Vom Hitlermädchen zur Widerstandskämpferin
21 Jahre war Sophie Scholl alt, als sie wegen ihres Widerstandes gegen das Nazi-Regime ermordet wurde. Bis heute wird sie deshalb verehrt. Am 9. Mai wäre sie 100 Jahre alt geworden.
Der Name Sophie Scholl steht wie kaum ein anderer für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Sie gehörte zum Kreis rund um Alexander Schmorell und ihren Bruder Hans. Die Weiße Rose prangerte die Verbrechen der Nazis an und verteilte Flugblätter, um die Menschen aufzurütteln. Am 18. Februar 1943 wurden Hans und Sophie Scholl bei einer Aktion in München festgenommen und vier Tage später hingerichtet.
Vor allem Sophie Scholl wurde zur Ikone. Doch rund um ihren 100. Geburtstag am Sonntag,
9. Mai, ändert sich das Bild – hin zu einer jungen Frau, die zwar Mut und Stärke, aber auch Schwächen und Widersprüche hatte und die gerade deshalb nahbarer ist denn je. Thomas Rink vom NS-Dokumentationszentrum in München hält das für überfällig: «Sophie Scholl wurde nicht als Widerstandskämpferin geboren.» Nehme man ihre gesamte Lebensgeschichte mit all ihren Widersprüchen, Ambivalenzen und Entwicklungen in den Blick, werde ihr der Mythos einer «Heiligen ohne Widersprüche» genommen. «Sie wird von der Widerstandsikone zum Menschen.» Vor allem junge Leute könnten nach Ansicht von Hildegard Kronawitter von der Weiße Rose Stiftung gut mit dieser Widersprüchlichkeit umgehen. Jugendliche erlebten sich selbst oft als widersprüchlich, sagt die Vorsitzende.
Scholl wurde am 9. Mai 1921 im baden-württembergischen Forchtenberg geboren und wuchs mit vier Geschwistern auf. Ihr Elternhaus war liberal und protestantisch geprägt. Nach einer kurzen Station in Ludwigsburg landete die Familie 1932 in Ulm, während die Nazis immer präsenter wurden. Doch während ihre Eltern die braune Ideologie kritisch sahen, waren ältere Geschwister wie Hans oder Inge in der Hitlerjugend aktiv. Auch Sophie wurde mit 13 ein begeistertes Jungmädel. Sie rauchte heimlich und war verliebt in Fritz Hartnagel, den sie mit 15 kennengelernt hatte und dem sie am
16. Februar 1943 ihren wohl letzten Liebesbrief schrieb, gefüllt mit lila Blüten.
Der Theologe und Historiker Robert Zoske spricht von einem langen und zum Teil schmerzhaften Entwicklungsprozess. Während ihres Studiums der Biologie und Philosophie in München brachte Hans sie in Kontakt mit Gleichgesinnten wie Schmorell, Christoph Probst, Willi Graf und Kurt Huber. Die Freunde diskutierten, lasen verbotene Bücher und schrieben Flugblätter, in denen sie Verbrechen wie den Massenmord an den Juden aufs Schärfste kritisierten. Am 18. Februar 1943 legte sie mit Hans das sechste Flugblatt in der Münchner Universität aus. Sophie und Hans Scholl sowie Probst wurden zum Tode verurteilt und am
22. Februar 1943 hingerichtet.
Von Sophie ist ein Satz überliefert, den sie am Tag vor der Hinrichtung gesagt haben soll. «So ein herrlicher, sonniger Tag, und ich muss gehen. (…) was liegt an meinem Tod, wenn durch unser Handeln tausende von Menschen aufgerüttelt und geweckt werden.»