Der Weltbürger
Seit September 2020 ist Stephan Vavrik österreichischer Botschafter in Chile. Auf drei Kontinente hat ihn seine Laufbahn bisher verschlagen. Besonders die Arbeit für die EU in Brüssel sowie die Kultur- und Umweltpolitik waren wichtige Arbeitsbereiche für den bilingualen Diplomaten.
Stephan Vavrik ist mit seiner Frau Dr. Ursula Vavrik bereits seit 35 Jahren im diplomatischen Dienst weltweit unterwegs. Vor einem Jahr ist das Ehepaar in Santiago angekommen – nicht ihr erster Aufenthalt in Südamerika. 1988 war Vavrik als Kultur- und Presseattaché an der Österreichischen Botschaft und 2015 ein zweites Mal als stellvertretender EU-Botschafter nach Mexiko gekommen. In Chile fasziniert ihn die 4.000 Kilometer lange Küste und die unterschiedliche Fauna und Flora, die in den verschiedenen Klimazonen zuhause sind. «Die drei „Torres del Paine“ hatten meine Frau und ich auch bereits die Gelegenheit bei bester Sicht zu erleben», erzählt er von seinem Besuch im Nationalpark.
Von klein an begeisterte es Stephan Vavrik, neue Länder kennenzulernen. Da auch sein Vater Harald Vavrik als Diplomat im Außenministerium tätig war, ist er mit seinen Eltern und seinem Bruder schon als Kind alle drei bis vier Jahre in ein anderes Land umgezogen. Der in Genf geborene Österreicher empfand es zwar «als nicht einfach, immer wieder neu anfangen zu müssen, Freunde zu verlieren und neue gewinnen zu müssen. Gleichzeitig habe ich die andere und neue Kultur und Sprache aber immer auch als Bereicherung empfunden».
Durch seinen Familienhintergrund lernte Vavrik nicht nur das Leben als Diplomat kennen, sondern auch den besonderen Auftrag dieses Berufs. Sein eigener Vater erlebte den Zweiten Weltkrieg und auch dass viele Menschen gegen Franzosen Ressentiments hegten. «Die Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich hat drei Kriege nach sich gezogen», stellt Vavrik fest und berichtet über die Erfahrungen seines Vaters in den 1950er Jahren: «Als er ein Studienjahr in Paris verbrachte und Franzosen kennenlernte, merkte er bald, dass sie auch keine anderen Menschen waren als wir Österreicher.» Daher sieht der Botschafter als eine wichtige Aufgabe für sich, zwischen den Kulturen zu vermitteln und auf diese Weise einen Friedensdienst zu leisten.
Bei seinem Studienaufenthalt hatte sein Vater nicht nur seine Meinung über die Franzosen im Allgemeinen revidiert: In Paris hatte er auch seine spätere Frau und Stephan Vavriks Mutter kennengelernt. «Daher ist Französisch neben Deutsch auch meine Muttersprache», erklärt er. Nach dem Bakkalaureat begann der junge Mann Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zu studieren und spezialisierte sich auf das Bankenwesen. An der Wirtschaftsuniversität Wien lernte er auch seine Frau Ursula kennen. Kaum hatte der 24-Jährige das Studium beendet, entschied er sich, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Nach der erfolgreichen Teilnahme am Concours trat er in den auswärtigen Dienst ein. «Mosambik, eines der ärmsten Länder der Welt, wurde 1986 meine erste Station – und gleich ein Härtetest für unsere junge Ehe», erinnert er sich. Als Teilnehmer beim Junior Professional Officer Programm war er zum United Nation Development Programm in Maputo gesendet worden.
Im Rückblick erachtet Vavrik die Jahre in Brüssel als eine besonders wichtige Zeit für sein Schaffen: 1997 bis 2001 war er Botschaftsrat bei der Europäischen Union während der ersten österreichischen EU-Ratspräsidentschaft und war zuständig für das Europäische Parlament, Lateinamerika und Asien. Ein zweites Mal kam er von 2006 bis 2011 als österreichischer Vertreter für die Verhandlungen der EU-Entwicklungszusammenarbeit in die belgische Hauptstadt. «Immerhin 70 Prozent der Gesetzgebung der EU-Länder sind im Rahmen der EU-Kooperation entwickelt worden und nur 30 Prozent basieren auf alleiniger nationaler Kompetenz», betont der Botschafter.
Grundsätzlich sei für seine Arbeit als Diplomat der EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 sehr wichtig gewesen, der bei seinem Berufseintritt neun Jahre vorher noch undenkbar war: «Für ein kleines Land wie Österreich war der Beitritt nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch auf diplomatischer sehr bedeutsam. Die Kooperation zwischen den EU-Diplomaten ist die Stütze unserer Außen- und Wirtschaftspolitik.»
Eine große Rolle spielte die Umweltpolitik für seine Arbeit von 1990 bis 1994 in Kenia. Als stellvertretender Leiter der Österreichischen Botschaft war er in Nairobi und beim Umweltprogramm der Vereinten Nationen in Nairobi tätig. «Diese UN-Organisation begann damals an der Entwicklung multinationaler Umweltabkommen entscheidend mitzuwirken», unterstreicht er.
Auch die Kultur stand immer wieder im Mittelpunkt seiner Aufgaben: Zunächst bei seiner Arbeit ab 1988 als Kultur- und Presseattaché in Mexiko, dann in den Jahren ab 1995 und ab 2001 beim Österreichischen Kulturinstitut in Paris und schließlich, als Vavrik 2015 für fünf Jahre für die multilaterale Kulturpolitik im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten in Wien zuständig war. «Ich selbst empfinde mich als Weltbürger», stellt der Diplomat fest. Angesichts der globalen Probleme, die wie die Corona-Pandemie, aber auch Klimawandel und Terrorismus keine Grenzen kennen, sei es noch wichtiger auf Überzeugungskraft und Toleranz, die sogenannte «Soft Power», zu setzen. Darum sieht Stephan Vavrik den österreichischen Nationalfeiertag am 26. Oktober als Gelegenheit, um Österreicher und Chilenen einzuladen, den Dialog miteinander und das gegenseitige Kennenlernen zu fördern. Er und seine Frau hoffen, dass 2022 – nach Überwinden der Pandemie – auch wieder ein persönliches Kennenlernen in der Residenz möglich sein wird.