Von Sandro Koch
Frohe Ostern! Mit diesem Zuspruch kommen in mir Erinnerungen an das «Eiertütschen» am Anschluss an die Osternachtsfeier in der Pfarrkirche meines Ostschweizer Heimatdorfes hoch, die ich mit durchaus positiven Werten verbinde. Die Lichtfeier der Osternacht beeindruckte mich schon seit jeher, und die Begegnung mit den anderen Leuten vom Dorf auf dem Kirchplatz hatte für mich immer etwas Ausgelassenes. Diese frohe Osterstimmung sprach mich jedes Mal aufs Neue an und berührte mich im Innersten.
Ich habe den Eindruck, dass wir gerade in der heutigen Zeit, in der wir vor so vielen persönlichen, gesellschaftlichen und globalen Herausforderungen stehen, dieser Osterfreude bedürfen. Ich denke da an die Transformationsprozesse der chilenischen Gesellschaft, in der wir leben, an die anhaltende Unsicherheit der Covid-Pandemie und deren wirtschaftliche und soziale Folgen, aber auch an den Krieg in der Ukraine und in so vielen anderen Orten der Welt und schließlich auch an die Klimakrise, deren Folgen wir gerade hier in Chile hautnah miterleben. Aber woher rührt diese festliche Stimmung, die, so meine ich, auch noch bei so manchem nicht Gläubigen an Ostern aufkommt?
Ich glaube, das rührt daher, dass Ostern ein Fest ist, das im Grunde genommen bereits eine über 3.000 Jahre alte Botschaft in sich trägt: Das Leben siegt. Dies weil das Volk Israel seit seiner Konstituierung vor über 3.000 Jahren sich auf den Auszug aus der Sklaverei in Ägypten bezieht. Der Exodus ist eine erzählte Erfahrung der neugewonnenen
Freiheit, der Zuversicht, der Hoffnung, der Freude für dieses Volk. Diese Grundgewissheit, nicht mehr unter der Macht der Sklaverei, der Unterdrückung und der Angst des Pharaos zu stehen, wird zu einer zentralen Komponente jüdisch-christlichen Empfindens. An diese Erfahrung der Befreiung, des Lebens und der Hoffnung knüpft das Osterereignis an.
Jesus Christus feiert mit seinen Freunden das Pessachmahl, das an den Auszug aus Ägypten erinnert und für die Christgläubigen zum letzten Abendmahl wird, welchem in den verschiedenen Gottesdienstformen der christlichen Konfessionen bis heute jeden Sonntag gedacht wird. Nach diesem Mahl, das bereits die Hoffnungsperspektive von Ostern anzeigt, wird Jesus festgenommen, gefoltert und schließlich zum Tode am Kreuz verurteilt. Damit scheint die ganze Botschaft Jesu gegenstandslos und relativiert worden zu sein. Doch die Geschichte Jesu endet nicht am Karfreitag, sondern an Ostern. Der Tod hat nicht das letzte Wort, sondern das Leben. Gewiss, ohne das Kreuz gibt es auch keine Auferstehung, deshalb ist der Blick auf das gesamte Ostergeschehen – vom letzten Abendmahl bis zur Auferstehung Jesu Christi – zentral.
Wir haben in ihm ein Kondensat urmenschlicher Gefühle: Hoffnung, Ungewissheit, Unverständnis, Angst, Trauer, Verzweiflung, Tod, Resignation. Am Ende steht aber immer das Leben, die Gewissheit, dass der Tod nicht den Schlusspunkt darstellt, sondern dass immer eine Hoffnungsperspektive auf das Leben hin besteht. Dabei meint der Tod hier nicht nur das Ende eines Lebens, sondern auch all die «Todeserfahrungen», die wir immer wieder in unserem Leben machen: unlösbare Probleme, Schulden, Niederlagen, Schicksalsschläge, Krankheiten und viele mehr. Ostern heißt in diesen Situationen unseres Lebens, dass Hoffnung besteht, dass die Freude die Trauer überwiegt, dass Unsicherheiten sich in Zuversicht wandeln. Dieses Bewusstsein ist es wohl, das in so vielen Menschen diese besondere Osterstimmung aufkommen lässt. In diesem Sinne wünsche ich uns allen: Frohe Ostern!
Ostern und spirituelle Erneuerung
Von Sabine Köhler
Was kann Ostern im 21. Jahrhundert der Quantencomputer, Startups, künstlicher Intelligenz, aber auch der Klimakrise und rasantem gesellschaftspolitischem Wandel noch bedeuten?
Ken Wilber, für einige der wichtigste Philosoph des 20. Jahrhunderts, spricht von Stufen unserer Bewusstseinsentwicklung. Er erklärt, dass wir unsere spirituellen Erlebnisse immer nur aus unserer jetzigen Entwicklungsstufe heraus verstehen können. Nur so kann man erklären, dass Christen mit bestem Gewissen Sklaven gehalten oder für Gottes gute Sache Menschen getötet haben.
Sehr viele der führenden Persönlichkeiten und Wissenschaftler praktizieren aus Gesundheitsgründen heute Mindfullness, eine laizistische Form der Meditation. Heute wissen wir, dass Meditieren, was eigentlich bedeutet, den Fokus der Aufmerksamkeit völlig auf die Gegenwart zu richten (zum Beispiel auf unseren Körper oder Gefühle) und uns vom Denken abzukoppeln, in unserem Gehirn Veränderungen hervorruft, indem es unter anderem unseren präfrontalen Kortex besser vernetzt. Das Resultat dieser Veränderung ist, dass sich unser Empathievermögen verbessert, unser Gefühl von Verbundenheit und auch die Fähigkeit, uns selbst besser wahrzunehmen. Dieses erhöhte Empathievermögen erlaubt uns auch, differenzierter zu denken und die Realität komplexer wahrzunehmen. Je komplexer unser Fühlen und Denken, desto weniger teilen wir die Menschen in gut und böse ein, desto barmherziger können wir mit den anderen und uns selbst umgehen. Klingt ein bisschen wie Jesus, oder? Es erinnert an das, was er uns durch Bilder und Parabeln vermittelt hat, unter anderem die Geschichte des barmherzigen Samariters und der Aufruf, den Balken erst aus unserem Auge zu nehmen, bevor wir den Splitter im Auge unseres Bruders kritisieren.
Ich finde es faszinierend, dass die Neurowissenschaft uns hilft, unsere spirituellen Wurzeln zu verstehen und vielleicht neu zu werten, denn in einer gesunden Evolution oder Entwicklung nimmt man das Wertvolle und Gute aus der Vergangenheit mit. Ein völliger Bruch mit der Vergangenheit ist meist unmöglich und rächt sich irgendwann einmal. Ich denke dabei an die massiven Kirchenaustritte und die Abkehr von kirchlicher Tradition, die für viele ihren Wert oder auch ihre Glaubwürdigkeit verloren hat. Vielleicht brauchen wir eine spirituelle Erneuerung aus der Bewusstseinsstufe des 21. Jahrhunderts heraus, mit christlicher Meditation und Entwicklung unserer Empathie und Fähigkeit, den anderen in seiner Komplexität anzunehmen, statt Kirchenlehre und Dogmen. Um die Probleme des 21. Jahrhunderts zu lösen, brauchen wir definitiv die Fähigkeit, komplex zu denken und miteinander zu fühlen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein meditativesOsterfest, in dem unsere spirituellen Wurzeln mit dem Bewusstsein des 21. Jahrhunderts zu neuem Leben auferstehen!
Osterfragen
Von Pastor Siegfried Sander
Wir müssen ja mit mehr Fragen als Antworten leben lernen. Und es kommen immer mehr Fragen hinzu und immer weniger überzeugende Antworten bleiben.
Ich bin froh, dass ich nun als pensionierter Pastor keine Antworten mehr zu predigen habe, sondern Fragen stellen darf.
So will ich auch zu Ostern ein paar Fragen stellen.
Warum erscheinen, wenn ich bei Google «Ostern» eingebe, tausend Bilder mit Ostereiern und Osterhasen und nur eins mit dem auferstandenen Christus? Ist das bei Ihnen anders? Versuchen Sie es mal! Oder liegt es an meinem Algorithmus?
Haben Sie schon mal über Folgendes nachgedacht:
Der etymologische Ursprung des Wortes Ostern (Plural von Oster)?
Der Ursprung der Osterfeier?
Der Ursprung der Ostereier und Osterhasen?
Den Brauch des Osterlachens? (Interessant – da heute die Kirchen nichts zu lachen haben.)
Alles bei Google nachzulesen!
Warum beginnen viele Ostergottesdienste mit dem Ausruf: «Der Herr ist auferstanden» und der Antwort: «Er ist wahrhaftig auferstanden!»? Was will man damit sagen?
Können Sie das wahrhaftig glauben? Oder wenn, dann nur noch, weil es halt so Sitte ist?
Was bedeutet es für uns heute zu bekennen, dass Jesus Christus lebt?
(Ich erinnern mich an ein Lied aus meiner Jugendzeit, das mich immer noch anrührt: »Jesus is the answer for the world today», besonders die Version von Paul Simon. Zu hören in https://g.co/kgs/wBDB3m)
An welche Ostergeschichten, Osterlieder oder Osterbilder erinnern Sie sich? Am meisten, am liebsten?
Ich persönlich:
Die Jünger auf dem Weg nach Emmaus in Verzweiflung und dann «Herr bleibe bei uns, denn es will Abend werden.» (Lukas 24,13ff.)
Maria Magdalena am leeren Grab. «Spricht Jesus zu ihr: Maria!» (Joh.20.11ff.)
Warum treten so viele Menschen aus der Kirche aus? Jedenfalls in Deutschland- hier brauchen wir ja nicht auszutreten, man braucht sich nur nicht mehr darum zu kümmern.
Warum geben die meisten als Grund an, dass die Kirche für sie schlicht keine Bedeutung mehr hat?
Warum erhebt der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill nicht seine Stimme gegen den Krieg Putins?
Was weckt bei Ihnen Osterfreude?
Gehen Sie dazu in die Kirche, suchen Sie mit Ihren Enkeln Ostereier oder fahren Sie am langen Wochenende lieber ins Blaue?
Oder machen Sie sich nicht so viele Gedanken wie ich?
In der Hoffnung und Bitte, dass Jesus, der ursprüngliche Grund fürs Osternfeiern, sich auch in unserer Weltzeit, in und trotz aller Zweifel und Gleichgültigkeit, in und trotz Krise und Krieg, in und trotz der Kirchen, sich noch einmal als der Lebendige zeigen und viele im Herzen begegnen und anreden möge, grüßt Sie Pastor Siegfried Sander.
Die Werte von Ostern leben
Von Pilar Bobadilla
Als deutsch-katholische Schule in Chile sind unsere Bräuche durch das Germanentum und das Christentum geprägt. Beide enthalten jedoch im Wesentlichen die gleichen Werte.
Jesus ruft dazu auf, Ostern als Triumph des Lebens über den Tod zu feiern, dank einer Erneuerung des Paktes zwischen Gott und den Menschen, und das geschieht durch seinen eigenen Tod und seine Auferstehung.
Ostern war für die frühen Christen das Fest des Lebens. Der Gläubige hat ein begrenztes Leben, das mit dem Tod endet, um mit Christus zu einem neuen Leben aufzuerstehen, zu einem vollen Leben.
Im germanischen Pantheon ist Ostara eine keltische Göttin, die den Namen des Osterfestes (Ostern) trägt. Ostara als Fruchtbarkeitsgöttin ist eine Göttin «des Erwachens», der keimenden Kräfte. Ostara ist Licht, das Freude und Segen bringt. Deshalb konnte die Bedeutung des Osterfestes leicht an die Auferstehung Christi angepasst werden.
Das Ei und der Hase sind Symbole der Ostara-Feier. Das Ei steht für Geburt und Anfang und ist ein ideales Nahrungsmittel, um den harten Winter zu überstehen.
Wir sehen, dass beide Traditionen das Konzept der Erneuerung, der Veränderung und des Übergangs von einer begrenzten Realität zu einer vollkommeneren Realität beinhalten. Außerdem ist das Osterfest in beiden Traditionen ein Fest des Lichts, des Glücks und des Lebens.
Daher fragen wir uns, wie wir die Werte von Ostern in unserer Bildungsgemeinschaft leben können.
Die Welt ist im Wandel begriffen, und unser Land und wir, die wir in ihm leben, müssen uns an neue Realitäten anpassen, die manchmal schwer zu akzeptieren sind. Jede Veränderung ist schwierig, aber das Osterfest gibt uns Kraft und Hoffnung. Eine Neubewertung unserer institutionellen Werte erweist sich als notwendig in unserer Zeit.
Unsere Gemeinschaft ist für ihre akademischen, sportlichen und moralischen Leistungen bekannt. Ostern ist ein guter Zeitpunkt, um über unsere Arbeit nachzudenken: Sind wir bereit, uns Veränderungen zu stellen, uns anzustrengen und Verzicht zu üben? Können wir uns mit unserer Schule identifizieren und persönlich wachsen? Fühle ich mich dieser Gemeinschaft zugehörig, die wie das jüdische Volk in der Wüste unterwegs ist, auf der Suche nach einer besseren Zukunft, aber voller Herausforderungen?
Der Philosoph Martin Heidegger sagt uns, dass ein Merkmal des Seins Sorge, also Heilung oder Pflege ist. Als Wesen, die am Sein teilhaben, müssen wir uns darum «kümmern», dass alle Dinge das werden, was sie sind, dass alle ihren vollen Ausdruck finden. So ist Ostern in dieser Gemeinschaft ein Fest, das uns dazu anregt, nicht zu vergessen, dass wir eine Familie sind, die zusammenhält und die sich um jedes ihrer Mitglieder kümmert und so ihre ganzheitliche Entwicklung und ihren «Übergang» zu einem glücklicheren und schöneren Leben ermöglicht.