Immer auf der Suche nach Neuem
Sylvana Vargas lebte in den verschiedensten Regionen Chiles, bevor sie schon als Jugendliche allein nach Norwegen zog. Dort beendete sie ihre Schulausbildung und beobachtete Polarlichter. In Münster schloss sie ihr Studium ab. Zurück in Chile bleibt sie weiterhin offen für Neues.
Sylvana Vargas ist gerade einmal 29 Jahre alt und schon viel herumgekommen. Sie wurde im chilenischen Ovalle geboren, zog jedoch von klein auf häufig um. Ihr Vater war beim Militär in der Verwaltung tätig und wurde oft versetzt. So lernte sie nicht nur räumlich die verschiedensten Regionen von Chile kennen, sondern auch die regionalen Gebräuche.
Die junge Frau erinnert sich: «Meine Eltern waren bei den vielen Umzügen für meinen jüngeren Bruder und mich immer ein fester Anker. Sie kümmerten sich intensiv darum, dass wir uns in jeder neuen Umgebung gut einlebten.» Im letzten Schulhalbjahr ging es dann für Sylvana Vargas nach Norwegen: Sie nahm für ein Jahr an einem interkulturellen Austauschprogramm des American Field Service (AFS) teil. Dort lebte sie in einer Gastfamilie und ging zur Schule. Das norwegische Schuljahr wurde ihr als letztes Halbjahr angerechnet. Die Abschlussfeier und die Zeugnisübergabe ihrer chilenischen Mitschüler Ende 2009 verpasste sie somit. Doch es habe sich gelohnt, die Erfahrungen in Norwegen seien es wert gewesen. «Am liebsten wäre ich nach Deutschland gegangen», berichtet Sylvana, aber sie fand damals kein geeignetes Austauschprogramm.
Nach ihrem Schulabschluss im August 2010 wollte sie in Santiago studieren. Auf Anraten ihres Vaters jedoch schrieb sie sich sie an der Universidad Austral de Chile in Valdivia (UACh) ein. Im Studiengang «Ingeniería Comercial» bietet die UACh in Kooperation mit der Fachhochschule Münster einen Doppelabschluss im Programm «Carrera Alemana-Latinoamericana de Administración» an: Die ersten vier Semester studierte Sylvana Vargas in Valdivia, danach beendete sie ihr Studium in Münster. So kam sie dann doch noch nach Deutschland. «Es fiel mir leicht, mich in Münster einzuleben. Doch zunächst musste ich erst einmal Deutsch lernen. In Valdivia hatte ich in der Universität schon an einem Deutschkurs teilgenommen. In Münster erreichte ich dann im Sprachinstitut «Capito» das Niveau B2, bevor ich im Sommersemester 2017 mein eigentliches Studium fortsetzen konnte.» Münster sei eine wunderbare Stadt zum Studieren. Besonders schätzen gelernt habe sie das Fahrradfahren, die Erfahrungen in verschiedenen Wohngemeinschaften zu leben sowie auch die gute Organisation und die Pünktlichkeit in Deutschland.
Ihr Studium finanzierte sie mit der Unterstützung ihrer Eltern, doch auch die vielfältigen Möglichkeiten zu jobben hat sie gut genutzt: Sie arbeitete als Studentin in Restaurants, im Einzelhandel, im Versandwesen und auch in der Universität. Dabei habe sie viel gelernt, unter anderem Verantwortung zu übernehmen, und auch was das Thema Kommunikation anbelange, habe sie vielfältige Erfahrungen gesammelt. Von ihrem ersten selbst verdienten Geld kaufte sie sich übrigens ein Fahrrad, denn das sei in Münster unentbehrlich, erzählt die Chilenin. Im November 2020 kehrte Sylvana Vargas schließlich nach Chile zurück.
In all den Jahren nach ihrem Austausch in Norwegen hat sie zudem als Freiwillige beim AFS weitergewirkt. Sie begleitet Schüler, die im Austausch nach Chile kommen. Dabei unterstützt sie die ausländischen Jugendlichen vor und während ihres Aufenthalts organisatorisch und emotional. Auch als sie in Münster war, hat sie vor Ort Schüler im Programm des AFS beraten. Sie erzählt: «Diese Arbeit ist unglaublich bereichernd für mich. Außerdem habe ich so die Möglichkeit, das zurückzugeben, was ich damals selbst erhalten habe: Sichere Begleitung beim Einleben in eine fremde Kultur.»
Sie geht jeden Tag joggen, und sie liebt Musik. Das Fahrradfahren möchte sie auch in Valdivia nicht missen. Doch da ist noch eine andere Leidenschaft, die Sylvana Vargas seit ihrer Kindheit pflegt: Sie kocht und backt gern. Das Backen hat sie – gemeinsam mit ihrem Bruder – nun zum Beruf gemacht. Als Kinder haben die Geschwister eigene Kuchenrezepte erfunden und diese sogar in einem Rezeptebuch niederschrieben. «Unsere Aufzeichnungen nutzen wir jetzt – natürlich in etwas abgewandelter Form – um vielfältige Leckereien anzubieten. Wir backen ohne Weizenmehl und Zucker und verfügen über ein breites Angebot für Allergiker und Diabetiker.» Freunde und Bekannte hatten sie ermutigt, das Hobby zum Geschäft auszubauen. Seit drei Monaten bieten Sylvana und ihr Bruder in Valdivia unter dem Namen «Blanco Limón Valdivia» ihre Spezialitäten über Instagram an.
Nebenher sucht die Wirtschaftswissenschaftlerin intensiv nach einer Arbeitsstelle in ihrem Beruf, um ihr facettenreiches Wissen einzubringen – zunächst erst einmal in ihrem Heimatland. Sie kommentiert: «Obwohl ich Berufsanfängerin bin, geben mir all die Erfahrungen, die ich bisher sammeln durfte, große Sicherheit und Vertrauen in meine Fähigkeiten.»