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Nachruf – Peter Wessel

Im Oktober 1957 kam Peter Wessel als 25-Jähriger nach Chile. Im Jahr davor hatte er in Hamburg mit Albert von Appen ein Gespräch geführt, in dem er dem Unternehmer den Eindruck vermittelt hatte, dass mit dem dynamischen jungen Mann ein guter Mitarbeiter zu gewinnen wäre. Die Gesprächspartner wurden sich einig und Peter Wessel entschied sich zur Emigration.

Als er in seiner Wahlheimat ankam, musste er zunächst die spanische Sprache erlernen, was ihm mit seinem ausgeprägten Willen und Fleiß bald gelang. Peter Wessel hatte den Krieg und die schwere Zeit unmittelbar danach als Kind miterlebt. Das hatte ihn abgehärtet, was ihm zeitlebens von Nutzen sein sollte. 1932 in der Freien Hansestadt Danzig geboren, erlebte er den Krieg vom ersten Tag an: «Am 1. September 1939 klapperten bei uns die Fensterscheiben», erzählte er in einem Cóndor-Interview. Sein Vater, der bereits eingezogen worden war, diente während des Polenfeldzugs und später in Stalingrad. Aus dem Krieg kehrte er nicht heim.

1945 war Danzig umzingelt. Die Mutter entschloss sich, mit ihren beiden Kindern nach Westen zu fliehen. Es bot sich die Gelegenheit, mit der «Wilhelm Gustloff», einem geräumigen Touristenschiff, die gefahrvolle Zone zu verlassen. Ein Marineoffizier warnte Wessels jedoch: «Nehmen Sie nie ein großes Schiff. Die werden als erstes torpediert!» In der Tat wurde die «Wilhelm Gustloff» an der pommerschen Küste kurz vor Stettin am 30. Januar 1945 von einem russischen U-Boot versenkt. Fast 9.000 Flüchtlinge kamen dabei ums Leben.

Wessels glückte die Flucht auf einem kleineren Schiff. Sie gingen in Lübeck unversehrt an Land: «Dort kamen wir im Februar 1945 an, aber schon im März hörten wir Schüsse. Die Russen hatten die Oder überschritten. Wir versuchten, uns in den Westen abzusetzen.» Streckenweise wurden sie von Soldaten auf ihren LKWs mitgenommen, bis sie in Reinbek, nahe bei Hamburg, eintrafen. Die Mutter arbeitete hier als Wäscherin in einer englischen Offiziersmesse und später in der Küche, während Peter Schlange stand, um Lebens-
mittelkarten einzulösen.

Nach dem Krieg machte er bei Hapag eine Lehre als Schifffahrtskaufmann. Vor seiner Auswanderung nach Chile arbeitete er noch in einem Schifffahrtskontor der Hapag in Frankfurt und wurde danach nach London entsandt, um Englisch zu lernen.

Sein Arbeitsvertrag mit Ultramar war zunächst auf drei Jahre befristet. Peter Wessel begann in Punta Arenas als Beauftragter der Reklamationsabteilung. Von dieser im tiefen Süden des Landes gelegenen Stadt wurde er in den extremen Norden, nach Arica, entsandt. Hier lernte er Herta Vinz, ebenfalls eine Ultramar-Mitarbeiterin, kennen und lieben und die beiden heirateten 1961. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor, die heute in Puerto Varas leben. Peter Wessel arbeitete insgesamt 56 Jahre lang für unsere Transport- und Logistikgruppe.

Er hielt nicht nur diese lange Zeit der Firma die Treue, sondern engagierte sich ebenso wie ihr Gründer Albert von Appen für die deutsch-chilenischen Institutionen. Im Deutsch-Chilenischen Bund übte er während zwei Perioden das Amt des Vorstandsvorsitzenden aus und war Teil des Emil-Held-Archiv-Vorstands. Im Cóndor-Vorstand hatte er den Posten des Vorsitzenden fast 18 Jahre inne. Es war die Zeit, in der die Medien von analog auf digital umgestellt wurden, was von den Verantwortlichen reichlich Fingerspitzengefühl, Lernfähigkeit und Anpassungsvermögen verlangte.

Im Jahr 2012 verlieh ihm der Deutsch-Chilenische Bund die Carl-Anwandter-Medaille als Anerkennung für seinen Einsatz für die deutsch-chilenischen Belange. Auch der Club Manquehue, für den er in der Bewertungskommission über die Zulassungsanträge neuer Mitglieder entschied, ehrte ihn als «Manquehuino destacado».

Sein Engagement für die deutsch-chilenischen Interessen nahm nie ab. Er beteiligte sich noch im hohen Alter an den Vorstandssitzungen des Deutsch-Chilenischen Bundes. Als er bereits über 80 Jahr alt war, organisierte der DCB während seiner Jahreshauptversammlung in Los Ángeles einen Ausflug ins Grüne. Teil dieser Wanderung war die Besteigung eines schroffen Hügels, die aufgrund ihres Schwierigkeitsgrads nur der jüngeren Generation vorbehalten war. Allen Warnungen zum Trotz nahm Wessel an der Kletterpartie teil und erreichte den Gipfel ohne nennenswerte Komplikationen.

Peter Wessel verstarb am Freitag, den 30. Juli, im 89. Lebensjahr in Santiago.

Lieber Freund Peter, nun ruhe in Frieden!

Wolf von Appen, Richard von Appen, Dag von Appen

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