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Der Anfang lag am Ende der Welt

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Seit sechs Monaten gibt es in Valparaíso einen Geheimtipp: das Boutiquehotel Ayca La Flora unter deutscher Leitung. Der Cóndor sprach mit Anne Schöllhorn, der Hotelbesitzerin.

Anne Schöllhorn

Mit einem strahlenden Lächeln und ihrem unverfälschten fränkischen Dialekt begrüßt Anne jeden Gast wie einen heimkehrenden Freund. Auf die Frage, warum sie Franken verlassen hat, um in Chile zu leben, erzählt sie gerne ihre romantische Geschichte. Begonnen hat alles 2014 mit dem Wunsch ihres Sohnes Lorenz, Machu Picchu zu sehen. Die Reise nach Lateinamerika führte ihn, seine Mutter und Schwester Valentina nach Peru, wo sie auf ihrem letzten Ausflug ins Amazonasgebiet in der EcoLodge Corto Maltés den charismatischen Chilenen Alex trafen. 

Für Anne war es Liebe auf den ersten Blick. Doch sie musste zurück in ihre Firma nach Deutschland. Vier lange Monate hielten sie telefonisch mit wenig Spanisch und viel Optimismus Kontakt, bis sie kurz nach Weihnachten erneut nach Peru flog. «Wir haben vom ersten Augenblick an, Zukunftspläne geschmiedet. Unabhängig voneinander träumten wir beide immer von einem kleinen Hotel. Also stellte sich nur noch die Frage: wo?»

Auf dem Cerro Concepción

2016 beschlossen sie in Alex Geburtsstadt Valparaíso bei Null zu beginnen. Während Anne in Dietenhofen bei Nürnberg war, suchte Alex die passende Immobilie und schaute mehr als 100 Häuser an. Manche waren termitenzerfressen, andere zu klein oder zu groß. Als er an einem Abend frustriert und müde vom Hügel zum Hafen ging, sah er das «Zu-Verkaufen»-Schild an einem Anwesen zwischen dem Pasajo Atkinson und dem Bürogebäude der Tageszeitung El Mercurio. Er befürchtete, dass das Objekt zu teuer sei oder weg wäre, bevor Anne aus Deutschland käme. Doch das Schicksal wollte es anders. Von seiner Geschichte und den Hotelplänen fasziniert nahm der Verkäufer das Objekt vom Markt und wartete auf Annes Urteil, was, wie unschwer zu erkennen ist, positiv ausfiel. 

2019 begannen sie mit der Renovierung. Da der Hügel Cerro Concepción ein Teil des Unesco Weltkulturerbe ist, dauerten die Genehmigungen lange. Außerdem wollten die beiden ein neues Nebengebäude errichten. Der bekannte Architekt Pablo Cáceres, der die Ascensores Peral und San Agustín renovierte, entwarf in Anlehnung an den 1948 abgebrannten Schräglift Esmeralda ein Gebäude im Stil einer Aufzugsstation, das sich harmonisch in das Ensemble einfügt. 

Upcycling pur – aus Alt mach Neu

2020 stand der Rohbau und Anne wurde von der Pandemie im Chileurlaub überrascht. Statt den Rückholflug der Deutschen Botschaft wahrzunehmen, blieb sie und half Alex bei den Innenausbauten. Sie upcycelten unzählige Fundstücke vom Flohmarkt und erwarben Altmaterialien aus Häusern, die nicht mehr zu retten waren. Aus alten Metallzäunen schweißte Alex Tischunterbauten, Stuckelemente ergänzten und bemalten sie. 

Anne nähte Vorhänge, Decken und 150 Kissen. «Ich habe oft an meine Oma gedacht, die mir das Nähen beigebracht hat», erinnert sie sich. Es half, dass Alex‘ Vater und Großvater und Annes Mutter Schreiner waren: Die Arbeit mit Holz liegt ihnen im Blut. «Unsere Deko sollte sich nützlich machen.» So sind die Waschtische aus antibakteriellem Kupfer. In den elf Zimmern finden sich ausgetretene Treppenbretter aus Abbruchhäusern, teilweise sogar mit Brandflecken, als Regalbretter wieder. Alles ist reduziert und pur, was jetzt sehr praktisch ist, weil es viel hygienischer ist. Als Reisen wieder möglich war, kamen Annes Kinder und Neffen und packten ebenso begeistert mit an, wie Alex Kinder Alex Javier und Diego.

Die Gäste, die seit November 2021 im Ayca La Flora waren, loben es in den höchsten Tönen. 9,7 Punkten auf booking.com und 9,6 auf agoda.com sind ein fabelhaftes Resultat. Ihre Gäste liegen Anne und Alex am Herzen und sie nehmen sich Zeit für sie und vermitteln gerne Touren. Wer das Glück hat, mit ihnen durch die malerischen Gassen zu schlendern, erlebt, wie die beiden mit Passanten plaudern oder Ladenbesitzer begrüßen. «Wir fühlen uns wohl und sind auch in der „Junta de Vecinos“ aktiv. Wir reinigen, sorgen für gute Beziehungen und engagieren uns», betont Anne. 

Sprühkünstlers Peter Skensved

Vor der Gartentür des Boutique Hotel lohnt sich ein Blick auf die Murales. Der einheimische Künstler Mario Celedón hat beliebte Motive Valparaísos verewigt und bei genauem Hinsehen kann man die Namen der Familienmitglieder entdecken. Das Gemälde des Esels am neuen Anbau ist ein Geschenk des dänischen Sprühkünstlers Peter Skensved, der unlängst zu Gast war. 

Nachhaltigkeitsprojekt in «Las Palmas de Olmué»

Auch wenn die Renovierung Zeit und Kraft gekostet hat, hat es sich gelohnt. Heute sitzt Anne glücklich und entspannt in ihrem idyllischen Garten, weil sie sich einen Lebenstraum erfüllt hat. Doch wollen sie auch etwas zurückgeben. Ihr Ziel ist es, mit einem Nachhaltigkeitsprojekt den CO2-Fußabdruck des Hotels zu neutralisieren. Deshalb haben sie in «Las Palmas de Olmué» sieben Hektar Land gekauft, auf dem ursprünglicher, sogenannter endemischer, Wald mit Hartlaubgewächsen steht und ihr Esel mit zwei Pferden lebt. Für jeden Gast pflanzen sie dort eine chilenische Palme. «Die Pflanzung der Palmen hat im April begonnen, zieht sich aber hin, weil davor Löcher in den steinharten Boden gegraben werden müssen. Vorher hat aber ein Herzensprojekt von uns erste Priorität: Wir bauen unserem Esel Flora einen Stall, damit ihr Eselbaby ein Zuhause hat, wenn es auf die Welt kommt.»

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