Mit der Natur verbunden
Schon als Kind begann er mit dem Bergsteigen – eine Leidenschaft, die ihn sein ganzes Leben begleiten sollte. Wettkämpfe und Rekorde haben ihn nie interessiert – ihm ging es vorrangig darum, die Schönheit der Natur zu genießen.
Er war elf Jahre alt, als er 1942 dem Deutschen Andenverein (DAV) in Valparaíso beitrat. Die Deutsche Schule organisierte damals eine Skiwoche, an der Enrique gerne teilnehmen wollte. Bedingung war die Vereinsmitgliedschaft, die ihm lebenslang viele erfüllende Erlebnisse bescheren sollte.
Die Ausflüge bereiteten ihm von Anfang an großen Spaß, weshalb er, wann immer er konnte, an den Wanderungen teilnahm. Seine ersten Bergbesteigungen fanden in der Umgebung von Valparaíso statt. Es handelte sich um Berge, die zwischen 300 und 500 Meter hoch waren. «Der erste größere Berg war der 1.880 Meter hohe cerro La Campana bei Olmué», erinnert Koch sich. Gerne denkt er an die Jugendgruppe des Vereins zurück, «in der die engagierte Lotte Wagner eine wichtige Rolle spielte».
Nach den Ausflügen auf die Gipfel der Küstenkordillere – El Roble, Las Vizcachas, El Caqui – fasste er die Anden ins Auge, die schon allein durch die Höhe ihrer Berge eine weitaus größere Herausforderung darstellten. Zunächst nahm er einige der Viertausender und Fünftausender in Angriff, «und schließlich habe ich auch den Aconcagua bestiegen», erzählt er. Den ersten Versuch unternahm er 1958: «Zu der Zeit hatten wir große Schwierigkeiten, um nach Argentinien zu gelangen. Wir bekamen keinen Zugang, so dass wir Umwege wählen mussten. Über Los Andes erreichten wir das río-Colorado-Tal, und haben uns dann über die Grenze geschmuggelt, um dann von der Nordseite aus den Berg zu besteigen.»
Doch Enrique Koch und seine Kameraden erlitten einen Misserfolg. Es war ein regenreicher Winter und es hatten sich große Schneefelder gebildet, «was es uns sehr erschwerte, an den Aconcagua heranzukommen». Die Gruppe gab ihr Vorhaben jedoch nicht auf. Im darauffolgenden Jahr unternahm sie erneut einen Versuch. Während einer Gletscherüberquerung erkrankte einer der jungen Sportler an einer Blinddarmentzündung: «Wir mussten ihn zurückschleppen», runzelt Koch die Stirn, und das große Projekt war wieder vorzeitig beendet.
Beim dritten Versuch hatte die Gruppe wieder Pech: «Wir wurden von einer argentinischen Militärgruppe angehalten, die einen chilenischen Bergsteiger suchte, der verschollen war.» Koch und seine Begleiter stellten sich den Argentiniern bei der Suche zur Verfügung, «was unser Glück war, denn sie haben uns daraufhin freien Zulass gegeben».
Ein Jahr später wurde Kochs Beharrlichkeit belohnt. Er erreichte den Gipfel des Aconcagua (6.961 Meter). Als höchster Berg außerhalb Asiens ist er auch der bekannteste Südamerikas. Dennoch erachtet Enrique Koch seine Bezwingung nicht als die größte Leistung in seiner Bergsteigerlaufbahn. Er hatte vorher einige Erstbesteigungen verwirklicht, die schwieriger gewesen waren, schon allein, weil eine geeignete Route gefunden werden musste, wie zum Beispiel der cerro Las Tórtolas im Elquital (6.160 Meter), den er als 20-Jähriger bestiegen hat.
Koch ist nunmehr fast sein ganzes Leben Mitglied des DAV gewesen. Rückblickend meint er, dass er eintrat, weil Wandern in der damals wirtschaftlich schwierigen Zeit eine preisgünstige Freizeitbeschäftigung war. Die Bergwelt übte eine enorme Faszination auf ihn aus, die ihn später dazu bewog, auch in Europa Bergbesteigungen zu unternehmen, so etwa der Drei Zinnen in den Dolomiten.
Heute klettert er nicht mehr auf die Berge. «Ich bin inzwischen 90 und damit ein bisschen ruhiger geworden», bekennt er. Im DAV ist er jedoch wie eh und je aktiv. Schon allein durch seine Erfahrung als Gipfelstürmer hat er schon so manchem Gesinnungsfreund mit seinem wertvollen Rat gedient.
Beruflich ist Enrique Koch heute noch – in einem Alter, in dem man normalerweise den Ruhestand genießt – in der Optikbranche tätig. Er begann bereits als junger Mann als Optiker zu arbeiten. Heute sind Kontaktlinsen sein Fachgebiet. Er betreut seine Kunden persönlich, indem er ihnen zum Beispiel rät, welche Haftschale für welchen Fall die geeignete ist: «Mit etlichen Probelinsen muss man herausfinden, welche die passende für jeden Patienten ist», sagt er, und fügt hinzu: «Es gibt viele Fehler, die nur mit Kontaktlinsen behoben werden können.» Aus Kochs Erläuterungen hört man deutlich den Fachmann heraus, der mit Erfahrung und Sachkenntnis seinen Beruf ausübt und dabei unzweifelhaft seine Freude hat. Sein Sohn, der sich als Wirtschaftsingenieur ausbilden ließ, ist heute im Familienunternehmen tätig.
In seiner Freizeit hat sich Enrique Koch stets sportlich betätigt. Neben dem Bergsteigen ist er als junger Mann gerudert.
Er nahm in Valparaíso sowie im Ausland an Regattawettkämpfen teil.
Heute hält er sich am liebsten zur Erholung in Granizo auf. Der Ort liegt in der Nähe des Bergs La Campana. Enrique Koch besitzt dort ein Landhaus, wo er das Wochenende verbringt, um abzuschalten und die Abgeschiedenheit zu genießen.
Und was seinen Lieblingssport heute angeht, ist ihm aufgefallen, dass unter den jungen Leuten «großes Interesse am Bergsteigen besteht». Allerdings gefällt es ihm nicht, dass es zu einem Wettkampf geworden ist: «Es ist ja kein Sport, in dem man um den ersten Platz kämpfen sollte, sondern wo man den Wunsch hat, mit der Natur in Verbindung zu stehen.»
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