«Das Schönste an Patagonien sind die Menschen»
Bis heute lebt und arbeitet Gloria Vilicic in ihrer Heimat Magallanes. Hier setzt sie sich für Windenergie ein: Seit April 2021 vertritt sie das französische Unternehmen Total-Ener bei der Entwicklung von grünem Wasserstoff in dieser südlichsten Region Chiles, um das Projekt Haru-Oni voranzutreiben. In diesem Jahr ist die Unternehmerin zum Vorstandsmitglied der AHK gewählt worden.
Am 26. Januar 1953 in Punta Arenas geboren, wuchs Gloria Vilicic mit ihren Geschwistern Eugenio, Cecilia, Jorge und Sergio bis zu ihrem sechsten Lebensjahr in Río Verde auf. Das Städtchen mit nur etwa 600 Einwohnern liegt am Pazifikarm Seno Skyring nördlich der Magellanstraße in der Nähe der Insel Riesco. Ihr Vater Jorge Vilicic Milos war Schafzüchter und später Inhaber der Baufirma Maderas San Vicente in Punta Arenas – von ihm hat sie die kroatische Staatsangehörigkeit übernommen und ist auβerdem Chilenin seitens ihrer Mutter Manuela Peña Fernández.
«Bis heute lebe und arbeite ich in Magallanes, einer Zone, in der Santiago von uns isoliert zu sein scheint – etwas, das der großstädtische Zentralismus nicht immer versteht. Um hier glücklich und zufrieden zu sein, braucht es Kraft und Anpassungsfähigkeit, aber auch familiäre Vertrautheit und Verbundenheit. Ich finde es gut, dass eine so extreme Region zu einem Motor der zukünftigen Entwicklung wird», hebt sie hervor. Schon länger hatte Gloria Vilicic sich für Windenergie in Magallanes eingesetzt, und seit April 2021 vertritt sie das französische Unternehmen Total-Ener bei der Entwicklung von grünem Wasserstoff in der südlichsten Region Chiles. Es handelt sich um das Projekt Haru-Oni, über das der Cóndor bereits berichtete und das von einem Konglomerat von Unternehmen entwickelt und realisiert wird. «Über Total-Ener wurde ein Vertrag mit hiesigen Viehzüchtern über die Durchführung von Windstudien abgeschlossen. Die Einfuhr und Installation der Mega-Windturbinen, die Errichtung einer Entsalzungsanlage, die Infrastruktur eines Hafens für die Ausfuhr des Endprodukts und die Hochspannungsmasten für den Transport der erzeugten Energie gehören ebenfalls dazu».
Doch zunächst studierte Gloria Pädagogik an der Universidad de Chile, Krankenpflege an der Universidad Técnica del Estado, machte einen Abschluβ als Betriebswirtin am Inacap und arbeitete dann als Verwalterin des Rinder- und Schafzuchtunternehmens Estancia Gloria auf der Insel Riesco. Heute ist sie an mehreren Unternehmen beteiligt und unterstützt diese mit ihrer langjährigen Erfahrung bei der Lösung von Problemen in abgelegenen Regionen und Gebieten, unter anderem als Produktmanagerin des Logistikunternehmens Distribuidora Galicia S.A., als Verkaufsleiterin und Partnerin von Maderas San Vicente und als Vorstandsmitglied der Baufirma Constructora Vilicic S.A. Kenntnisse über das öffentliche System konnte sie als Stadträtin der Gemeinde Río Verde sowie als Gouverneurin der Provinz Magallanes erwerben.
2019 wechselte sie zu Patagonia’s Beef SpA, einem Fleischimport und –exportunternehmen, bei dem sie ebenfalls im Vorstand tätig ist und erfolgreiche Geschäftsbeziehungen zu regionalen Unternehmen aufbaut. «Seit 2017 ist Patagonia’s Beef Mitglied der AHK Chile, und seither beteilige ich mich am Komitee Industrie 4.0 und Innovation. Mit dem Input der Kammer konnte und kann ich diverse Initiativen in Landesregionen unterstützen», betont sie. 2021 wurde Gloria zum Vorstandsmitglied der Kammer gewählt. «Wirtschaftliche Unternehmensentwicklung findet nicht in einem philosophischen Vakuum statt, vielmehr sind es Ideen bezüglich der Regionalität, der Gleichberechtigung und des Vertrauens in die wirtschaftliche Freiheit, die ich in die Arbeit der AHK aus meiner Perspektive einbringen kann. Andererseits bietet sie als gröβte binationale Kammer des Landes all ihren Mitgliedsfirmen einen Raum und eine Plattform für Austausch und Unterstützung.»
Die vielbeschäftigte Frau, die in ihrer wenigen Freizeit Ölbilder malt, ist daneben Gründerin von Magallanes Competente, ein aus großen, mittleren und kleinen Firmen gebildetes regionales Unternehmen, das sich der Zertifizierung von Arbeitskompetenzen, der dualen Berufsausbildung, der Innovation und dem Technologietransfer in Magallanes widmet, wobei sie auch hier die Expertise der AHK Chile nutzen kann.
«Ich möchte mit meiner Erfahrung als Unternehmerin aus einer extremen Landesregion dazu beitragen, die Zusammenarbeit von Unternehmen in Magallanes mit nationalen und deutschen Partnern zu fördern. Und schließlich sollte auch der faire Handel mit den regionalen indigenen Gemeinschaften gefördert werden, die ihre Kulturen, Sprachen und Bräuche in ihren angestammten Gebieten erhalten wollen.» Hier engagiert sie sich in nachhaltigen Projekten, beispielsweise mit der Firma Jetarkte der indigenen Kawesqar in Puerto Edén. Im August präsentierten sie deren Lachs-Chips, die über ProChile in Washington zunächst in den USA vermarktet werden sollen.
«Ich lebe mit meiner 94 Jahre alten Mutter Manuela zusammen. Am liebsten essen wir unseren eigenen Räucherlachs, frische Königskrabben (Centolla) oder eine leckere Cazuela (Fleisch-Gemüse-Eintopf). Ich habe keine Kinder, aber eine große Familie, die mir Respekt und Zuneigung entgegenbringt. Als ‚Macherin‘ denke ich bei jedem Projekt immer erst darüber nach, wie ich mit meinen Ideen anderen helfen kann, ihr Leben zu verbessern. Für mich sind die hier lebenden Menschen das Schönste an Patagonien.»