Wo sich die Kulturen von heute und morgen begegnen
Von Johannes Hausen Kommunikationsabteilung der Corporación Educacional Federico Froebel
Innovation hat Tradition an der Deutschen Schule Santiago. Und da Not erfinderisch macht, blicken wir anlässlich des runden Geburtstages in diesem Jahr nicht nur auf eine Geschichte voller gemeisterter Herausforderungen zurück – wir gehen sogar gestärkt aus der Pandemie hervor und mit vereinten Kräften Richtung Zukunft.
Was ist eine Pandemie? Noch vor zwei Jahren hätten wir auf diese Frage wohl nicht wirklich eine Antwort gehabt. Hätte uns damals jemand erzählt, wie wir unter Corona-Bedingungen Unterricht machen, gegenseitig aufeinander achten, die Gemeinschaft zusammenhalten würden – wir hätten wahrscheinlich abgewunken und gesagt: «Unmöglich! Nicht machbar». Doch wir haben es geschafft. Obwohl wir auf Distanz gehen mussten, steht die Deutsche Schule Santiago im Jahr 2021 so nah zusammen wie nie zuvor.
Starkes Leitbild
Unsere Unterrichtsmodelle und außerunterrichtlichen Aktivitäten sind vielfältiger und reichhaltiger denn je. Die Digitalisierung und technologische Ausstattung der Schule ermöglichen uns eine beispiellose Flexibilität. In eigens entworfenen Workshops lernen Lehrer, Angestellte und Schüler emotionale Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen.
Geholfen, all das inmitten einer Pandemie zu erreichen, hat uns vor allem unser starkes Leitbild. Seit 130 Jahren bilden wir junge Menschen zu kompetenten Persönlichkeiten aus, die einen Mehrwert zur Gesellschaft beitragen. Dieses Ziel haben wir trotz Corona zu keinem Zeitpunkt aus den Augen verloren. Ganz im Gegenteil. Denn es sind vor allem die herausfordernden Momente des Lebens, in denen ein klares Ziel den Weg nach vorne ebnet. Seit der Gründung unserer Schule am 3. März 1891 hat es an solchen Herausforderungen nicht gemangelt. Die Deutsche Schule erlebte Phasen voller Umbrüche, Krisen und Neuentwicklungen – sowohl im Inneren als auch in Bezug auf die äußeren Bedingungen politischer und gesellschaftlicher Natur in Deutschland und Chile. Und so standen nicht nur unsere Schüler stets im Mittelpunkt ihres eigenen Lernprozesses; auch die Lehrerschaft, Vorstände, Schulleitung und Angestellten waren fortwährend gefordert, sich neu zu erfinden, ohne das Bewusstsein für unsere Traditionen und Wurzeln zu vernachlässigen.
Von 89 auf 2.150 Schüler
Eine Vision allein ist dabei natürlich nicht ausreichend. Ebenso essenziell war für uns die gegenseitige Unterstützung innerhalb unserer Gemeinschaft. Sie zeichnet sich heute wie gestern durch Vielfalt, Respekt und Kooperationsbereitschaft aus. Nur durch gemeinsame Anstrengungen konnten wir es schaffen, die allerersten 89 Schüler an unserem ersten Sitz in der Straße Almirante Barroso in Empfang zu nehmen und gut 60 Jahre später, nämlich 1949, nach Providencia in die Straße Antonio Varas umzuziehen. Unsere tatkräftigen Bemühungen trugen Früchte, gemeinsam eröffneten wir 1951 einen zweiten Sitz, dieses Mal in Ñuñoa. 1965 einen weiteren in Las Hualtatas und schließlich 1969 in Vitacura. Seit gut 31 Jahren haben wir nun unseren Hauptsitz in Las Condes. Die einstige Schülerzahl von 89 hat sich auf über 2.150 junge Menschen vervielfacht, die wir an drei Sitzen vom Prekindergarten bis zum Abitur oder zur Licenciatura de Enseñanza Media an ihre Aufgabe heranführen, ihre individuellen Fähigkeiten zu entwickeln und in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.
Lebhaftes Zeugnis des Erfolgs der Deutschen Schule Santiago als multikulturelle pluralistische Bildungs- und Begegnungsstätte geben unsere Absolventen. Seit unseres Bestehens haben viele unserer Schüler über erfolgreiche Karrieren in so unterschiedlichen Disziplinen wie Kunst, Politik, Sport, Medizin, Wissenschaft, Journalismus, Ingenieurwesen, Musik oder Bildung einen nachhaltigen gesellschaftlichen Beitrag geleistet.
Bildung und Digitalisierung auf neustem Stand
Die Bedeutung von interdisziplinärer Kooperation bei der Lösung eines gesamtgesellschaftlichen Problems ist wohl selten so deutlich hervorgetreten wie in diesem und dem vergangenen Jahr durch Covid-19. In einer globalisierten Welt können sich die Gesellschaften von morgen eine rein fachspezifische Perspektive auf die Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr leisten. Wir tragen diesem Umstand mit einem regen Austausch zwischen den einzelnen Unterrichtsfächern Rechnung und stellen fächerübergreifende Projekte auf die Beine.
Akademische Exzellenz, staatsbürgerliche und demokratische Werte sowie die Fähigkeit, in einer technologisierten Welt kritisch zu hinterfragen und effizient zu kommunizieren, sollen auch weiterhin ein Markenzeichen unserer Schulausbildung sein. Unser neues schulpsychologisches Team unterstützt uns dabei ebenso wie das in der Pandemie entstandene Digital-Team, das sich darum kümmert, alle Kollegen stets auf dem aktuellen Stand zu halten. Denn die Anschaffung von Chromebooks für alle Schüler und Lehrer, die Einführung von Classroom, Schoolnet, WebUntis und Co sind nur der Grundstein für eine umfassende Digitalisierung des Schulbetriebs. Neue Technologien ermöglichen uns nicht nur die heute notwendige Spontaneität, zwischen Präsenz- und Onlineunterricht beliebig wechseln zu können, sie sind auch die Basis dafür, kommende Herausforderungen zu meistern und unseren pädagogischen Fähigkeiten mehr Freiheit zu verleihen.
Durch die umfassende Digitalisierung, die wir weiterhin vorantreiben, können wir außerdem traditionsreiche Bräuche innerhalb der Gemeinschaft noch bewusster in Szene setzen und bis in die heimischen Wohnzimmer unserer Familien transportieren, die dieses Jahr die bunt-fröhlichen Feierlichkeiten zu den Fiestas Patrias oder dem Tag der Deutschen Einheit oder das Laternenfest über Instagram live mitverfolgen konnten. Auch die ersten Elternabende über YouTube und Google Meet waren wohl nur ein Vorgeschmack auf die neuen Formen der Vernetzung innerhalb der Gemeinschaft, die die Grenzen zwischen Ländern und Kulturen mit Leichtigkeit überwindet und die Teilnahme an den Aktivitäten unserer Schule für mehr Menschen denn je zugänglich macht.
Integrierter Lehrplan und Schüleraustausch
Da es für uns oberste Priorität ist, allen unseren Schülern eine vergleichbare Schulbildung von höchster Qualität zu ermöglichen, haben wir 2019 den integrierten Lehrplan an unserer Schule eingeführt. Diese verbindliche Richtlinie garantiert eine inhaltliche kongruente Ausrichtung des Unterrichts, unabhängig davon, ob sich ein Schüler für den deutschen oder den chilenischen Bildungsweg entscheidet. Denn unser Anliegen ist es seit 130 Jahren, das Beste aus beiden Welten zu vereinen und Generation für Generation weiterzugeben.
Da auch die Dreisprachigkeit mit Schwerpunkt auf der deutschen Sprache eine zentrale Säule unserer Gemeinschaft bleiben wird, bauen wir das Netzwerk mit Schulen und Lehrkräften aus Deutschland stetig aus. Wir können es kaum erwarten, unsere beliebten Schüleraustauschprogramme mit deutschen Schulen wieder aufzunehmen. Schon heute profitieren unsere abgehenden Schüler von einer umsichtigen Studien- und Berufsberatung, die ihnen Möglichkeiten aufzeigt, wie sie aufbauend auf ihren individuellen Begabungen und unseren gemeinsamen Werten ihr Potenzial mit einem Studium in Deutschland weiter ausbauen können.
«Exzellente Deutsche Auslandsschule»
Während wir also digital, emotional und pädagogisch gestärkt aus der jüngsten globalen Krise herausgehen, besinnen wir uns auf das, was die Deutsche Schule Santiago seit Beginn ihrer Tage ausgezeichnet hat: Ein übergeordnetes Ziel und die Kooperationsbereitschaft, um dieses zu erreichen. Mit der Erfahrung und dem Rückenwind aus 130 Jahren in den Segeln ist die Deutsche Schule Santiago engagiertes Mitglied im Verband «Deutsche Auslandsschulen International»(DAS) und im «Weltverband Deutscher Auslandsschulen» (WDA). Das uns verliehene Gütesiegel «Exzellente Deutsche Auslandsschule» ist für uns Verpflichtung gleichwohl Lehrern, Schülern und Eltern gegenüber.
Auf die Zukunft bauen wir schon heute und bereiten unsere Infrastruktur darauf vor, in den kommenden Jahren bis zu 3.000 Schüler an der Deutschen Schule Santiago auszubilden. Sie ist seit ihren Anfängen wahrlich in jeglicher Hinsicht gewachsen. Eine Pandemie konnte uns dabei nicht aufhalten. Sie hat uns vielmehr unsere traditionellen Stärken vor Augen geführt, uns dabei geholfen, über uns hinauszuwachsen und die Zukunft selbst zu gestalten.