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Ana María und Betty treffen sich nach 83 Jahren

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«Das ganze Leben hat sie auf mich gewartet»

Ihr erstes Wiedersehen nach 83 Jahren: Die jüdischen Freundinnen Ana María Wahrenberg und Betty Grebenschikoff in Florida

Unglaubliche Zufälle führten sie wieder zusammen: Im Jahr 1939, vor 83 Jahren, mussten sich die beiden achtjährigen jüdischen Freundinnen Annemarie Wahrenberg und Ilse Kohn in Berlin verabschieden – für immer, so schien es bis letztes Jahr. Am 5. November trafen sich die beiden 93-jährigen Frauen in Florida zum ersten Mal persönlich wieder.

Über 80 Jahre lang hatte keine der beiden Frauen je wieder voneinander gehört. Einige Zeit nach der sogenannten «Reichskristallnacht», dem Pogrom am 9. November, nahmen die zwei besten Freundinnen Abschied voneinander. Die Lage in Nazi-Deutschland war immer gefährlicher geworden und die beiden Eltern der Kinder hatten entschieden, aus dem Land zu fliehen. 

Bettys Familie kam zunächst nach China und zog später mit ihrem Mann in die USA, Annemarie und ihre Eltern wurden in Chile aufgenommen. Heute heißt sie Ana María Wahrenberg und lebt in Vitacura. Die gleichaltrige beste Freundin von damals heißt heute Betty Grebenschikoff und wohnt in St Petersburg in Florida. 

Stark beeindruckt hat Ana María Wahrenberg der feste Wille ihrer Freundin, sie wiederzufinden: «Sie hat nicht locker gelassen hat – das hat uns wieder zusammengeführt. Das ist doch unglaublich: Das ganze Leben hat sie auf mich gewartet! Das haben mir bei unserem Treffen in Sankt Petersburg ihre Töchter bestätigt.» Sie fügt hinzu: «Wenn man mit jemanden solch schwere Zeiten, wie wir beide, durchmachen muss, dann verbindet das sehr.» Betty Grebenschikoff sei der einzige Mensch, mit dem sie ihre Erinnerungen teilen kann: «Sie weiß noch, wie schlimm mein Vater aussah, als er nach der Gefangennahme am 9. November 1938 und einigen Wochen im KZ wieder nach Hause kam.»

Vor über zehn Jahren begann Betty damit, Vorträge über ihre Vergangenheit im «Dritten Reich» zu halten. Dabei betonte sie immer wieder, dass sie hoffe, irgendwann ihre Freundin Annemarie wiederzusehen. Vor einigen Jahren hatte auch Ana María in Santiago dieselbe Erinnerungsarbeit begonnen. Im November 2020 hielt sie pandemiebedingt einen vom Museo interactivo judio organisierten Zoom-Vortrag über den Novemberpogrom 1938 und nannte auch den Namen ihrer Freundin Ilse. Eine Zuhörerin war eine Mitarbeiterin der Shoa Foundation. Diese recherchierte nach und so fanden die beiden Frauen– zunächst per Zoom – wieder zueinander.

Nun haben die beiden Freundinnen mit Hilfe ihrer Kinder ein Treffen von vier Tagen in St. Petersburg in Florida, dem Wohnort von Betty, organisiert. «Wir haben aber nicht geweint, als wir uns nach den 83 Jahren wiedersahen», meint Ana María. Sie und ihre Freundin haben diese gemeinsamen vier Tage einfach genießen wollen. Ihr Sohn Victor begleitete sie aus Santiago nach Miami und dann mit dem Auto nach St Petersburg. «Zuerst haben Betty und ich mit Sekt miteinander angestoßen», erzählt sie. Es sei erstaunlich, wie schnell sie beide wieder zueinander gefunden hätten. Die US-Amerikanerin war nie wieder nach Deutschland zurückgekehrt und hat auch kaum Deutsch gesprochen. Doch seit ihrem Zusammenfinden Ende 2020, treffen sich beide Freundinnen regelmäßig jeden Sonntag online. Gemeinsam sahen sie sich die Fotoalben Bettys an. Die von Ana María waren bei der Schiffsreise nach Chile verloren gegangen. 

Nun will sie mit neuem Elan ihre Erinnerungsarbeit fortsetzen, denn sie meint: «Diese vier Tage gemeinsam mit Betty waren wie eine Vitaminspritze für mich.» 

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