Energiemix für Nüsse und Kühlwasser für durstige Kühe
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Annika Schüttler, Project Leader Energy and Sustainability der AHK Chile, und Projektleiterin von Smart Energy Concepts
Seit 2015 sucht die Auslandshandelskammer Chile (AHK Chile) im Rahmen ihres Projektes Smart Energy Concepts nach Möglichkeiten zur Energie- und Wassereffizienz in der Landwirtschaft. Annika Schüttler, Project Leader Energy and Sustainability der Kammer, sammelte während ihrer zehnjährigen beruflichen Laufbahn in Chile umfangreiche Erfahrungen im Energiesektor und entwickelte Projekte im Bereich Erneuerbare Energie und Energieeffizienz, vor allem im Rahmen ihrer Tätigkeit als Projektleiterin von Smart Energy Concepts. Der Cóndor fragte Annika Schüttler nach ihren Erfahrungen mit dem Projekt.
Aus welchen Gründen startete die AHK Chile das Projekt?
In Chile ist der Agrar- und Lebensmittelsektor nach dem Kupferbergbau die wichtigste Exportbranche. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, steht er vor einer doppelten Herausforderung: die von den Zielmärkten geforderten Nachhaltigkeitsstandards zu erfüllen und seine Produktionskosten zu senken», erklärt Annika Schüttler. «Der Energiepreis ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen und macht einen bedeutenden Prozentsatz der Kosten für die Agrar- und Lebensmittelproduktion aus. Das Aufspüren von Möglichkeiten und die anschließende Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen tragen in hohem Maße dazu bei, die Kosten zu senken und den CO2-Fußabdruck des Sektors zu reduzieren. Als wir vor sechs Jahren das Projekt in Chile gestartet haben, wurde der Energieverbrauch kaum gemessen oder verwaltet. Heute ist das ganz anders: Regierung, Forschungseinrichtungen und Unternehmen sind zunehmend daran interessiert, neue Technologien zu nutzen, um Prozesse effizienter zu gestalten.
Bei welchen Themen setzt das Projekt an?
Beispielsweise bei der Optimierung von landwirtschaftlichen Maschinen für Prozesse – von der Aussaat bis zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln – bezüglich der Reduzierung von Kraftstoff und Wasser. So kommen immer mehr GPS-Systeme zum Einsatz, aber auch energieeffizientere Pumpen zur Bewässerung, wobei zunächst das Augenmerk auf die Senkung des Wasserverbrauchs gerichtet werden sollte, denn dadurch spart man wiederum Energie. Verfahren wie Bodenfeuchtesensoren, telemetrische Messungen, die Installation von Antrieben mit variabler Frequenz aber auch eine verbesserte Isolierung von Lagern oder die Nutzung von Abwärme durch Wärmetauscher kommen immer mehr zum Einsatz. Darüber hinaus können erneuerbare Energiequellen wie Biogas oder Sonnenlicht zur Stromerzeugung genutzt werden. Um all dies erfolgreich anzuwenden, ist jedoch zunächst Kontrolle wichtig: Nur wenn die Prozesse permanent und fachkundig überwacht werden, sind Optimierungen realisierbar.
Im Rahmen des Projekts wird in verschiedenen Handlungsfeldern daran gearbeitet, ein Umfeld zu schaffen, das die Verbreitung und Durchdringung von effizienter Technologie im Agrar- und Ernährungssektor fördert, um Energieeffizienzmaßnahmen umzusetzen. Dazu gehören unter anderem Technologie- und Know-how-Transfer durch Delegationsreisen, Unternehmensbesuche, Seminare, Foren und Kurse.
Beispiel Nusstrocknung
Eine Fachdelegation der AHK Chile führte im vergangenen Jahr 20 Landwirte in die Region O’Higgins. Die Teilnehmer an der von der Kammer organisierten Reise konnten vor Ort -unter Beachtung aller sanitären Sicherheitsmassnahmen- technologische Lösungen kennen lernen, die hier von Landwirtschaftsbetrieben erfolgreich umgesetzt werden.
So in der Agrícola El Nocedal in Requínoa, wo Juan Eduardo Mackenna pro Saison etwa 150.000 Kilo Walnüsse erntet. Für die Verarbeitung setzte er bisher einen Gastrockner mit acht Trockenkammern für je 5.500 Kilo Nüsse ein. Dank eines von Calder Solar durchgeführten Projekts verfügt er heute über ein gemischtes System, das es ermöglicht, beim Trocknungsprozess auch Solarenergie zu nutzen. Die Lösung erforderte jedoch eine Machbarkeitsstudie. Aus diesem Grund wandten sich Juan Eduardo Mackenna und der Geschäftsführer von Calder Solar, Tomás Milnes, an die Kammer. Die gemeinsam gewonnenen Erkenntnisse waren entscheidend für die Umsetzung der Idee. «Mit dem Mischsystem solare Trocknung mit Unterstützung des konventionellen Gassystems haben wir eine Brennstoffeinsparung und Kostenreduzierung von etwa 20 Prozent erreicht. Wir haben nachgerechnet und mit meinem Plan, auch andere Sorten mit unterschiedlicher Saisonalität zu trocknen, wird sich das Projekt in etwa fünf Jahren amortisieren», betont er.
«Ein bisschen an der Schraube drehen»
2017 wurde Josef Pellmeyer, ein Experte für Energieeffizienz in der Milchviehhaltung aus Bayern, vom Projekt Smart Energy Concepts mit Unterstützung der Bayerischen Repräsentanz für Südamerika nach Chile eingeladen, um hier Energieeinsparmöglichkeiten zu identifizieren. Zu diesem Zweck reiste er in die Region Los Lagos und besuchte Milchbauern mit 50 bis 300 Kühen in Freilandhaltung. «Hier fand ich verschiedene Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz – von neuen Beleuchtungs- und Lüftungstechnologien bis hin zur Milchkühlung. Beispiele sind der Einsatz von LED-Lampen im Melkstand und die Verwendung von sensorgesteuerten Vakuumpumpen, die den genauen Leistungsbedarf des Motors erkennen und regeln. Die Amortisation dieser Sensoren beträgt drei bis fünf Jahre, bei 50 bis 80 Kühen würde die jährliche Ersparnis bei 300 bis 800 Euro liegen», so Pellmeyer. Interessant ist auch die folgende Beobachtung: Die frisch gemolkene Milch muss sofort mit kaltem Wasser gekühlt werden, das dabei an Temperatur zunimmt. Dieses Kühlwasser wird nun zum Tränken der Tiere verwendet: «Ist das Wasser zu kalt, trinken die Kühe weniger und die Milchleistung sinkt. Die ideale Temperatur liegt zwischen 15 und 18 Grad. Manchmal reicht es, ‚ein bisschen an der Schraube zu drehen‘ – und das Ergebnis ist überraschend», resümiert Pellmeyer.
Das Projekt Smart Energy Concepts ist eine Initiative der Auslandshandelskammer Chile (AHK Chile), die durch die Internationale Klimaschutzinitiative des Bundeministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gefördert und seit 2015 gemeinsam mit der chilenischen AgenciaSE (Agentur für nachhaltige Energie; vormals AChEE) durchgeführt wird. Das Projekt zielt darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit des Agrar- und Lebensmittelsektors durch die Reduzierung seiner CO2-Emissionen zu erhöhen. Es wird sowohl die Fähigkeit der Unternehmen gefördert, eigenständig Energieeffizienzmaßnahmen umzusetzen, als auch Erneuerbare Energien in ihre Produktionsprozesse zu integrieren.