«Wichtig ist, immer offen zu sein»
Seine eigenen Berufsausbildungen und die Zeit als stellvertretender Schulleiter des Instituto Ballester in Buenos Aires kamen Thomas Mittelstraß beim Instituto Superior Alemán de Comercio (Insalco) in Santiago zugute. Der Leiter der deutschen Berufsschule in Santiago stieß mehrere Projekte an wie unter anderem die Kooperation mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und den Gründer-Wettbewerb für Elf- und Zwölftklässler. Im Juli wird der Pädagoge nun nach vier Jahren in seine Heimat nach Bayern zurückkehren.
Möglich machte es das durchlässige Bildungssystem in Deutschland, dass Thomas Mittelstraß nach dem Realschulabschluss, einer Ausbildung zum Polizisten, dann zum Bankkaufmann schließlich neben der Arbeit sein Abitur nachmachte, im sogenannten zweiten Bildungsweg. «Wichtig ist, immer offen zu sein», ist seine Erfahrung. Vor allem Weltoffenheit sei in Zeiten der Globalisierung wichtig, meint er – ein Grund dafür, dass er sich nach dem Abitur für das Studium der Wirtschaftsgeographie entschied: «Es hat mich gereizt, die Welt kennenzulernen.» Das hat Mittelstraß an der Ludwig-Maximilian-Universität in München ausgiebig getan: Studienbegleitende Projekte führten ihn nach Jakarta in Indonesien, in das kanadische Vancouver und schließlich nach Victoria in Australien.
Nach Studienabschluss wählte der Wirtschaftsgeograph noch einmal eine ganz andere berufliche Richtung, nämlich das Lehramt: «Gleich meine erste Unterrichtsstunde begeisterte mich: Das Arbeiten mit jungen Menschen ist einfach eine große Bereicherung.» Das erlebte er auch am Insalco, dessen Leitung er 2018 übernommen hatte: «Die Schüler ein Stück des Weges zu begleiten, zu erleben, wie sie sich nach und nach weiterentwickeln und ihren Weg und ihre Richtung finden – das ist das Schöne am Lehrersein.»
Außerdem sei er ein großer Verfechter des Auslandsschulwesens: «Es ist großartig, als Lehrer im Ausland seinen Horizont zu erweitern.» Daher bewarb er sich nach einigen Jahren Unterrichtserfahrung als Lehrer bei der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Köln. «Der Leiterin des Instituto Ballester in Buenos Aires gefiel in meinem Lebenslauf die Mischung von praktischer Berufserfahrung und Theorie, die ich von Anfang sammelte, und so startete ich 2011 an dieser deutschen Auslandsschule in der argentinischen Hauptstadt.» Die ganze Familie habe die fünf Jahre in der «Stadt des Tangos und des Fußballs» besonders genossen.
Auch beruflich waren die Erfahrungen am BBZ des Instituto Ballester, eine von zehn deutschen Berufsschulen weltweit, ein großer Vorteil für Mittelstraß` neue Position in Santiago: «Vieles konnte ich am Insalco übernehmen und weiterführen.» Dazu gehörte unter anderem das Projekt der «Jóvenes empresarios», ein Wettbewerb für den besten Business-Plan. Vor der Pandemie konnten noch sieben Gruppen à drei Schüler nach Santiago kommen, 2020 fand die Veranstaltung virtuell statt.
Wie wichtig der gute Kontakt zur Auslandshandelskammer ist, stellte der Schulleiter bereits in Argentinien fest: «Die Unternehmensakquise ist natürlich ganz entscheidend für unser Konzept der dualen Ausbildung, da brauchen wir gute und zuverlässige Partner.»
Die Pandemie sei für Lehrer und vor allem die Jugendlichen eine schwere Zeit gewesen: «Der Online-Unterricht kann den präsentiellen Unterricht nicht ersetzen! Man hat gemerkt, dass den jungen Leuten der persönliche Kontakt, die Zuwendung und der Zusammenhalt gefehlt hat.» In diesem Jahr kann das Insalco einen Rekord an Studienanfängern bei den drei bilingualen Ausbildungsgängen im Bereich Groß- und Außenhandel, Schifffahrt und Logistik verzeichnen: insgesamt 31 neue Studenten. Hinzukommen die sieben Schülerinnen und Schüler für den neuen Ausbildungsgang «Comercio y Transporte Internacional», der ganz in Spanisch stattfindet. Dieser soll es auch Jugendlichen, die kein Deutsch sprechen, ermöglichen eine duale Ausbildung zu machen.
Was für ihn selbst gilt, empfiehlt er auch den Jugendlichen: «Nicht immer ist der gerade Berufsweg und der vorgegebene Pfad der beste. Gerade für die jungen Menschen ist es gut, Erfahrungen zu sammeln, etwas auszuprobieren, Neues kennenzulernen und eine gewisse Offenheit zu behalten, um das zu finden, was Freude und Leidenschaft weckt.» Es tue gut, auch mal von zuhause wegzugehen, auch wenn das Abschied von Familie und Freunden bedeute. «Wenn man dann aber zurückkommt, hat man einen Rucksack voll an Erfahrungen, Freundschaften und schönen Erinnerungen.»
Dieser Abschied steht nun dem 52-Jährigen bevor. So wie seine Frau Kirstin und die drei Kinder Franka, Lenja und Luca hat er Land und Leute in Chile schätzen gelernt. «Als leidenschaftlicher Skifahrer und Skilehrer war die Nähe der Anden fantastisch», bemerkt Thomas Mittelstraß begeistert.
Auch sein Team, die zehn Lehrerinnen und Lehrer sowie die drei Leitungsteammitglieder beim Insalco, werde er vermissen. «Das hat schon seinen Grund, dass wir uns „Dreamteam“ nennen», stellt er schmunzelnd fest und betont: «Die Digitalisierung, die Einführung von SAP, die Projekte und Austauschprogramme – das ist uns nur durch eine sehr gute Zusammenarbeit gelungen.»
Den Unternehmern ruft Thomas Mittelstraß zu: «Einen jungen Menschen gut auszubilden, ist langfristig die beste Investition und zahlt sich für die Zukunft aus – wer vernünftig ausbildet, hat in zwei Jahren eine Toparbeitskraft.»