Der Pfarrer, der die Heilkraft des Wassers erkannte
Sebastian Kneipp aus «Das grosse Kneippbuch» von 1915
Wassertreten, barfuß laufen und kalte Güsse: Die Kneipp-Therapie stärkt das Immunsystem. Neben den bekannten Wasseranwendungen schließt das Konzept auch Themen wie Ernährung, Bewegung und die Behandlung mit Pflanzenwirkstoffen ein. Der Erfinder des «Kneippens» feiert am 17. Mai seinen 200. Geburtstag.
Die jungen Jahre
Geboren wurde Sebastian Anton Kneipp im süddeutschen Stephansried, wo er mit seinen Eltern und seinen Schwestern in armen Verhältnissen aufwuchs. Er besuchte die Stephansrieder Dorfschule, später die Sonn- und Feiertagsschule in Ottobeuren. Häufig musste er seinem Vater bei der Arbeit am Webstuhl helfen. Als junger Mann verließ er dann seinen Heimatort, um zunächst als Knecht in Grönenbach zu arbeiten. Er traf wegweisende Lehrer: Den entfernt verwandten Kaplan Matthias Merkle, der ihm Latein lehrte und den evangelisch-reformierten Ortspfarrer und Botaniker Christoph Ludwig Köberlin, der ihn in die Pflanzenheilkunde einführte.
Kneipp wird Priester
1848 begann Kneipp am Dillinger Lyzeum sein Studium der Theologie. Er litt bereits an einer Lungenerkrankung – vermutlich Tuberkulose. Nachdem er zufällig das Buch «Unterricht von Krafft und Würkung des frischen Wassers in die Leiber der Menschen» von Johann Siegemund Hahn entdeckte, ging der junge Mann zwei- bis dreimal wöchentlich einige Augenblicke in der kalten Donau baden. Zu Hause nahm er Teilbäder und verabreichte sich Wassergüsse. Er wurde gesund. 1850 setzte er sein Theologiestudium am Georgianum in München fort und erhielt schließlich am 6. August 1852 im Augsburger Dom die Priesterweihe.

Die täglichen Wasseranwendungen waren inzwischen zum festen Bestandteil seines Lebens geworden. Während des Studiums behandelte er zum ersten Mal heimlich Kommilitonen, die an Tuberkulose erkrankt waren. Anfang 1853 be-
kam er dann die erste Anzeige wegen Kurpfuscherei und 1854 verklagte ihn ein Apotheker wegen «Gewerbebeeinträchtigung und Schädigung». Kneipp musste daraufhin eine Erklärung unterschreiben, auch den Menschen nicht zu helfen, «die keine ärztliche Hilfe mehr fanden». Er hatte Behandlungsverbot. Doch im selben Jahr brach in der Region eine Choleraepidemie aus, der auch Kneipps Vater zum Opfer fiel. Nun behandelte der Priester auch entgegen seiner Unterlassungserklärung. Man nannte ihn den «Cholera-Kaplan».
Im Kloster Wörishofen
Bis 1855 hatte Kneipp drei Stellen als Kaplan: in Markt Biberbach, in Boos und in St. Georg in Augsburg. Im Mai des darauffolgenden Jahres trat er seine Stelle als Hausgeistlicher im Kloster Wörishofen an, in dem heute ein Kneipp-Museum eingerichtet ist. Aufgrund seines Wirkens kamen immer mehr Hilfesuchende nach Wörishofen, zunehmend auch aus wohlhabenderen Kreisen. Dann galt ab dem 1. Januar 1873 in Bayern plötzlich die Kurierfreiheit: Jeder durfte unabhängig von seiner Ausbildung medizinische Behandlungen durchführen. Ärzte und medizinische Hochschulen protestierten gegen das neue Gesetz. Auch Kneipp wurde weiterhin kritisiert, doch trotz der Kritik kamen immer mehr Kurgäste nach Wörishofen. Der Pfarrer bestand zeitlebens darauf, dass mittellose Kranke und Waisenkinder kostenlos behandelt wurden.
Am 14. Dezember 1890 gründete der Verleger Ludwig Auer den ersten Kneipp-Verein und einen Monat später wurde die erste Ausgabe der heute noch monatlich erscheinenden Kneippblätter (heute Kneipp-Journal) veröffentlicht. 1897 wurde bei Kneipp ein schnell wachsender Tumor im Unterleib festgestellt. Eine Operation lehnte er ab. Er verstarb am 17. Juni 1897 im Alter von 76 Jahren.