Florenz oder Ravenna – seit Jahrhunderten streiten zwei der schönsten italienischen Städte darum, wer nun die eigentliche Dante-Stadt ist. Der 700. Todestag des Nationaldichters am 14. September aber wird weit über den Geburts- und den Todesort hinaus gefeiert.
Man nennt ihn den «Sommo Poeta» und den Vater der italienischen Sprache. Als «Höchster Dichter» schrieb Dante Alighieri ein Epos aus 14.000 Versen über eine fiktive Wanderung durch die drei Reiche des Jenseits, verarbeitete darin das historische, naturwissenschaftliche und philosophische Wissen seiner Epoche und verknüpfte das Ganze auch noch mit einer überirdischen Liebesgeschichte. Mit der «Göttlichen Komödie», so der Name des Jahrtausendwerks, prägte der Autor die Entwicklung der Sprache seines Landes. Seit sieben Jahrhunderten ist Dante tot, doch sein literarisches Schaffen machte ihn unsterblich.
Zu seinem 700. Todestag in diesem Jahr lässt ganz Italien den Nationaldichter hochleben. Die Uffizien in Dantes Geburtsstadt Florenz zeigen seit Jahresbeginn online die Illustrationen des italienischen Malers Federico Zuccari (1540-1609) zur «Göttlichen Komödie». Die Sprachgesellschaft Accademia della Crusca präsentiert und interpretiert auf ihrer Webseite jeden Tag ein Dante-Wort. Es gibt seit vorigem Jahr auch einen Dante-Tag, den «Dantedì» am 25. März, dem Datum des Karfreitags 1300, an dem Dantes imaginäre Tour durch Hölle, Fegefeuer und Himmel begann.
Der Mann auf der italienischen Zwei-Euro-Münze wurde zwischen Mai und Juni 1265 in Florenz geboren. Er war auch Kommunalpolitiker. Pech für ihn, dass er sich in den Machtkämpfen zwischen kaiser- und papsttreuen Parteien auf der Verliererseite wiederfand. 1302 wurde er von den Siegern verbannt und in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Seine Heimatstadt sah er nie wieder. Die «Göttliche Komödie» begann er erst im Exil zu schreiben. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Ravenna, wo er am 14. September 1321 starb.
Seit Jahrhunderten streiten Florenz und Ravenna darum, wer sich vom Ruhm des «Sommo Poeta» mehr auf die eigenen Fahnen schreiben kann: Die Hauptstadt der Toskana, wo Dante zwei Drittel seines Lebens verbrachte, die ihn aber schnöde verstieß, oder die einstige Kaiserstadt an der Adria, die ihn mit offenen Armen aufnahm. Die Rivalität wirkt fort, und deshalb findet die bedeutendste Ausstellung des Dante-Jahres weder in Florenz noch in Ravenna statt. Mit corona-
bedingter Verzögerung wurde sie am 1. April in Forlì, einer Stadt zwischen Florenz und Ravenna, eröffnet werden. Unter dem Titel «Dante. La visione dell’arte» («Dante. Der Blick der Kunst») werden 300 Leihgaben gezeigt, darunter Werke von Michelangelo, Giotto und Tintoretto. Die Initiative ging von Uffizien-Direktor Eike Schmidt und dem Ausstellungsmacher Gianfranco Brunelli aus.
Zum Jubiläum wurde das Grabmal Dantes in Ravenna renoviert, und man kann auf einer virtuellen Tour hineinschauen. In Florenz erinnert in der Kirche Santa Croce, wo große Geister wie Michelangelo, Niccolò Machiavelli oder Galileo Galilei ihre letzte Ruhe fanden, nur ein Kenotaph – ein Grabmal ohne sterbliche Überreste – an Dante. Immer wieder hatte Florenz früher gefordert, die Gebeine herauszugeben, und 1519 sogar Truppen nach Ravenna geschickt, um sie zu holen. Sie zogen mit leeren Händen ab, weil Mönche die Knochen gut versteckt hatten.
Forlì war einer der ersten Exilorte Dantes. Wie sehr den Dichter später das Heimweh plagte, ist seiner Dichtung abzulesen. Offene Rechnungen mit Florentiner Zeitgenossen beglich er, indem er sie in der «Göttlichen Komödie» in den diversen Kreisen der Hölle platzierte, wo sie von Teufeln gemartert werden. Dort finden sich auch fünf der sechs Päpste wieder, die Dante erlebte. «Dante-Zitate werden ohne weiteres von Politikern oder in Fernsehshows gebracht, und die Leute verstehen das auch durchaus», weiß Schmidt.