Deutschlands einflussreichster Künstler
Weltweit feiern zahlreiche Künstler und Museen 2021 das Beuys-Jahr. Der Jahrhundertkünstler mit dem Filzhut wäre im Mai 100 Jahre alt geworden. Vom Mythos Beuys zeugen heute meist nur noch rätselhafte Relikte seiner Aktionen.
Das breite Lachen, der durchdringende Blick, der Filzhut, die Fett-
ecken und der legendäre Spruch: «Jeder Mensch ist ein Künstler»: Joseph Beuys hat die Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg revolutioniert wie kaum ein anderer Künstler. Am 12. Mai 2021 wäre der Mann vom Niederrhein 100 Jahre alt geworden, vor 35 Jahren, im Januar 1986, starb er.
Der Fett- und Filzmagier war mehr als ein Künstler: Er war Gesellschaftskritiker, Aktivist für Demokratie und Ökologie, Weltverbesserer, Kunstprofessor, Mitbegründer der Grünen, Schamane und ein Medienstar. In Museen zu sehen sind heutzutage bekritzelte Schultafeln, mächtige Basaltstelen mit eingebettetem Filz, riesige Talg-Blöcke oder Vitrinen mit kultischen Objekten wie für eine Reise ins Jenseits. Sie sind schwer zu entschlüsseln, denn es handelt sich oft um Überreste der spektakulären Aktionen von Beuys. Ohne ihren Urheber schweigen die Werke den Betrachter einfach nur an.
Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf will Beuys im Jubiläumsjahr daher auf andere Weise in Erinnerung rufen. Die Kunstsammlung konzentriere sich ausschließlich auf Beuys‘ Aktionen und performative Arbeiten, die in Form von Filmen und Fotografien dokumentiert werden sollen, so Susanne Gaensheimer, Direktorin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf
Gaensheimer will keine Schlittenrudel, geschichteten Filz oder 1.000 Kilo schwere Bronze ausstellen, wie es bei der Düsseldorfer Beuys-Schau vor zehn Jahren der Fall war. Denn die Installationen seien in den meisten Fällen nur Relikte von Aktionen, die Beuys danach in den Museen selbst eingerichtet habe, sagt sie. «Wenn wir solche Installationen in Ausstellungen rekonstruieren, wie viel von der lebendigen Energie von Beuys können wir da hinüberretten?»
Dabei ist die Frage, wie aktuell Beuys heute überhaupt noch ist. «Hochaktuell», sagt Bettina Paust, die frühere Leiterin des Beuys-Museums Moyland am Niederrhein und erklärt: «Beuys versuchte, die Kunst mit der sozialen Plastik von einem elitären Sockel zu holen und sie in die Lebenswirklichkeit der Menschen zu überführen.» Die «soziale Plastik», das zentrale Konzept im Beuysschen Kunstkosmos, besagt, dass jeder Mensch kreative Potenziale hat, die es zu entdecken und dann im Sinne des Gemeinwohls einzusetzen gilt. Im Kern heißt das mit Beuys‘ Worten: «Jeder Mensch ist ein Künstler.»
Dieser Aussage gehen sieben chilenische Künstler beim Projekt «Taller Plástica Social» der Galerie Isabel Aninat in Vitacura nach. Sie beschreiben auf Seite 8 und 9 den Einfluss Joseph Beuys auf ihr Schaffen und stellen ihre vom deutschen Künstler inspirierten Werke vor.