«Gründervater» der deutschen Romantik
Friedrich und sein Bruder August Schlegel prägten die deutsche Frühromantik. Durch Eigenstudium erlangte er die Grundlagen für sein späteres Literaturstudium und seine Begeisterung fürs Altertum ermöglichte ihm eine theoretische Vertiefung der klassischen Dichtung und bahnte den Weg zu den modernen Geisteswissenschaften.
Der disziplinierte Selbstdidakt Karl Wilhelm Friedrich Schlegel kam am 10. März 1772 in Hannover als zehntes Kind einer protestantischen Pastorenfamilie zur Welt. Sein Vater Johann Adolf Schlegel war lutherischer Pastor der Marktkirche in Hannover. Als Kind war Friedrich verschlossen und schwermütig, so dass er seinen Eltern Sorgen bereitete. Auf Drängen des Vaters begann er eine Kaufmannslehre beim Bankier Schlemm in Leipzig. Diese brach er aber bald ab, da er nicht mit Geld umgehen konnte, eine Eigenschaft, die ihn später auch noch oft in große Schwierigkeiten bringen sollte. Friedrich erwies sich als ausgesprochen selbstdiszipliniert und erwarb sich als 16-Jähriger in kurzer Zeit solide Kenntnisse des klassischen Altertums und der griechischen Sprache.
Eng verbunden war er mit seinem vier Jahre älteren Bruder August Wilhelm, der an der Göttinger Universität zunächst Theologie, dann Philologie studierte. 1790 schrieb Friedrich sich dort ein, studierte Rechtswissenschaften, interessierte sich aber zunehmend für Klassische Philologie. Sein Bruder wurde sein Mentor und enger Vertrauter. Als dieser im folgenden Jahr als Hauslehrer nach Amsterdam zog, setzte Friedrich sein Jura-Studien in Leipzig fort.
Von 1791 bis 1793 widmete er sich besonders der klassischen, mittelalterlichen und modernen Literatur. Diese Studienzeit verschaffte ihm zahlreiche Bekanntschaften mit Literaten, unter anderem mit dem Dichter Friedrich von Hardenberg – als Novalis bekannt – und mit Friedrich Schiller. Allerdings führten seine Affären und seine finanziellen Probleme zu einem wachsenden Schuldenberg. Im Sommer 1793 musste er deswegen das Studium aufgeben und wurde freier Schriftsteller. 1794 musste er wegen seiner Schulden schließlich zu seiner Schwester Charlotte nach Dresden ziehen.
Begeisterung fürs Altertum
In Dresden konnte er sein Interesse fürs Altertum durch die dortige umfangreiche Abguss-Sammlung antiker Skulpturen vertiefen. Schlegel strebte nun an, aus der antiken Poesie eine «allgemeine Naturgeschichte» der Dichtkunst abzuleiten. 1797 erschien sein Werk «Über das Studium der griechischen Poesie». Er unterschied darin zwischen «objektiver» (antiker) und «interessanter» (moderner) Poesie, wobei er in vielen Aspekten mit der Auffassung Friedrich Schillers übereinstimmte, ohne aber dessen Unterscheidung von «naiver» und «sentimentalischer» Dichtung zu kennen. Schlegel stilisierte das antike Griechenland zum Sinnbild einer freiheitlichen harmonischen Ordnung und stellte ihr die Gegenwart als einen Gegensatz der Krisenhaftigkeit gegenüber. Für Friedrich stellte die Literatur der Griechen die Schönheit und Abgeschlossenheit dar, während die Moderne sich nach dem Reiz des Neuen ausrichtete und eine «ästhetische Anarchie» verkörperte.
Nun entwickelte Schlegel seine Theorie zur Interpretation der klassischen Literatur in «Von den Schulen der griechischen Poesie». Seine Bekanntschaft mit Johann Friedrich Reichardt, einem begeisterten Anhänger der Französischen Revolution, des Republikanismus und des Demokratismus, verschaffte ihm 1796 als Mitarbeiter an der Zeitschrift «Deutschland» einen sicheren Lebensunterhalt.
Schriftsteller und Wissenschaftler
Im Sommer 1796 folgte er seinem Bruder und seiner Schwägerin Caroline nach Jena. Dort beschäftigte er sich mit der Philosophie Kants und Spinozas. Zudem wurde er mit Fichte, Goethe, Herder und Wieland bekannt. Besonders geprägt wurde er von Fichtes «Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre».
Im folgenden Jahr zog er nach Berlin, wo er im Salon von Rahel Levin seine zukünftige Frau, Dorothea Veit, kennenlernte, sowie eine enge Freundschaft mit den Dichtern Ludwig Tieck und Friedrich Schleiermacher schloss. Ab Mitte 1797 arbeitete er als Mitarbeiter von Reichardts Zeitung «Lyceum der schönen Künste». Darin veröffentlichte er seine «127 Kritischen Fragmente» (1797), die erstes Zeugnis seines romantischen Ideals sind. Er wurde in Berlin Kopf eines literarischen Zirkels zu denen Schleiermacher, Tieck, sein Bruder August Wilhelm und dessen Frau Carolina, Novalis und Dorothea Veit zählten. Dorothea und Friedrich heirateten 1804.
Nach einem Streit mit Reichardt gab Friedrich gemeinsam mit seinem Bruder die für die Frühromantik richtungsweisende Zeitschrift «Athenäum» heraus, die 1798 bis 1800 in drei Bänden erschien. Seine Rezension zu Goethes «Wilhelms Meister Lehrjahre» wurde wegweisend.
1799 befand er sich wieder in Jena, wo er sich 1800 dann habilitierte und Vorlesungen über die Transzendentalphilosophie abhielt, die auch Hegel besuchte. Im selben Jahr veröffentlichte er seinen einzigen Roman «Lucinde». Das Werk löste bei den meisten Zeitgenossen moralische Entrüstung, da es das Ideal der freien und gleichberechtigen Liebe zwischen Mann und Frau behandelte.
Indologe und Hofsekretär des Kaisers
Schlegels Vorlesungen in Jena hatten nicht den gewünschten Zulauf, und auch der Romantikerkreis 1801 zerfiel. Zudem entstanden Spannungen zwischen den Schwägerinnen Dorothea und Caroline, was auch das Verhältnis der Schlegel-Brüder trübte. Friedrich und Dorothea begaben sich nach Paris, wo er 1802 Vorlesungen über Literatur und Philosophie vor illustrem Publikum hielt.
Nun widmete er sich Sanskritstudien und veröffentlichte 1808 seine Ergebnisse unter dem Titel «Über die Sprache und Weisheit der Indier». Schlegel wurde damit zum Begründer der deutschen Indologie.
Ergebnis der Pariser Zeit war auch die Herausgabe der Zeitschrift «Europa», in der er seine Ideen eines europäischen Nationenverbands mit Deutschland und Frankreich und eines «europäischen Patriotismus» vorstellte.
1804 zog er mit seiner Frau nach Köln und folgte der Einladung der Brüder Sulpiz und Melchior Boisserée, die ihn zu Privatvorlesungen «Über deutsche Sprache und Literatur und die Geschichte ihrer Meisterwerke» und über «Die Entwicklung der Philosophie» engagierten. Schlegel erlangte durch seine vielfältige und tiefe Bildung den Ruf, der größte Gelehrte seiner Zeit zu sein.
Aufgrund seiner Ideen und Forschungen zu einem ganzheitlichen Verständnis konvertierte er schließlich 1808 mit seiner Frau zum Katholizismus. Dies wurde zum Wendepunkt in seinem Leben. Im selben Jahr zog er nach Wien und wurde 1809 Sekretär der Hof- und Staatskanzlei. In Wien hielt er 1810 vor einem ausgewählten Publikum eine Vorlesung «Über die neuere Geschichte». 1812 folgte seine Vorlesung zur «Geschichte der alten und neuen Literatur», die er Metternich widmete. Nun nahm er eine konservative Haltung ein und gab 1812/13 die Zeitschrift «Deutsches Museum» heraus; 1814 schrieb er Verfassungsvorschläge für den Wiener Kongress und wurde 1815 geadelt.
1819 wurde er österreichischer Legationsrat am Bundestag in Frankfurt a. M. und begleitete Kaiser Franz als Kunstsachverständiger auf einer Reise nach Italien, wurde dann aber wegen seiner Schulden aus dem Dienst entlassen. Zwischen 1820 und 1823 gab Schlegel die Zeitschrift «Concordia» heraus, die den Wiener Romantikerkreis belebte.
Seine konservative Sicht führte 1828 zu einem Zerwürfnis mit seinem Bruder August Wilhelm. In seinen letzten Lebensjahren verschrieb er sich immer stärker einem religiösen Mystizismus. Am 12. Januar 1829 starb er während eines Aufenthalts in Dresden, wo er auch begraben wurde. Seiner Frau hinterließ er einen Haufen Schulden und zahlreiche Manuskripte, die sie zum Teil selbst edierte oder edieren ließ.