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185 Jahre in Betrieb – Die Raddampfer in Dresden

Von Frank Müller

Die älteste und größte Raddampferflotte der Welt feiert ihr 185 Jubiläum: Neun historische Raddampfer gehören zur Sächsischen Dampfschifffahrt. Doch die «Dresden» ist eindeutig ihr Flaggschiff.

Im Juli 1835 startete die Dampfschifffahrt auf der Oberelbe mit Seitenradschiffen. Viele Jahrzehnte als «Sächsisch-Böhmische Dampfschifffahrts-Gesellschaft», später als «Weiße Flotte Dresden» beziehungsweise als «VEB Fahrgastschifffahrt Dresden» bekannt, setzt nun die Sächsische Dampfschifffahrts-GmbH & Co eine Tradition fort, die aus dem Oberelbebereich, der Kunststadt Dresden und dem Elbsandsteingebirge nicht mehr wegzudenken is t.

Mit ihren Dampfmaschinen und den Schaufelrädern sind diese alten Schiffe Zeitzeugen einer längst vergangenen Epoche der Technikgeschichte. Ihre Besonderheit besteht darüber hinaus darin, dass sie nicht nur zu besonderen Anlässen zu sehen sind, sondern noch immer zuverlässig ihren Dienst im täglichen Linienverkehr versehen. Ruhig und mit einem Hauch von Romantik ziehen die Dresdner Raddampfer ihre Bahn zwischen Riesa und Bad Schandau.

Kostengünstiges Schiff

Die «Dresden» ist noch heute das besondere Schiff der Flotte und kann mit Recht als das Flaggschiff der Raddampferflotte bezeichnet werden. Der Stapellauf am 29. Juni 1926 war schon für sich eine Sensation: Sie war größer als alle anderen bisherigen Schiffe der Flotte und zum ersten Mal vollständig weiß. Alle Schiffe fuhren damals in den Landesfarben des Staates Sachsen, grün-weiß-grün-weiß, die Oberdeckdampfer zusätzlich noch mit sandfarben-weißem Schiffsrumpf, und nun dieser Schwan.

Was steckte hinter diesem Quantensprung? Die Folgen des Ersten Weltkrieges waren überwunden, die Wirtschaft hatte sich stabilisiert, und für den sich wieder verstärkenden Ausflugsverkehr wurde ein neues großes und komfortables Schiff benötigt. 1925 hatte die Werft Laubegast den unkonventionellen Diplomingenieur Fräsdorf als Werftleiter eingestellt. Vertreter der Gesellschaft führten in Begleitung von Fräsdorf im zweiten Halbjahr 1925 mehrere Besichtigungen von Motorschiffen auf Oder und Rhein durch. Hintergrund war der Gedanke, mit einem großen Dieselschiff Kosten durch weniger Mannschaftspersonal zu sparen und die Manövrierfähigkeit auf dem Fluss zu erhöhen.

Folgende Überlegungen wurden angestellt: Sollte überhaupt ein neues Personenschiff gebaut werden? Geld und Bedarf waren vorhanden – also entschied man sich dafür.

Der Bau eines Motorschiffes würde nicht mehr während der nächsten Fahrsaison beendet werden können. Andererseits würde dieser Schiffstyp eine bedeutende Reklame für das Unternehmen bedeuten.

Schließlich sollte das Schiff in der bisherigen Form mit 300 PS gebaut werden, dafür aber breiter und länger werden. Die Kosten wurden für einen Dampfer auf circa 300.000 Mark kalkuliert, das Motorschiff wurde teurer eingeschätzt.

Die Entscheidung drängte, da der nächste Dampferneubau erst frühestens nach zwei bis drei Jahren wieder in Frage kommen würde. Denn vorher waren noch ein neuer Kohlenkahn und eine Anzahl von Landungsbrücken neu zu beschaffen. Ein Vorschlag ging sogar darüber hinaus, nämlich zwei Frachtschiffe so auszubauen, dass sie bei gutem Wasserstand sonntags für Personendienste herangezogen werden könnten (Personenbeförderung dann natürlich nur auf Deck!). Letztendlich beeinflusste der zu erwartende höhere Tiefgang des Dieselschiffes die Entscheidung zu Gunsten eines Raddampfers.

Rhein-Salondampfer als Vorbild

Man hatte kalkuliert, dass ein derartiges Schiff für 1.000 Personen höchstens 80 Zentimeter Tiefgang haben würde und durfte, gerechnet werden müsste aber bei einem Dieselantrieb mit etwa 200 Zentimetern. Selbst ein Entwurf mit einem neuartigen liegenden Dieselmotor (Fa. Wollheim, Breslau) brachte nicht den Durchbruch, da einerseits dieser Motor vorerst nur im Entwurf vorlag und andererseits der Bau des Schiffes den gedachten Zeitrahmen sprengen würde. Der Vorstand empfahl daher vom Bau eines dieselgetriebenen Schraubenschiffes abzusehen.

Die Planung sah nun vor, auf der Werft in Laubegast einen Schiffskörper für eine Fahrgastzahl von rund 1.200 Personen zu bauen und Maschine und Kessel eventuell in Rosslau oder in Dresden-Übigau herzustellen. Fertigstellungsziel war Mitte Mai 1926.

Innerhalb kurzer Zeit entwarf der Ingenieur für die Oberelbe einen neuen Schiffstyp in Anlehnung an die erfolgreichen Rhein-Salondampfer. Dieser Schiffstyp zeichnete sich durch ein großes Oberdeck, geräumige Salons, Panoramafenster, komfortable Sanitärbereiche und eine luxuriöse Ausstattung aus.

Für den Antrieb des eisernen Schiffskörpers wurde eine liegende Zweizylinder-Verbundmaschine mit Ventilsteuerung und Einspritzkondensation mit einer Leistung von 300 PS konzipiert. Die Maschine verkörperte den damals technischen Höchststand des Dampfmaschinenbaues.

Das gleiche galt für die Ruderanlage, System Flettner. Durch die besondere Funktionsweise konnte auf den Einbau einer Dampfsteuermaschine verzichtet werden. Mit dem heutigen technischen Verständnis kann man die Nutzung der Flussströmung für die Ruderauslenkung durchaus als Vorläufer der Servolenkung bezeichnen.

Da das Konzept die Flottenleitung überzeugte, kam es noch im November 1925 zur Auftragserteilung an die Werft Laubegast. Am 28. Januar 1926 wurde auf der Werft der Kiel gelegt, und bereits drei Monate später erfolgte die Schiffstaufe mit anschließendem Stapellauf! Symbolträchtig übergab der damalige Dampfer «Dresden», der heutige Dampfer «Stadt Wehlen» (ältestes Schiff der jetzigen Flotte), seinen Namen dem neuen Schiff. Nach nur fünf Monaten Bauzeit konnte der Dampfer am 29. Juni 1926 in Dienst gestellt und zugleich zum Flaggschiff der Dresdner Flotte erklärt werden.

Schiffsbrand im Jahr 1946

Die Zulassung war für 1.363 Fahrgäste ausgeschrieben, ab 1960 wurde die Zahl noch einmal erhöht – auf 1.443. Im Jahr 1943 erhielt das Schiff, wie die anderen Dampfer auch, einen grauen Tarnanstrich, der erst im Jahr 1946 wieder in den weißen Anstrich zurückverwandelt wurde. Aufgrund von Brennstoffmangel beschränkten sich seine Einsätze allerdings nur auf die Wochenenden.

Das Schiff war eines der wenigen, die den Krieg ohne Beeinträchtigungen überstanden hatten. Umso schlimmer war die Katastrophe, die den Dampfer am 18. Juni 1946 beinahe zerstörte. Er lag mit noch anderen Schiffen im Hafen Loschwitz, als an Bord ein Feuer ausbrach. Die Anwohner am Körnerweg wurden durch die Flammen in dunkler Nacht geweckt. Sie eilten den Besatzungen sofort zur Hilfe. Gemeinsam gelang es dem direkt an der «Dresden» festgemachten Dampfer «Meissen» abzuziehen. Die «Dresden» brannte allerdings bis über die halbe Schiffslänge total aus. Am Dampfer «Meissen» zeugte noch lange Zeit die abgeblätterte Farbe am Vorderschiff von der Hitze der Flammen.

Als Brandursache auf der «Dresden» wurde eine vergessene Kerze ermittelt. Da das Schiff auch auf der Liste der sogenannten Kriegsreparationen für die damalige Sowjetunion stand, hielt sich auch das Gerücht der «Rettung durch Brand».

1948 wurde der Wiederaufbau beschlossen. Als Erstes erhielt die «Dresden» einen Vorderdecksalon, der von den Fahrgästen dankbar angenommen wurde. Am 07. Juli 1949 erfolgte die feierliche Wiederindienststellung.

In den folgenden Jahren wurde das Schiff durch Modernisierungen und Instandhaltungen in hervorragendem Zustand erhalten. Erst in den Jahren 1979 bis 1981 erfolgte die erste umfassende Generalreparatur.

Wettrennen zwischen «Dresden» und «Leipzig»

Am Ende dieser Generalreparatur fand, wie bei allen Schiffen der Werft Laubegast immer üblich, die Werftabnahmefahrt elbauf unter Beteiligung der Abnahmebehörde DSRK, der Deutschen Schiffsrevisions- und Klassifikationsgesellschaft statt. Im Rahmen solcher Fahrten wurden umfangreiche Testprogramme durchfahren, die die Leistungsfähigkeit und die Sicherheit der Schiffe nachwiesen. Als sich die «Dresden» der Station Wehlen näherte, legte dort gerade das Schwesterschiff, der Dampfer «Leipzig», ab. Unerwartet begann eine Wettfahrt der beiden großen Schiffe. Die «Leipzig» war technisch im Vorteil (50 PS mehr Leistung, einen Meter länger), aber voll besetzt mit Fahrgästen. Auf der «Dresden» befanden sich nur das Erprobungs- und Abnahmepersonal und die Besatzung. Beide Schiffe fuhren eine lange Strecke zur Freude aller Beteiligten, besonders der Fahrgäste auf der «Leipzig», gleichauf, bis direkt unterhalb der Basteiwände, von denen die Schaufelradgeräusche der beiden Schiffe reflektiert wurden, der Dampfer «Leipzig» einen geringfügigen Vorsprung hatte. Die Besatzung war stolz und ein Erlebnis für Passagiere und Anwohner!

Zur 800-Jahrfeier des Hamburger Hafens lag der Dampfer «Leipzig» vom 3. bis 15. Mai 1989 in Dresdens Partnerstadt an der Hamburger Überseebrücke.

Im Verlauf der Sanierung der Flotte unter der Führung der neuen Gesellschaft, der Sächsischen Dampfschifffahrts-GmbH, wurde die «Leipzig»“ einer weiteren Generalreparatur unterzogen. Nach 65 Jahren Laufzeit wurde nun auch der Kessel ausgetauscht. Am 27. Mai 1993 erfolgte im Rahmen einer Feierstunde die neuerliche Indienststellung. Seit 1998 können sich Brautpaare auf den Schiffen der Dresdner Flotte trauen lassen. Die erste Trauung dieser Art fand am 31. Oktober1998 auf dem Dampfer «Dresden» statt.

Die «Pjönjang», der Nachbau in Nordkorea

Anfang der achtziger Jahre weilte der nordkoreanische Staatspräsident Kim Il-sung auf Einladung des Staatschefs Honecker in der DDR. Während eines Dresden-Besuches war im Programm auch eine Dampferfahrt am 3. Juni 1984 auf der Elbe vorgesehen. Die «Ehre» wurde dem Flaggschiff der Flotte zuteil, dem Dampfer «Dresden».

Wochenlange Vorbereitungen kündigten das Ereignis an. Das Schiff wurde durch technische und polizeiliche Dienste gründlichst untersucht, der Decksalon dem Anlass entsprechend mit Couch-Garnituren, roten Wandbehängen und Fahnen umgestaltet.

Am Tag des großen Ereignisses gab es eine Schifffahrtssperre auf dem Flussabschnitt. Kim Il-sung war begeistert von dem Dampfer, was nicht ohne Folgen blieb. Kein halbes Jahr nach dem Ereignis wurde der Werft Laubegast der Besuch einer Gruppe nordkoreanischer Schiffbauspezialisten angekündigt. Sie hatten die Genehmigung des entsprechenden DDR-Ministeriums, alle nötigen technischen Unterlagen, Fotos, Kopien und einiges mehr anfertigen zu können, die den Nachbau des Dampfers in Nordkorea ermöglichen sollten.

Die Spezialistengruppe erschien in Begleitung eines koreanischen Vorgesetzten und eines Abgeordneten des Ministeriums, die Freigabe der Unterlagen wurde angeordnet und das Schiff sogar für Tage an der Werft festgemacht. Die Dinge nahmen unter einfachsten Bedingungen ihren Lauf. Problematisch war die Beschaffung der Unterlagen für die Maschinenanlage. Alle in Frage kommenden Archive wurden geprüft, und auch eine Beschwerde der Koreaner über das Außenministerium konnte keine Unterlagen herbeischaffen.

Als endlich der mehrmals verlegte Abreisetermin der Gruppe nicht mehr verschoben werden konnte und die Spezialisten mit ihren Bleistiftskizzen und einem kompletten Satz Kopien der Bauunterlagen aus dem Jahr 1926, außer eben der Unterlagen der Hauptmaschine, die Werft verließen, glaubten alle an eine Aktion, die nun ihr Ende hatte.

Nach und nach sickerte jedoch über die verschiedensten Quellen die Nachricht durch, dass es seit 1986 in Pjöngjang den Nachbau des Dampfers «Dresden» gab, bis 1990 der endgültige Beweis anhand von Fotos vorlag. Genauere Angaben über das Schiff existieren nicht, speziell über die Maschinenanlage. Eine elektrische Antriebsanlage ist aber eher wahrscheinlich als eine Dampfmaschine.

Trotz aller Zweifel sollte man letztendlich Achtung vor den koreanischen Technikern haben, die unter Zeitdruck diese offensichtlich gelungene Kopie des Dampfers «Dresden» in Nordkorea haben entstehen lassen.

Zum Autor:

Frank Müller wurde 1948 in Sachsen geboren, die Schulzeit verbrachte er in Dresden. Später finanzierte er sich als Lokheizer sein Schiffstechnik-Studium an der Universität Rostock. Er arbeitete als Konstrukteur in einem Entwicklungsbüro für Schiffsantriebsanlagen, war Produktionsleiter der Werft Dresden-Laubegast und in dieser Zeit für die Instandhaltung und Rekonstruktion der Dresdner Raddampferflotte verantwortlich.

Seit 2014 war Frank Müller als freiberuflicher Lektor für Schifffahrtsgeschichte auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs.

Er ist Co-Autor der Bildbände «Mit Dampf und Schaufelrad auf der Oberelbe» (transpress-Verlag) und «Die Dresdner Raddampferflotte» (DSV-Verlag), in denen Frank Müller die Geschichte der Dampferflotte Sachsens aufgearbeitet hat.

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