Die Maschinisten des Völkermords
El 20 de enero de 1942, una reunión de altos representantes del régimen nazi debatió el asesinato sistemático de hasta once millones de judíos en Europa, una fecha clave en la Shoah.
Berlin (dpa) – Im Sommer hört sie am Schreibtisch die Lautsprecheransagen vom Strandbad Wannsee am gegenüberliegenden Ufer. Im Winter sieht sie den See ganz still vor ihrem Fenster, Krähen krächzen über Uferbäumen. «Es ist die Ambivalenz dieses Ortes, unglaublich schön und unglaublich tragisch», sagt die Direktorin Deborah Hartmann in ihrem Büro im Haus der Wannseekonferenz. «Das ist durchaus verwirrend.»
90 Minuten
Ausgerechnet in diese Berliner Villa am Großen Wannsee hat SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich für den 20. Januar 1942 hohe NS-Funktionäre geladen, um die Ermordung von bis zu elf Millionen europäischen Juden zu planen. 90 Minuten sollten reichen für die Besprechung zur sogenannten Endlösung der Judenfrage. Anschließend Frühstück. Es ist nicht nur der Ort, der verwirrt. 80 Jahre später scheint fast unvorstellbar, wie Menschen diesen beispiellosen Völkermord ersannen und umsetzten, wie sich gebildete Herren in gediegenem Ambiente gegenseitig bestärkten.
Schon Mitte 1941 hatte Heydrich von Reichsmarschall Hermann Göring den Auftrag bekommen, diese sogenannte Endlösung praktisch zu organisieren. Reichskanzler Adolf Hitler hatte die «vollständige Vernichtung der jüdischen Rasse» sogar öffentlich angedroht. Die politische Entscheidung war also längst gefallen, die Maschinerie war bereits angelaufen: mit Erschießungen von Zehntausenden in den von Deutschland in Osteuropa beherrschten Gebieten.
Es wäre ein Missverständnis anzunehmen, die Schoa sei bei der Wannseekonferenz beschlossen worden, sagt Matthias Hass, der stellvertretende Leiter der heutigen Bildungsstätte am historischen Ort. «Die Ebene, die hier sitzt, beschließt nichts, das ist keine politische Entscheidungsebene. Sondern das ist eine Umsetzung von Dingen, die schon stattfinden.» Die 15 NS-Offiziere und -Beamte, die da im Konferenzraum mit Blick auf den Wannsee tagen, sollen – das muss man wohl so sagen – die Todesmaschinerie optimieren.
Es sind Staatssekretäre aus Berliner Ministerien, darunter der später als Präsident des Volksgerichtshofs berüchtigte Jurist Roland Freisler. Es sind Vertreter der NSDAP, des Sicherheitsapparats und der Verwaltung der Ostgebiete. Zentrale Figur ist neben Heydrich der SS-Offizier Adolf Eichmann, Referatsleiter «Judenangelegenheiten und Räumungen» im Reichssicherheitshauptamt.
Mit dem Treffen, so erläutert es Hass, will Heydrich seine Führungsrolle behaupten und die Unterstützung der diversen Verwaltungseinheiten sichern. Zudem gilt es «allen, die das möglicherweise noch nicht wissen mitzuteilen, was eigentlich Endlösung der Judenfrage heißt, nämlich die europaweite Deportation in den Tod, in den Massenmord: «Wir planen die Ermordung von elf Millionen Menschen.»
Das Ziel sei für die Teilnehmer nicht neu gewesen, womöglich aber die Dimension, sagt Hass. Heydrich lässt für den Termin penibel zusammentragen, wo wie viele potenzielle Opfer der geplanten «Sonderbehandlungen» zu finden sind. Dass auch Juden außerhalb des NS-Machtgebiets aufgelistet sind – zum Beispiel 330.000 in England und fünf Mil-lionen in der Sowjetunion – spiegelt wohl die Siegesgewissheit des NS-Apparats in dem 1939 begonnen Weltkrieg.
«Rasend schnelles Mordprogramm»
Die Todesliste ist Teil des Protokolls der Wannseekonferenz. Es führt aus, wie der NS-Staat mit Repression und Verfolgung «auf legale Weise» versucht habe, «den deutschen Lebensraum von Juden zu säubern». Nun seien die «Auswanderungsarbeiten» jedoch zu Ende und an ihre Stelle «als weitere Lösungsmöglichkeit nach entsprechender vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten».
In dieser Sprache geht es in dem von Eichmann verfassten Protokoll auf 15 Seiten weiter: steril, verharmlosend, bürokratisch. Bei der Konferenz selbst sei jedoch nach späteren Aussagen Eichmanns «ganz unverblümt von Massenmord gesprochen worden», schreibt der Historiker Peter Klein vom Berliner Touro College. Niemand habe grundsätzliche Bedenken oder Einwände gehabt. Vielmehr ging es um Kompetenzen, um den Kreis der Opfer, um die Reihenfolge der Deportationen und um effizientere Mordmethoden, etwa Vergiftungen mit Diesel-Abgasen oder dem Giftgas Zyklon B anstelle von Erschießungen.
Nach 90 Minuten war dann wohl tatsächlich alles geklärt. Heydrich hatte seinen Machtanspruch durchgesetzt, die Rollen waren verteilt, das industrielle Morden geplant – mit teuflischer Präzision. Es habe keine Wartezeiten gegeben, keine Staus, keinen Mangel an Zügen – ein «rasend schnelles Mordprogramm», sagt Hass. «Zum Zeitpunkt der Konferenz sind ungefähr 80 Prozent der Opfer noch am Leben. Und eineinhalb Jahre später, im Herbst 1943, sind 80 Prozent tot.» Ermordet, zu Tode gearbeitet, an Krankheiten gestorben, verhungert. Bis Kriegsende 1945 insgesamt sechs Millionen Juden Europas.
Wie vermittelt man das heute Schulklassen bei der Besichtigung der nach Kriegsende zeitweise als Landschulheim genutzten Villa? Wie vermittelt man das überhaupt irgendwem? Matthias Hass hält das nicht für aussichtslos. «Wir haben jetzt Generationen, die viel radikaler bereit sind, die harten Fragen zu stellen», sagt der Vizedirektor.
Warum Menschen dies taten, wie Familienväter und Schöngeister zugleich Maschinisten des Völkermords werden konnten, lasse sich aber vielleicht nie erklären, meint Direktorin Hartmann. «Ich glaube, damit müssen wir lernen zu leben, dass manche Dinge einfach grau bleiben und nicht eindeutig zu beantworten sind.».