Von Alexander H.T. Schultheis
Eine wichtige Aufgabe der Bibliothek des Goethe-Instituts Chile ist es, den Lesern Zugang zu den Medien zu verschaffen – neben der Versorgung mit deutschen Medien. Genau hier stelle ich nun als Bibliothekar und Historiker am Tag des Buches die Frage, wie dies nachhaltig möglich ist.
In der Bibliothek gibt es Bücher, CDs, Spiele, Videospiele, DVDs, Zeitschriften, elektronische Zeitschriften (E-Papers), digitale Hörbücher im MP3 oder MP4-Format, aber auch Bücher im PDF-Format oder EPub-Format. Es gibt noch viel mehr Formate, doch dies sind zurzeit die gängigsten. Wer kann all diese Formate wie ein gedrucktes Buch bedienen?
Zum gedruckten Buch kommen immer mehr Medien hinzu und in den vergangenen Jahren immer mehr digitale Medien. Besonders jetzt in Zeiten der Pandemie informieren sich die Leser zusehends in E-Papers oder digitalen Büchern und hier kommt eine neue gesellschaftliche Gesamtaufgabe auf uns zu.
Ob zuhause, im Kindergarten, bei der Arbeit, in Bibliotheken, Museen oder aber im Ruhestand – wir bedienen uns eines täglichen Medienmix: Morgens informieren wir uns in unserer digitalen Zeitung über die neuesten Nachrichten, dann schauen wir ein bisschen in Facebook oder Instagram rein, auf der Fahrt zur Schule oder Arbeit hören wir ein Podcast zum Thema Pandemie, in der Arbeit recherchieren wir in digitalen Datenbanken, zuhause lesen wir ein gedrucktes Kochbuch und nutzen die digitalen Chats in den sozialen Medien, spielen mit der Spielkonsole und am Abend lesen wir je nach Laune einen gedruckten Krimi vom Autor Fitzek.
Gibt es Gefahren? Wie steht es um die Qualität und Aussagekraft bei digitalen/ analogen Medien? Alle diese Fragen sollten wir schon im Kindergarten vermitteln. Wir lernen aber nicht, wie man digital eine Bibliothek bedienen kann oder klären unsere Kinder genügend über die Gefahren der sozialen Medien und des Internets auf!
Es fehlt mir in unserer Gesellschaft, das Fach Medien- und Lesekompetenzkunde. Neben Schreiben und Lesen muss es auch Medienkunde geben, die neben der Bedienung auch die Vor- und Nachteile eines jeden Mediums aufzeigt. Wie bringen wir sicher und konstant Wissen von einer Generation zur nächsten Generation?
Wie wäre es gewesen, hätten sich Goethe und Schiller per E-Mail Briefe geschrieben? Hätten wir das heutige Wissen über diese Zeit? Sicher nicht! Gibt es in zehn Jahren die Abspielgeräte der Medien? Beim Angleichen der Formate gibt es Datenverluste. Als Historiker stelle ich die These auf, dass das Buch ein sichererer Medienspeicher ist: Ein einmal geschriebener Buchstabe kann nicht mehr verändert werden und das Buch benötigt nur die Fähigkeit des Lesens, keine weiteren Abspielgeräte!
Was ich mir am Tag des Buches inmitten einer Pandemie wünsche ist, dass wir uns alle Gedanken machen, wie wir die analogen und digitalen Medien zusammenführen können. Hier ein paar Ideen: Neben dem klassischen Lesen auch mal Medien im Internet lesen und dann vergleichen, wie war das Lesen? Den Kindern zeigen, was Teams, Zoom oder Facebook ist. Welche Nach- oder Vorteile bringen diese Medien mit sich? Vielleicht zuhause auch mal das Handy einen ganzen Tag weglegen und wieder ein Buch lesen oder ein Spiel spielen. Die Liste ist noch viel länger – vielleicht haben Sie noch mehr Ideen, wie Sie die analoge oder digitale Lesekompetenz fördern können.
Alexander Schultheiß ist Leiter der Bibliothek des Goethe-Instituts in Chile.