Inicio Interview Professor Claus Behn: Große Höhen – große Belastungen für den Körper

Professor Claus Behn: Große Höhen – große Belastungen für den Körper

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Interview

Im Dezember 2020 wurde Prof. Dr. Claus Behn zum Mitglied der Akademie für Medizin des Instituto de Chile ernannt. Diese Ehre wurde Professor Behn unter anderem zuteil wegen seiner Studien zur Anpassung des Menschen an extreme Umweltbedingungen, darunter auch an extreme Höhen.

Claus Behn wuchs in Valparaíso auf. Nach dem Abschluss seines Medizinstudiums an der Universidad de Chile im Jahr 1965 promovierte Behn 1970 an der Freien Universität Berlin und habilitierte sich in Physiologie und Pathophysiologie. 1978 erhielt er vom Deutschen Akademischen Austauschdienst eine Finanzierung für eine fünfjährige Austauschprofessur und zog an den Campus der Universidad de Chile in Valparaíso. Danach war er als stellvertretender Direktor des Sportmedizinischen Instituts der Freien Universität Berlin tätig, trat aber 1992 schließlich dem Physiologie-Programm des Instituts für Biomedizinische Wissenschaften an der Medizinischen Fakultät der Universidad de Chile bei. Hier beschäftigt ihn seitdem, in Forschung und Lehre, weiterhin die Frage, wie sich der Körper des Menschen an eine extreme Umgebung und Höhe anpasst.

Forschungsarbeit in der Höhe

Claus Behn ist zwar selbst kein leidenschaftlicher Bergsteiger, doch zu Forschungszwecken hat er zahlreiche Expeditionen organisiert und begleitet. Der menschliche Körper – je nach individueller Konstitution – wird schon in Höhen ab etwa 3.000 Metern ungewohnten Belastungen ausgesetzt. Bei diesen Forschungsprojekten arbeitete der Mediziner unter anderem auch mit dem chilenischen Bergsteiger Rodrigo Vivanco zusammen. 

Der Cóndor fragte Claus Behn nach seinen Erfahrungen und Erkenntnissen durch seine Studien.

Wie muss man sich die Vorbereitung einer solchen Expedition vorstellen?

Einer Expedition geht die Ausarbeitung eines detaillierten Projektes voraus, das zunächst von einer anerkannten Ethik-Kommission genehmigt werden muss. Die Probanden sind immer Freiwillige, die sich aus beruflichen oder sportlichen Gründen einer extremen Umwelt aussetzen. Die Untersuchungen werden zumeist mit am Körper tragbaren, miniaturisierten Geräten durchgeführt, mit denen physiologische Werte wie Hautleitfähigkeit und Herzfrequenz registriert werden.

Was ist die Höhenkrankheit und warum entsteht sie?

Als Höhenkrankheit bezeichnet man einen Komplex von Symptomen, die Menschen entwickeln, die sich zeitweise in große Höhen begeben oder dort leben. Dabei tritt eine Sauerstoffunterversorgung des Körpers auf, eine sogenannte Hypoxie, was sich stark auf den Energiestoffwechsel im Körper auswirkt. Mit zunehmender geografischer Höhe verändern sich die Klimaelemente: Da der Luftdruck und die Luftdichte beim Aufstieg abnehmen, sinkt die Sauerstoffverfügbarkeit. Auch Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit sinken generell in der Höhe, während sich die Solarstrahlung erhöht.

Was genau passiert dann im Körper?

Sauerstoff erzeugt sogenannte Protonengradienten, welche die treibende Kraft für die Herstellung von Adenosintriphosphat (ATP) sind. ATP ist der universelle und unmittelbar verfügbare Energieträger in Zellen und wichtiger Regulator für Energie liefernde Prozesse im Körper. Bei Mangel an Sauerstoff kommt es zu Ermüdungserscheinungen, da die ATP-Produktion im Körper sinkt. Bei starker Ermüdung übersteigt der ATP-Bedarf schließlich die ATP-Verfügbarkeit.

Hypoxie verändert auch die Atmung im Schlaf: Es kann während des Schlafs immer wieder zu einem Atemstillstand, der Schlafapnoe kommen. Die allgemeine Unfallrate ist dann sechsmal höher als bei Personen ohne Schlafapnoe. 

Welche körperlichen Symptome hat dies zur Folge?

Im schlimmsten Fall kann sich bei schwerer körperlicher Arbeit in extremer Höhe, ein lebensbedrohliches Ödem bilden – eine Ansammlung von Wasser in einzelnen Körperteilen. Bei einem Lungenödem füllt sich die Lunge mit Wasser und kann nicht mehr normal arbeiten.

Seltener können Hirnödeme entstehen. Dabei kommt es zu Kopfschmerzen, Schwindel, Störungen in der Motorik, Verwirrung, Desorientierung, einem veränderten Bewusstsein und gegebenenfalls zum Koma. Ein sofortiger Abstieg und eine zusätzliche Sauerstoffversorgung sind dann entscheidend. Unterstützend werden medikamentös das Kortikoid Dexamethason und das die Bikarbonatausscheidung fördernde, harntreibende Mittel Acetazolamid verabreicht. 

Gibt es weitere Gründe, warum sich ein extremes Umfeld und extreme Situationen auf den Menschen auswirken? 

Arbeiten in großen Höhen, wie auch an den Polen oder im Weltraum, fordern darüber hinaus unser angeborenes Körperzeitsystem heraus. Alles in uns arbeitet zyklisch. Werden diese Zyklen in ihrem zeitlichen Ablauf gestört, bedeutet es Stress für unseren Organismus. Ähnliches geschieht auch durch den heutigen Lebensstil wie der Schichtarbeit, dem schnellen und häufigen Reisen in andere Zeitzonen und auch bei lang andauernder Büroarbeit in geschlossenen Gebäuden.

Fehlanpassungen zwischen äußeren und inneren Rhythmen führen kurzfristig zum Risiko von körperlichen und geistigen Leistungseinbußen oder auch Stimmungsschwankungen. Das kann zu mehr Unfällen führen – beim Bergsteigen, bei der Arbeit im Bergbau aber auch im ganz normalen Alltag.

Wie bereitet man sich am besten auf große Höhen vor?

Abgesehen von ausreichender Körperertüchtigung und gesunder Ernährung gibt es auch für das Bergsteigen jede Menge Hausrezepte – wirksame und unwirksame. Man kann aber auch einfach davon ausgehen, dass Arbeit Treibstoff benötigt. Der universelle Treibstoff im Körper aller Lebewesen ist das Adenosintriphosphat (ATP). Die in den Nahrungsmitteln vorhandene Energie muss im Körper als ATP verfügbar sein. Dafür wird Sauerstoff (O2) benötigt. Nimmt, wie beim Bergsteigen, der Energiebedarf zu, muss mehr Sauerstoff zugeführt werden. Das geschieht durch gesteigertes Atmen (Hyperventilation). Die Sauerstoffaufnahme nimmt dann auch zu, aber die gleichzeitige Abgabe von Kohlendioxyd (CO2) noch viel mehr. Gaschemische Unterschiede bedingen, dass CO2 im Körper beweglicher ist als O2. Eine erhöhte Abgabe von CO2 kommt einem erhöhten Säureverlust gleich. Der Körper wird damit alkalischer, was wiederum den Sauerstofftransport behindert. Dieser Alkalisierung kann man aber pharmakologisch vorbeugen. Sauerstoffversorgung und Leistungsfähigkeit nehmen dann zu und damit auch der Genuss und die Sicherheit am Berg.

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