Erntezeit und Genusszeit
Von Siegfried Sander
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Regen und Sturm, reife Pfirsiche, Birnen und Tomaten und Gelb- und Ockertöne: Pastor Siegried Sander erzählt von der Natur und seinem Garten am Llanquihue-See.
Das Herbstwetter draußen: Endlich hat es mal wieder so richtig geregnet. Beim Geräusch der Regentropfen auf dem Blechdach der Hütte ist es angenehm im Bett. Da schläft man besser ein – oder ich liege wach und lausche. Bei Regenwetter kommen andere Gedanken und Stimmungen auf: Herbstgedanken. Nostalgie und Dankbarkeit. Man freut sich mit der Pflanzenwelt über das Ende der Trockenheit. Der halbverdorrte Rasen grünt wieder auf. Nun brauche ich nur noch im Gewächshaus zu gießen. Und die Vulkane Osorno und Calbuco erstrahlen wieder in herrlichem Weiß, nachdem sie der Sommer nur noch mit wenig schmutzigem Schnee gelassen hatte.
Herbstzeit im Garten und auf den Feldern: Zeit der reifen Früchte und der Ernte. Auf den Straßen muss man vorsichtig fahren, denn da verkehren nun viele Traktoren und Erntemaschinen, die nicht immer leicht zu überholen sind. Auf meinem kleinen Gelände konnte ich Birnen, Äpfel, Pfirsiche, Kastanien und Tomaten ernten. Die selbstgeernteten Früchte und selbstgemachten Marmeladen und Säfte schmecken halt doch am besten. Neben dem Nützlichen aber zumindest ebenso wichtig: Die Schönheit und Vielfalt der herbstlichen Farben und Formen, Stimmungen und Gefühle. Die Farben und der Geschmack der reifen Früchte. Die roten Tomaten. Die stacheligen Hüllen der Kastanien, die beim Aufsammeln pieken.
Es sind nun mehr die Farben der bunten Blätter von Bäumen und Büschen, welche die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Etwas weniger die wenigen Herbstblumen. An einer Stelle habe ich einen Flecken aus bunten Löwenmäulchen angepflanzt. Die schauen mich nun freundlich an und ich hoffe, dass sie den Winter überstehen. Die Sonne lässt ein herbstliches Farbenspiel erstrahlen mit seinen so verschiedenen Gelb- Ocker und violetten Tönen. Und das Weinrot. Unter einer Kiefer sprießen verschiedene Pilze aus dem Boden. Besonders schön der giftige Fliegenpilz.
Leider lassen Sturm und Regen schon bald die bunten Blätter fallen. Erstaunlich wie viel Laub sich da zusammenrechen lässt. Dazu habe ich an mehreren Stellen Komposthaufen angelegt. Schon in Santiago hatte ich begonnen mit der Mülltrennung: Nichts Organisches kommt in den Müll, sondern alles soll in die eigene Erde zurückkommen. Das ist hier zur Verbesserung des sandigen Bodens am Fuße des Vulkans besonders wichtig. Im Ohr habe ich immer den Kommentar eines Landwirts: «Ich will den Boden meines Landes besser hinterlassen als ich ihn erhalten habe.» Das ist ein gutes Motto für das ganze Leben. Nicht nur rausholen und ausbeuten wollen, sondern so viel wie möglich reinstecken und aufbauen und verbessern.