis 1194 – sicherte sie die Herrschaft im angevinischen Reich. Sie war auch entscheidend an der Befreiung von Richard Löwenherz aus der staufischen Gefangenschaft beteiligt und übergab schließlich persönlich das Lösegeld in Speyer.
Nach dem Tod König Richards im Jahre 1199 setzte sich Eleonore für die Nachfolge von Johann Ohneland ein und überging damit die Rechte ihres Enkels Arthur (Sohn des verstorbenen Gottfried). Johann musste sich mit dem französischen König Philipp August in der Normandie schlagen und erzielte noch im selben Jahr einen Frieden, der damit besiegelt wurde, dass der französische Thronfolger Ludwig mit einer Enkelin Eleonores, Blanka von Kastilien, vermählt werden sollte. Eleonore selbst reiste nach Navarra, um Blanka nach Frankreich zu begleiten.
Ihre letzten Jahre verbrachte sie in der von ihr geförderten Abtei Fontevrault. Sie musste nun mitansehen, wie Johann durch sein ungeschicktes Handeln den Zerfall des angevinischen Reiches einleitete. Kämpfe zwischen Arthur und Johann endeten 1203 mit dem Tod Arthurs. Eleonore starb am 1. April 1204 im Alter von 80 Jahren und wurde in der Abtei Frontevrault neben ihrem Gatten Heinrich II. und ihrem Sohn Richard Löwenherz begraben.
Eleonore wurde zur Legende, und noch Jahrhunderte später wurden ihr Ehrgeiz, ihre Fähigkeiten, ihre Schönheit kontrovers geschildert. Gerüchte, Mythen und Kritik ihrer Gegner mischten sich zu einem wechselhaften Bild: Zum einen die intelligente, politisch begabte und aktive Herrscherin, zum anderen aber die machthungrige, intrigante Frau, die sich nicht in die «rechte» Rolle als Gemahlin eines Königs einfügte. Ihre Kinder verbanden die europäischen Königshäuser.
Zur Lektüre seien besonders empfohlen:
- Ralph V. Turner, Eleonore von Aquitanien. Königin des Mittelalters, München: Beck 2013.
- Alison Weir, Eleanor of Aquitaine. By the Wrath of God, Queen of England, London: Vintage 2007.