In diesem Jahr zog es viele Urlauber in den Süden, was sowohl Vorteile als auch einige Probleme mit sich brachte. Michael Köbrich berichtet über die Urlaubssaison in Puerto Varas am Llanquihue-See.
Hotels und Ferienhäuser in Puerto Varas waren laut Zeitungsberichten in diesem Sommer zu 90 Prozent ausgebucht. Genau vor einem Jahr sah das noch ganz anders aus. Wir hatten eine strenge Quarantäne und durften das Haus nur mit Sondererlaubnis verlassen. Es war hart, am See zu wohnen und den naheliegenden Strand nicht betreten zu können – absolut tote Hose! Dieses Bild hat sich schlagartig verändert. Man sieht, wie in diesem Jahr Reisen innerhalb von Chile zugenommen haben. Alle, die konnten, machten sich auf den Weg.
Benzin, Personal und Parkplätze knapp
Wir haben von über 24-stündigen Staus vor verschiedenen Fähren der Carretera Austral gelesen. Benzinknappheit, verursacht durch den Bedarf der zahlreichen Urlauber, brachte weitere Schwierigkeiten mit sich. Das Angebot in diesen Gebieten ist sowieso gering. Viele Urlauber mit nochmals so vielen Autos waren zu sehen, zu hören und zu spüren. Alles war dicht: Läden und Supermärkte waren zu manchen Stunden überfüllt, überall Menschenschlangen.
Lokale waren trotz Eintritt mit «Pase de Movilidad» voll – zum großen Glück der Gastronomen. Sie hatten durch die Pandemie hohe Einbußen erlitten und konnten jetzt einiges wettmachen. Doch gleichzeitig fehlt den Restaurants das Personal. Es wird vergeblich nach Servicekräften gesucht, und oftmals musste die Küche ungewöhnlich früh schließen. Das sind Pandemiefolgen.
Parkplätze in der Stadt waren in der Urlaubssaison absolute Mangelware. Zu manchen Uhrzeiten hat sich die Seepromenade in eine unendlich lange Autoschlange ohne Anfang und Ende verwandelt. Puerto Varas hat zum Leidwesen der Einwohner nur zwei Zufahrten von der Autobahn. Viele arbeiten in Puerto Montt und wohnen am See, da wurde es häufig eng. Auch die Rückkehr aus dem Nachbarort Ensenada wurde zur Geduldsprobe, die zwei oder mehr Stunden dauern konnte. Staus gab es ständig von Januar bis Februar.
In Petrohue, im Nationalpark Vicente Perez Rosales, wurden bis zu 6.000 Besucher täglich vermerkt – ein absoluter Rekord! Doch die Grünanlage hat auch darunter gelitten. Überall war Müll zu sehen. Der Anblick stört, und die Stadtentsorgung kommt nicht nach. Das ist ein großer Nachteil der Urlaubssaison, mit dem ich persönlich auch häufig am benachbarten Seestrand konfrontiert wurde. Es wurden viele Mülltonnen aufgestellt, doch sie helfen nur in einem geringen Maß, und das ist nicht alles. Die städtischen Wasserkläranlagen sind ebenfalls überfordert. Das zeigt sich an verschiedenen Stellen des Llanquihue-Sees, an denen das Wasser verseucht ist. Das Umweltgleichgewicht ist gestört, und in dieser Saison besonders. Die Bürger sind beunruhigt und appellieren an die Stadtverwaltung.
Der Sommeralltag ist wieder bunt
Straßenkünstler vermehren sich wie Sand am Meer, finden immer ein Plätzchen, um aufzutreten und erschweren den Durchgang der vielen Urlauber. Sie bringen aber auch etwas Farbe und Musik in den Sommeralltag. Auch Handwerkermärkte genießen große Beliebtheit, selbst wenn es nur ein paar glitzernde Steine oder unbekannte Mineralien sind. Mit meinem Enkel wurde ich immer wieder von ungewöhnlichen Steinfunden überrascht. Die fachlichen Erklärungen haben wir amüsiert aufgenommen. Sein Rucksack ist um einiges schwerer geworden.
Auch das Spielcasino war wegen der Pandemie lange Zeit zu. Jetzt ist die Attraktion, die seit Jahrzehnten zur Stadt gehört, wieder täglich geöffnet und immer gut besucht. Uns Einheimische hingegen lockt das Teatro del Lago im benachbarten Frutillar. So langsam werden die Vorhänge wieder geöffnet und das musikalische Angebot ist voll im Gange. Immer wieder überrascht das anspruchsvolle Niveau der verschiedenen Darbietungen. Schon der Anblick mit den Vulkanen im Hintergrund ist überwältigend. Ein Prachtstück mitten in der Natur!
Trotz aller Schwierigkeiten freut sich Puerto Varas über die Besucher und zeigt gerne seine grüne Umgebung, die Seen und Vulkane. Zwar wird zwei Monate lang der gelassene Alltag aus dem Gleichgewicht gebracht und so manches gerät aus den Fugen, das muss man allerdings in Kauf nehmen, wenn man in einer Urlaubsstadt wohnt. Ansonsten lebt es sich hier sehr gut. Die Stadt hat heute mehr als 50.000 Einwohner. Die Einwohnerzahl ist in den vergangenen zehn Jahren um circa 10.000 gestiegen. Es gab viele Zuwanderer und es wurde viel gebaut. Das ist zum Teil ein fraglicher Fortschritt. Puerto Varas ist zurzeit ein teures Pflaster und die Schulen sind überfüllt. Viel Agrarland wird aufgegeben und in Wohngebiete umgewandelt.
Wie alles im Leben gibt es Vor- und Nachteile. Wir sollten uns nur darum bemühen, gerecht und rücksichtsvoll damit umzugehen. Ade Sommer 2022!