Spanisch-deutscher Diplomat für europäische Werte
Jedes Jahr werden zwei Europatage gefeiert: Am 5. Mai 1949 wurde der Europarat gegründet und am 9. Mai 1950 die Idee der Europäischen Union geboren. In Chile ist León de la Torre Krais seit September 2020 Botschafter der Europäischen Union. Von klein auf lebte er in verschiedenen Teilen der Welt. Ein glücklicher Umstand sei es für ihn, dass er nun in Chile zum zweiten Mal als Diplomat arbeite.
Ein Vollblut-Diplomat im wahrsten Sinne des Wortes: León de la Torres spanischer Vater war auch schon im diplomatischen Dienst tätig. So wurde er 1969 in Washington geboren, besuchte aber die deutschen Schulen in Moskau, London und Madrid, da seine Mutter Deutsche ist. Durch die Aufenthalte in den verschiedenen Ländern lernte der Deutsch-Spanier auch Französisch und Englisch sowie etwas Russisch und später auch Chinesisch. Zwar habe er in Bonn und in München nur drei Jahre gelebt, aber «meine Eltern sind regelmäßig in München, daher ist die Stadt auch ein Stück Heimat für mich». Nach dem Abschluss eines Jurastudiums in Madrid, startete im Jahr 1994 seine Laufbahn im spanischen Außenministerium in der Abteilung für europäische Angelegenheiten.
Der 51-Jährige war bisher in den spanischen Botschaften in Ecuador, China und Belgien tätig sowie von 2011 bis 2014 Botschafter in Nicaragua. Im Jahr 2016 wurde León de la Torre erstmals EU-Botschafter in Bolivien. «Von den 140 EU-Botschaftern weltweit sind nur ein Drittel „ausgeliehene Beamte“ auf Zeit, die von einem Mitgliedsstaat abgeordnet wurden», erklärt er. Das biete die Chance, in einem Land die EU zu repräsentieren und öffne gleichzeitig den Blick für weltweite Themen, wenn man wieder in sein eigenes Land zurückkehre.
Im September letzten Jahres kam León de la Torre in Chile an. Viele Orte hat er hier schon einmal bereist: «Von 2001 bis 2005 habe ich als Kulturattaché in der spanischen Botschaft in Santiago gearbeitet und war Leiter des Centro Cultural de España. Und ich habe mich hier damals ganz besonders wohl gefühlt.» Auch wenn die Pandemie Begegnungen und Fahrten einschränkt, ist ihm bereits aufgefallen, wie sehr sich Chile inzwischen verändert habe: «Es hat sich natürlich weiterentwickelt, ist vor allem offener und vielfältiger geworden.» Damals seien die Chilenen sehr optimistisch gewesen, inzwischen zeigten die sozialen Unruhen im Jahr 2019, dass viele nun eine Veränderung wünschten.
Auch in Bolivien unterstützte der Botschafter bereits den politischen Wandel und setzte sich für einen friedlichen Prozess ein. Daher sieht er auch in Chile seine Aufgabe darin, in Zusammenarbeit mit den 18 EU-Botschaftern das Land beim Findungsprozess einer neuen Verfassung zu unterstützen. Hinzukomme, dass Chile sich in vielerlei Hinsicht nach Europa orientiere: «Immerhin besitzen rund 500.000 Chilenen einen europäischen Pass, davon circa 100.000 den deutschen.» Die EU-Länder stellten mögliche Modelle vor, «mit denen wir in Europa gute Erfahrungen gemacht haben und arbeiten eng mit chilenischen Institutionen wie dem Parlament und den Universitäten zusammen. Es ist wichtig, dass in Chile eine Debatte in Gang ist und viele an der Wahl der verfassungsgebenden Versammlung teilnehmen.»
Seit im Jahr 2010 ein europäischer Außendienst eingerichtet worden ist, hätten sich nach und nach auch die Aufgaben der EU-Botschafter verändert, wie der Diplomat feststellt. Gerade die Pandemie habe dafür gesorgt, dass die europäischen Botschafter in Chile stärker zusammenrückten. «Dabei ist die Aufgabe der europäischen Delegation, unser gemeinsames Auftreten zu koordinieren, damit wir zusammen die allgemeinen Interessen vertreten.» Außerdem habe auch im Konsularbereich die EU einen größeren Spielraum erhalten, erklärt de la Torre. So konnten zum Beispiel EU-Botschafter weltweit am Anfang der Pandemie dazu beitragen, die Rückholaktionen in die EU-Länder zu organisieren. Außerdem habe mehr als die Hälfte der Kosten der Aktion die EU getragen.
Was das Thema der Impfstoffe während der Corona-Pandemie angehe, agiere die EU im Sinne des Solidaritätsprinzip, wie der Botschafter erkärt: «Die EU unterstützt maßgeblich die globale Impf-Initiative Covax, die die Verteilung der Impfstoffe auch an Länder sicherstellen soll, die sonst keinen Zugang dazu hätten. Einerseits gibt es Streitigkeiten mit Impfstoffherstellern, damit sie ihre Verträge und Lieferfristen mit der EU einhalten, andererseits erlaubt die EU aber weiterhin den internationalen Handel, damit auch andere Länder Impfstoff erhalten.» Eine erfreuliche Aufgabe sei es daher für ihn, bei Ankunft von Impfdosen aus Europa an den Flughafen in Santiago zu fahren und er berichtet: «Gerade am vergangenen Freitag, am 23. April, sind wieder fast 200.000 Impfdosen angekommen. Insgesamt wurden bereits zwei Millionen Dosen aus Europa an Chile verkauft.»
Auch für ihn persönlich bedeutet die Pandemie eine veränderte Situation. Zwei seiner Kinder leben in Deutschland, eins in Belgien und eine Tochter hat nun begonnen in Santiago zu studieren und wohnt auch in der neuen Residenz der EU-Botschafter in der Gertrudis Echeñique in Las Condes.
Genau wie er selbst machten auch seine drei Töchter und sein Sohn viele Umzüge mit und sind in verschiedenen Städten geboren: in Quito, Peking, Santiago und Wien. «Schon als Junge war ich neugierig darauf, die Welt zu entdecken, neue Sprachen und Kulturen kennenzulernen», erinnert sich der Botschafter gerne an seine Kindheit zurück. «Es gefällt mir, dass ich durch meine Sprachkenntnisse und als Diplomat die Möglichkeit habe, in verschiedenen Ländern leben zu können», meint León de la Torre und ist überzeugt: «Darum ist dieser Beruf auch genau der richtige für mich!»