Der letzte Kaiser von Österreich
1916 bestieg der Großneffe Kaiser Franz Joseph I. mitten im Ersten Weltkrieg den Thron und musste ihn schon zwei Jahre später wieder räumen. Karl I. strebte nach inneren Reformen des Vielvölkerstaats Österreich-Ungarn und der Wiederherstellung des Friedens in Europa. Mit seinem Tod am 1. April 1922 starb der letzte Herrscher aus dem Hause Habsburg.
Durch das Schicksal zum Kaiser
Als Karl am 17. August 1887 auf Schloss Persenbeug das Licht der Welt erblickte, konnte noch niemand ahnen, dass er jemals die Kaiserkrone Österreichs tragen würde. Der Selbstmord des Kronprinzen Rudolf, des einzigen Sohnes des Kaisers Franz Joseph I., 1889 in Mayerling führte dazu, dass die Thronfolge nun auf den Bruder des Kaisers überging. Da aber zwei der drei potenziellen Thronfolger frühzeitig auf natürliche Weise starben, fiel die Thronfolge schließlich auf Franz Ferdinand. Er aber wurde im Juni 1914 in Sarajevo bei einem Attentat ermordet. Diese Tat führte einen Monat später zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Nun wurde Karl I., der Großneffe Kaiser Franz Josephs I., zum Erzherzog-Thronfolger. Das Schicksal nahm nun seinen Lauf. Der Erste Weltkrieg brach aus und Karl diente in verschiedenen Einheiten, ohne aber in direkte Kampfeinsätze zu geraten. Der 84-jährige Kaiser Franz Joseph band zwar seinen Großenkel an sich, zog ihn jedoch nicht bei existenziellen Entscheidungsprozessen mit ein. So war die Vorbereitungszeit Karls ungenügend, als im November 1916, mitten im Krieg, der Kaiser verstarb.
Als Kaiser Karl I. von Österreich, König Karl IV. von Ungarn und Kroatien und Karl III. von Böhmen musste er nun die Staatsgeschäfte des Vielvölkerreiches übernehmen. Seine Thronbesteigung kam zu Unzeiten, denn nach der Kriegseuphorie 1914, herrschten Depression, Hunger und Verzweiflung. Ohne militärische Erfolge drohte nun der österreichische Vielvölkerstaat zu zerreißen. Kaiser Karl I., der nie der Kriegseuphorie erlegen war, sah weitsichtig, dass es bei diesem Krieg auf allen Seiten nur Verlierer geben würde.
Der Friedenskaiser
Im Frühjahr 1917 suchte er nach Wegen zu einem österreichischen Separatfrieden mit den Westmächten, um den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Seine Bemühungen scheiterten an hochstehenden Vertretern beider Seiten. Deutschnationale Politiker in Österreich forderten ein Weiterkämpfen und auch Frankreich zeigte sich wenig interessiert an einem Kriegsende, da es selbst an einen Sieg glaubte. Der Kaiser und seine Familie wurden dadurch dem Spott und Hohn ihrer Gegner ausgesetzt.
Karl I. hatte die Friedensbemühungen Papst Benedikts XV. unterstützt. Die diplomatischen Bemühungen seines Schwagers Sixtus Ferdinand von Bourbon-Parma, einen Frieden mit Frankreich zu erreichen, endeten in einem Skandal, der «Sixtus-Affäre». Durch das Bekanntwerden geriet Karl I. in die Kritik und war gezwungen, sich stärker an die Seite Deutschlands zu stellen. Innenpolitisch konnten keine notwendigen Reformen durchgeführt werden und so suchten die Nationen nach eigenen Wegen. Die Monarchie steckte in einer tiefen Krise. Zudem sah man in der Kaiserin Zita – seit 1911 verheiratet mit Karl -, eine «Italienerin» und damit eine Gegnerin der Interessen Österreichs.
Das Ende der Habsburger auf einer Insel im Atlantik
Da es nicht gelang, eine Friedenspolitik einzuschlagen, kam es zum militärischen Zusammenbruch und zur inneren Auflösung der Donaumonarchie. Ende 1918 wurde der Kaiser von den eigenen Leuten gedrängt, «auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften» zu verzichten. Am 11. November erfolgte die Verzichtserklärung, wobei es sich nicht um eine formelle Abdankung handelte. Karl unterschrieb das Dokument nur halbherzig und mit Bleistift. Am folgenden Tag wurde dann die «Republik Deutsch-Österreich» ausgerufen. Die kaiserliche Familie zog sich noch am Abend des 11. November auf Schloss Eckartsau östlich von Wien zurück. Da Karl nicht zu einem formellen Thronverzicht bereit war, wurde eine Abschiebung angedacht. Morddrohungen ließen ein Schicksal ähnlich der russischen Zarenfamilie befürchten, sodass König George V. von England sich um ihren Schutz bemühte und ein Exil in der Schweiz vermittelte. Am 23. März 1919 verließ die Familie Österreich in Richtung Schweiz mit dem Zug.
Karl versuchte 1921 einen Restaurationsversuch der Monarchie in Ungarn, jedoch scheiterte dieser Versuch an einer mangelnden Organisation und Absprache. Die Aktion endete mit einer Verbannung des Ex-Kaisers und seiner Familie nach Madeira. Weit weg von Österreich und Ungarn sollte er nun sein Exil finden. Am 19. November 1921 kamen Karl und Zita auf der Atlantik-insel an, ihre Kinder folgten Anfang Februar. Karl erlitt in der feucht-kühlen Unterkunft, in der Quinta do Monte, eine Erkältung, die sich zu einer schweren Lungenentzündung entwickelte. Vor 100 Jahren, am 1. April 1922, starb Karl I., der letzte Kaiser von Österreich und König von Ungarn und Böhmen: Mit ihm endete die über 640-jährige Herrschaft der Habsburger im Zentrum Europas.
Seine Frau Zita bemühte sich um die Seligsprechung ihres Gatten aufgrund seiner Friedensbestrebungen in Europa. Am 3. Oktober 2004 wurde Kaiser Karl I. durch Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.