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60 Jahre Verein der Österreicher in Chile

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Vom sozialen Engagement zum Erleben eines Stück Heimat

Von Ulrike Dabsch, Paula Jezierski und Herbert Poppen 

El Verein der Österreicher in Chile promueve la cultura austriaca en Chile y el intercambio entre austriacos y chilenos desde 1961. Si bien en sus inicios la asociación organizaba más proyectos benéficos, hoy en día organiza actividades conjuntas para todo aquel que quiera vivir un trozo de Austria en Chile.

Die Beziehung zwischen Österreich und Chile beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts. Chile war das erste Land der ehemaligen spanischen Kolonien in Südamerika, das von der Habsburgermonarchie anerkannt wurde. Ein Briefwechsel zwischen dem damaligen chilenischen Präsidenten Manuel Bulnes und Kaiser Ferdinand I. von Österreich in den Jahren 1846/47 legte den Grundstein für die Gründung der damaligen neun Honorarkonsulate, das erste und wichtigste davon war das Generalkonsulat in Valparaíso. 

Das Interesse an Chile war vor allem wirtschaftlicher Natur. Zwischen 1850 und 1860 wanderten die ersten Österreicher nach Chile aus. Es handelte sich dabei um Zillertaler, die ihre Heimat aus Glaubensgründen verlassen mussten, danach in Schlesien aufgenommen wurden und schließlich ein Immigrationsangebot von Chile annahmen und hier größtenteils am Ufer des Lago Llanquihue angesiedelt wurden. Weitere deutschsprachige Einwanderer kamen 1875 aus Böhmen und gründeten die Stadt Nueva Braunau in der Nähe von Puerto Varas, zu Ehren ihrer ehemaligen Herkunft Braunau, heute Broumov genannt.

«Austriaco» statt «alemán»

Die Geschichte unseres Vereins beginnt allerdings im Jahr 1938 mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Viele Österreicher, vor allem jüdischer Abstammung, mussten damals das Land verlassen und viele gelangten nach Chile, wo im Jahr 1940, federführend von Dr. Karl Feldmann, das «Movimiento Austria Libre» gegründet wurde. «Austria Libre» veranstaltete nicht nur kulturelle und soziale Aktivitäten aller Art, mit deren Einnahmen in Not geratene Österreicher unterstützt wurden, sondern übernahm vor allem die offizielle Vertretung der, durch die Auflösung von Österreich als selbständiger Staat, heimatlos gewordenen Österreicher. Der größte Erfolg zweifelsfrei aber war, dass, obwohl es zu dieser Zeit keinen österreichischen Staat gab, die chilenischen Behörden in den Personaldokumenten der Immigranten «austriaco» statt «alemán» vermerkten.

Die Unsicherheit um das politische Überleben des österreichischen Staats, der Drang, die Beziehungen zu anderen Österreichern aufrechtzuerhalten, die gegenseitige Unterstützung, die gemeinsame Herkunft und Pflege der Sprache, die Aufrechterhaltung der heimatlichen Traditionen und Bräuche sowie die Verfolgung gleicher Interessen, hat vorübergehend verschiedenste österreichische Gruppierungen in Chile entstehen lassen. So gab es beispielsweise den «Wiener Club», ein regelmäßiges zwangloses Treffen von Österreichern in einem Kaffeehaus; die «Sociedad Médica Austro-Chilena», zu der österreichische Ärzte gehörten; die «Logia Mozart», eine Freimaurerloge; sowie die «Unión Austriaca», einen ersten Verein der Österreicher in Chile. Auch erwähnenswert ist der «Círculo de Damas Austriacas», der die verschiedensten Wohltätigkeitsveranstaltungen organisierte und der auch die Grundlage für die später entstandenen SOS-Kinderdörfer in Chile bildete. 

19 Gründer 

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Wiederherstellung Österreichs als unabhängiger Staat, hatte «Austria Libre» sein größtes politisches Ziel erreicht und löste sich auf. Die Österreicher in Chile wollten aber weiterhin formell ihre Beziehungen untereinander pflegen, und so kam es, dass, mit der Unterstützung des damaligen Botschafters Dr. Paul Zedtwitz, am 25. November 1960 die Statuten des Vereins «Asociación Austriaca de Chile» von den 19 Gründern unseres Vereins notariell unterzeichnet wurden. Mittels eines Dekrets des Justizministeriums wurde dem Verein Rechtspersönlichkeit verliehen. Dieses wurde am 7. April 1961 protokolliert, im «Diario Oficial» veröffentlicht und somit begann die Geschichte des neu gegründeten Vereins der Österreicher in Chile. 

Die ursprünglichen Zielsetzungen des Vereins sind im Großen und Ganzen bis heute erhalten geblieben: 

1. Den allgemeinen Interessen der Österreicher und deren in Chile ansässigen Nachfahren nachzukommen, den Kontakt zwischen ihnen zu ermöglichen, ihre Freundschaften zu vertiefen und gemeinsame Initiativen zu fördern; 

2. die Kenntnis und das Verständnis österreichischer Traditionen, Bräuche sowie genereller Bestrebungen in Chile zu verbreiten;

3. den kulturellen und wirtschaftlichen Austausch zwischen Chile und Österreich zu fördern und die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Völkern zu verstärken;

4. in Not geratenen Österreichern und deren in Chile ansässigen Nachkommen zu helfen.

Der erste Präsident des Vereins war Dr. Paul Krassa, einer der Gründer, dem für seine Verdienste um die Republik Österreich im Jahr 1965 ein Ehrenzeichen vom österreichischen Bundespräsidenten verliehen wurde.

Escuela República de Austria und SOS-Kinderdörfer

Während seiner ersten 30 Jahre engagierte sich der Verein vor allem im karitativen Bereich. Es wurden kulturelle, soziale und gesellschaftliche Treffen aller Art durchgeführt, ebenso standen Verlosungen, Bingos und Spendenaktionen auf der Tagesordnung. Auch gab es regelmäßige Heurigenabende mit Tombola sowie Abendessen zugunsten von wohltätigen Zwecken. Die Einnahmen dieser Veranstaltungen kamen einerseits bedürftigen Österreichern in Chile zugute, andererseits wurden damit auch drei große Projekte – mit Bezug zu Österreich – unterstützt. Das soziale Engagement wurde während dieser Jahre großgeschrieben. 

Der persönliche Einsatz des langjährigen Vereinsvorsitzenden Josef Schumy – er leitete den Verein ab den 1980er Jahren und das fast 30 Jahre lang – hat wesentlich zum Erfolg der Projekte beigetragen, vor allem zu der 1966 gegründeten «Escuela República de Austria». Die Schule befindet sich im Stadtteil Estación Central in Santiago und bietet Unterricht für Kinder vom Vorschulalter bis zum Abschluss des achten Pflichtschuljahres an. Mit zahlreichen Geldspenden konnten bauliche Verbesserungen in der Schule und sogar der Bau eines neuen Klassenzimmers finanziert werden. Auch wurden den besten Schülern Stipendien gewährt. 

Im Jahr 1965 wurde das erste «SOS-Kinderdorf» in Chile ins Leben gerufen und sowohl vom Verein als auch von österreichischen Firmen und Institutionen finanziell gefördert. Im Jahr 2009, zum 60. Jahrestag von der international tätigen Organisation «SOS-Kinderdorf», gegründet von dem Österreicher Hermann Gmeiner, wurde vom Verein, unter der Schirmherrschaft des damaligen Botschafters Dr. Wolfgang Angerholzer, eine ansehnliche Spende für die Ausstattung des bereits 14. Kinderdorfs in Chile überreicht. 

Die heutige «Bomba República de Austria», die »Séptima Compañía del Cuerpo de Bomberos Metropolitano Sur», steht dank des Einsatzes des damaligen Botschafters Dr. Walther Lichem seit 1984 unter dem Ehrenschutz der Republik Österreich und ist seitdem berechtigt das österreichische Staatswappen auf Feuerwache, Fahrzeugen, Uniformen und Briefpapier zu tragen. Mehrmals wurden vom Verein Spendenaktionen organisiert und auch Besuche, wo Klein und Groß die Übungen für die Einsätze der Feuerwehrleute mitmachen durften. 

Neubeginn des Vereins

Ab Mitte der 90er Jahre gab es immer weniger Aktivitäten des Vereins. Die meisten Gründer waren bereits verstorben und auch der Großteil der damaligen Mitglieder gehörte den älteren Generationen an. Die deutsche Sprache war ein Muss während der ersten Vereinsjahre, jedoch wurde sie von vielen in Chile geborenen Nachkommen von Österreichern bald schon nicht mehr gesprochen. Die jüngeren Generationen hatten, zusätzlich zur Sprachbarriere, oftmals nicht die finanziellen Möglichkeiten wohltätige Zwecke zu unterstützen. Besonders attraktive Aktivitäten für junge Leute wurden im Verein auch nicht angeboten. Sicherlich hatte auch der technologische Fortschritt einen großen Einfluss auf das träge Vereinsleben. Die Verbindung mit anderen Österreichern in Chile war für viele nicht mehr vorrangig. Mit der Verbreitung des Internets lag die Heimat gerade mal einen Mausklick entfernt oder man setzte sich in das nächste Flugzeug, um Familie und Freunde zu besuchen. 

Im Jahr 2009, mit aktiver Unterstützung des damaligen Botschafters Dr. Wolfgang Angerholzer, ist es zur Neuaktivierung und Neuorientierung des Vereins gekommen. Es wurden zahlreiche Österreicher zu einer Versammlung eingeladen, um einen neuen Vorstand zu wählen. Federführend sind an dieser Stelle die damaligen Vereinsvorsitzenden  Peter Moldovanyi und Herbert Poppen zu erwähnen. Während Peter Moldovanyis Ziel war, den Verein nach dem jahrelangen Brachliegen wieder funktions- und rechtsfähig zu machen, was ihm auch erfolgreich gelang, leitete danach Herbert Poppen genauso erfolgreich einen Generationswechsel ein. 

Osterjause, Laternenumzug und Nikolofeier

Der Verein begann unterschiedliche Aktivitäten für Familien und Kinder anzubieten, um so vor allem jungen österreichischen Familien, zum Beispiel aus beruflichen Gründen in Chile waren, die Möglichkeit zu geben, ihren Kindern die heimatlichen Traditionen nicht vorzuenthalten. So konnte man sich mit Gleichgesinnten treffen, sich über Erfahrungen in Chile austauschen und gemeinsam ein Stück Heimat erleben. Die deutsche Sprache war nicht mehr ausschlaggebend für das Vereinsleben, da viele Lebenspartner der Mitglieder nur Spanisch sprachen. Die jungen «neuen» Österreicher haben einen erfrischenden Beitrag zum Verein geleistet, da sie die heutige Sprache sowie die aktuellen Bräuche mit sich brachten. Diese Bereicherung führte zu neuen Aktivitäten, bei denen sich alteingesessene und neue Österreicher ergänzten. 

So sind heute die Osterjause, der Laternenumzug und die Nikolofeier bereits zu einem fixen und beliebten Bestandteil unserer Aktivitäten geworden und nicht mehr aus unserem Programm wegzudenken. Die Suche nach versteckten Osternestern, das Bemalen von Ostereiern, das Basteln der eigenen Laterne, der Besuch des Heiligen Nikolaus, das Zubereiten von selbstgemachten Weihnachtskeksen, das Singen von bekannten österreichischen Liedern sowie das Verkosten von österreichischen Spezialitäten finden heute bei den Mitgliedern und Freunden großen Anklang. 

Und auch die Größeren und Älteren sollen nicht zu kurz kommen. Neben geselligen Stammtischen, Konzerten, Vorträgen aller Art, erlebnisreichen Ausflügen, gemeinsamen Wanderungen und Skitagen sowie interessanten Besuchen von österreichischen Firmen in Chile, bleibt vor allem der Jubiläumsball anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Vereins, der im Mai 2011 im Club Suizo veranstaltet wurde, in großer Erinnerung (siehe Seite 5).

Offen für alle Österreich-Interessierten

Es ist deutlich erkennbar, wie sich die Motivationen der Österreicher, sich an der «Asociación Austriaca de Chile» zu beteiligen, seit der Gründung des Vereins verändert haben. Nichtsdestotrotz steht weiterhin – wenn auch in anderer Art und Weise – der Kontakt zu Österreichern beziehungsweise zu Österreich selbst im Vordergrund. Sind es bei älteren Mitgliedern und Nachkommen von alteingesessenen Österreichern in Chile oftmals sentimentale Gründe, repräsentieren gerade die jüngeren Generationen ein anderes neues Österreich, das aber weiterhin Wert auf den Erhalt der österreichischen Kultur legt. Auch die Tatsache, dass die deutsche Sprache heute keine Voraussetzung mehr für die Teilnahme am Verein ist, öffnet die Türen für alle Österreich-Interessierten. Das heutige Direktorium des Vereins blickt stolz auf eine breitgefächerte Mitgliederliste, die mit Online-Aktivitäten erfolgreich die Pandemie überbrückt hat. 

Der Verein der Zukunft wird von den Mitgliedern der Zukunft bestimmt werden. Die heutigen Motivationen und die Gestaltung des Vereins waren für die Gründer so unvorhersehbar wie für uns vor zwei Jahren die heutige Pandemie. So freuen wir uns auf die Überraschungen, die uns die Zukunft bringen wird und laden alle Österreicher und Herzensösterreicher ein, gemeinsam mit uns die Heimat zu erleben und die weitere Geschichte des Vereins zu schreiben.

Wer Interesse am Österreicher Verein hat, der kann sich hier informieren:

  • infor@austriacos.cl
  • www.austriacos.cl 

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