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Wilhelm Roehrs und seine Nachfahren in Magallanes

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Auf den Feldern Feuerlands aufgewachsen

Die Arbeit auf den weiten Feldern und Prärien Patagoniens hat die Roehrs geprägt. Der Hamburger Wilhelm Roehrs, der erste deutsch-chilenische Vorfahr dieser in Magallanes bekannten Familie, kam 1890 nach Punta Arenas. Er hat seinen Nachfahren die Liebe zur Natur mit auf den Weg gegeben. 

Familie Roehrs feiert Weihnachten mit Verwandten

Die Deutschen in Magallanes

Es waren besonders zupackende und entschlossene Deutsche, die in die südlichste Region von Chile eingewandert sind: Das wilde, unwirtliche und unfruchtbare Magallanes war sicherlich für Einwanderer im 19. Jahrhundert keine einfach zu besiedelnde Gegend. Doch einen ebenso eisernen Willen wie der Namensgeber Fernando Magellan besaß Wilhelm Roehrs. Magallanes hat allen Schwierigkeiten zum Trotz 1420 die Meerenge entdeckt und sein Nachfolger Kapitän Juan Sebastián Elcano konnte schließlich diesen Weg vor 500 Jahren bei seiner Rückkehr nach Spanien in Europa bekannt machen.

Der Historiker und Rechtswissenschaftler Mateo Martinić Beroš hat mit Hans Roehrs (1920-2011), einem Sohn Wilhelm Roehrs, eng zusammengearbeitet. Der Forscher hat für seine Verdienste für die Kulturgeschichte von Magallanes und Aysén den  Premio Nacional de Historia 2000 und die Ehrendoktorwürde der Universidad de Chile erhalten. Nach dem Tod von Hans, der ihn mit seiner Expertise unterstützt hatte, schrieb Martinić über die deutsche Gemeinschaft in Magallanes und die Familie Roehrs:

«Die deutsche Gemeinschaft war eine der größten Gruppen der nach Magallanes eingewanderten Europäer. In verschiedenen Veröffentlichungen wird sie an fünfter Stelle hinter den Kroaten, Spaniern, Schweizern und Italienern genannt. Schon zu Zeiten von Fernando Magellan ist von einer multikulturellen Besatzung die Rede, in der mehrere Deutsche mitreisten. Und wie könnte man Bernardo Philippi vergessen, der 1843 an Bord des Schoners Ancud die Magellanstraße durchquerte. Jahre später kamen weitere bedeutende Deutsche wie Dr. Francisco Fonk und der Kartograph Fernando Hess, Dr. Robert Pohlmann, der Última Esperanza und Feuerland erforschte, Martin Gusinde, allgemein bekannt für seine ethnologischen Arbeiten, Kapitän Hermann Eberhardt, der für die Besiedlung von Última Esperanza sorgte und Rodolfo Stubenrauch, Pionier der Viehzucht und des Handels, um nur einige zu nennen.»

Der Schriftsteller und Journalist Osvaldo Wegmann Hansen schrieb anlässlich von Johanna Roehrs achtzigstem Geburtstag, dass es im Jahr 1906 «laut der von Dr. Lautaro Navaro durchgeführten Volkszählung 385 Deutsche in Magallanes gab. Diese Zahl stieg auf 400 im Jahr 1925, wie Manuel Zorrilla in einem seiner damals veröffentlichten Werke schreibt.» Er stellte fest, dass man die Deutschen «an einer Hand abzählen konnte», aber dass die Nachkommen zahlreich waren.  Es habe auch eine deutsche Schule, den deutschen Club, den Hilfsverein, den Gesangsverein und die dritte Feuerwehr gegeben. Wegmann berichtete auch, dass um das Jahr 1903 erstmals Rinder- und Schafzucht in Magallanes betrieben wurde.

Über die Familie Roehrs schrieb Martinić, dass «sie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in Magallanes verwurzelt war. Sie waren ehrlich und streng, fleißig und verantwortungsbewusst, aber auch fröhlich und freundlich, was ihnen von Anfang an half, soziale Kontakte zu knüpfen.

Aber so wichtig diese Eigenschaften auch sind, zeichnet die Brüder Roehrs Bahrdt doch besonders ihr Interesse an der Natur und ihre Liebe zur Natur aus. Das lag sicher daran, dass ihr Vater ein Leben lang draußen auf dem Land gearbeitet hat und vom «puestero» (der die Außenbereiche der tausende von Hektar großen Estancia versorgte) bis zum Leiter eines landwirtschaftlichen Hofs aufstieg, was bedeutete, dass seine große Familie ihn während seiner langen Aufenthalte auf den Feldern Feuerlands und Patagoniens begleitete. So wuchsen die Geschwister auf und lernten einerseits das Leben in der Natur kennen, andererseits hatten sie aber auch eine ausgeprägte Beobachtungsgabe, die sie zu außergewöhnlichen Experten machte, die später der Wissenschaft zu wertvollen Erkenntnissen verhalf.» 

Getreideanbau, Jagd und Küchenarbeit

Victorina Teresa (1914-2007) ist es zu verdanken, dass die ungewöhnliche Biografie ihres Vaters erhalten geblieben ist.  Die jüngste der vier Töchter von Wilhelm Roehrs (1869-1939) ist selbst auf der «Estancia Gente Grande» der Familie Hobbs aufgewachsen, wo nur Deutsch oder Englisch gesprochen wurde. Als sie etwa 80 Jahre alt war, hat sie die Familiengeschichte  aufgeschrieben:

Mein Vater Hermann Gustav Wilhelm Roehrs Stapelfeldt wurde am 7. Januar 1869 in Hamburg geboren und sein Vater hieß Hans Heinrich Rudolf Roehrs (1834-1884). Hans war verheiratet mit Ida Margarita Carolina Stapelfeldt, die am 17. Mai 1838 geboren wurde.

Schon in Deutschland arbeitete mein Vater mit 14 Jahren von 5 Uhr morgens bis 23 Uhr abends. Er war vor Erschöpfung halbtot, und sie mussten ihn sogar mit kaltem Wasser übergießen, um ihn aufzuwecken. Später ging er als Einwanderer nach Argentinien, nach Corrientes, um mit einem Freund Mais anzupflanzen, aber jedes Mal, wenn der Mais reif für die Ernte war, kamen die Heuschrecken und fraßen alles auf, sogar das Dach des Hauses, das aus Stroh bestand. Dies machte er drei Mal mit.

Schließlich erzählte er seinem Freund, dass er in den Chaco gehen würde, um Pelztiere zu jagen, was damals ein sehr gutes Geschäft war. Doch die Indianer waren nicht sehr «gesellig» und beschossen sie mit vergifteten Pfeilen. Also wanderte er in die Sierra Ventana, im Süden der Provinz Buenos Aires aus. 

Dort arbeitete er eine Zeit lang als Arbeiter in Tandil. Als er feststellte, dass er dort nichts weiter als ein Arbeiter war, ging er weiter nach Comodoro Rivadavia, wo er eine Zeit lang Koch für die Gefangenen war. Bei näherem Nachdenken wurde ihm jedoch klar, dass das, was er dort lernen konnte, abgesehen davon, dass er immer besser kochen konnte, ihm nicht ausreichte. 

Verlobung auf «Estancia Gente Grande» – Hochzeit in Hamburg

Er setzte seinen Weg nach Río Gallegos fort. Da er dort keine Arbeit fand, wanderte er mit nur 60 Cent in der Tasche nach Punta Arenas, also einen Weg von circa 300 Kilometer. Damals gab es kein anderes Transportmittel als die eigenen Beine oder das Pferd, aber 60 Cent reichten nicht aus, um ein Pferd zu kaufen. 

In Punta Arenas suchte er das Hotel eines Deutschen auf und bat um Kost und Logis im Tausch gegen Arbeit. Dieser war einverstanden und da er sah, dass Wilhelm ein guter Arbeiter war, empfahl ihn sein Arbeitgeber an Rodolfo Stubenrauch, ein Kaufmann und der erste deutsche Honorarkonsul in Punta Arenas. Dieser wiederum empfahl ihn Ernesto Hobbs, seinem Schwager. So kam Papa auf die «Estancia Gente Grande» in Feuerland, wo er als Arbeiter, Schafscherer oder Milchmann – eben alles, was man ihm auftrug – arbeitete.

Er sagte, dass das Schlimmste das Scheren gewesen sei. Denn er schere mit einer großen Schere, und nachts, wenn er schlafe, ziehe er eine Grimasse mit dem Mund und bewege die Hände, als ob er schere, was seine Kameraden zum Lachen bringe, und er wache auf und höre ihr Lachen. 

Wenn er Milch von den Kühen holte, musste er sie in das große Haus bringen. Manchmal sah er Emilia Bahrdt, meine Mutter, die dort die Milchflaschen für Mrs. Hobbs‘ Babys zubereitete. Papa interessierte sich für sie, aber er wusste, dass es so viele gab, die sich für sie interessierten, dass er dachte, dass es hoffnungslos wäre. Bis Mutter ihm eines Tages sagte, dass er ein sehr ansehnlicher Mann sein würde, wenn er sich gut rasieren und seine Stiefel polieren würde. Am nächsten Tag tauchte Papa glatt rasiert auf, und Mama erzählte uns, dass seine Stiefel so stark glänzten, dass sie wie Spiegel aussahen. Als ich Mama und Papa fragte, ob es noch mehr zu erzählen gäbe, lächelten sie nur.

Sie verlobten sich dort in Gente Grande und reisten nach Deutschland, um zu heiraten. Da sie verlobt waren, ging Mama auf ein Schiff und Papa auf ein anderes, denn es galt damals als unmoralisch, zusammen auf einem Schiff zu fahren. Sie hätte mit einer Begleiterin reisen müssen. In Deutschland heirateten sie am 17. August 1901 in Hamburg in der Lindenstraße 15/17, Haus 2. Ich weiß nicht mehr genau, wem das Haus gehörte, vielleicht war es das meiner Großmutter. 

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