Verfassung von 1833

Diego Portales (1893-1937) von Camilo Domeniconi
Die Verfassung vom 25. Mai 1833 war fast ein ganzes Jahrhundert in Kraft – eine ungewöhnlich lange Zeit für ein südamerikanisches Land. Durch diese konnte der Staat so gestaltet werden, dass es der sozialen und politischen Realität Chiles gerecht wurde, das Land eine lange stabile Periode erlebte und sich weiterentwickeln konnte.
Vision Diego Portales
Der auslandserfahrene Kaufmann Diego Portales, zum Minister ernannt, förderte nach den Wirren des Bürgerkriegs eine Verfassung mit einer starken Exekutive, die auf dem Prinzip der Autorität und der Achtung des Gesetzes beruhte. Die Herausgeber des Textes waren der liberale Manuel José Gandarillas und der konservative Mariano Egaña, die ihre ideologischen Positionen aufgeben mussten, um ihre Aufgabe zu erfüllen.
Die Verfassung bestand aus 168 Artikeln, in denen eine «repräsentative Volksregierung» und das Prinzip der nationalen Souveränität anerkannt wurden. Die offizielle Staatsreligion wurde die römisch-katholische, wobei die öffentliche Ausübung anderer Religionen ausgeschlossen war.
Die Exekutivgewalt lag beim Präsidenten der Republik, der den Staat verwaltete und Oberhaupt der Nation war. Er wurde durch indirekte Abstimmung durch ein System von «electores» gewählt, war fünf Jahre im Amt und konnte nur einmal wiedergewählt werden. Um eine starke Exekutive zu haben, übte der Präsident weitreichende Befugnisse aus. Die Minister konnten gleichzeitig parlamentarische Ämter bekleiden.
Der National-Kongress bestand aus zwei Kammern. Die Abgeordnetenkammer, deren Mitglieder abhängig von der Zahl der Einwohner in den «Departamentos» gewählt wurden, hatte eine Amtszeit von drei Jahren. Der Senat bestand aus 20 indirekt gewählten Senatoren, die neun Jahre im Amt waren. Die Aufgabe des Kongresses bestand darin, die Gesetze zu erörtern und zu genehmigen, unter denen die sogenannten «leyes periódicas» hervorstechen: das Haushaltsgesetz, das Grundsteuererhebungsgesetz und das Gesetz über die Streitkräfte auf See und an Land. Der Kongress tagte im Jahr nur drei Monate, vom 1. Juni bis zum 1. September. In der übrigen Zeit war es die Hauptaufgabe der «Comisión Conservadora», die aus sieben Senatoren bestand, die Einhaltung der Verfassung und der Gesetze sicherzustellen.
Die Regeln für die Judikative waren kurz und gaben dem Gesetzgeber die Aufgabe, diese weiterzuentwickeln. Es wurde jedoch ausdrücklich verankert, dass weder der Präsident der Republik noch der National-Kongress richterliche Funktionen ausüben konnten. Desweiteren wurde das «Prinzip der Unbeweglichkeit» der Richter verankert, um deren Unabhängigkeit sicherzustellen.
José Manuel Balmaceda (1840-1891) Präsident von Chile von 1886 bis 1891.
Biblioteca del Congreso Nacional, CC BY 3.0
Die Verfassung von 1833 ist die bisher am längsten gültige in Chile und wurde erst durch die von 1925 ersetzt.
Der Katalog der Grundrechte war ausführlicher als in der Verfassung von 1828. Verfassungsgarantien wurden anerkannt wie Gleichheit vor dem Gesetz, Gleichheit bei der Zulassung zu allen öffentlichen Funktionen und Ämtern, Gleichheit bei der Verteilung von Steuern und Beiträgen im Verhältnis zum Vermögen, Aufenthaltsfreiheit, Unverletzlichkeit des Eigentums und Pressefreiheit.
Mit der Verfassung von 1833 wurde ein beschränktes Wahlrecht (sufragio censitario) eingeführt. Wahlberechtigt waren nur ledige Chilenen, die mindestens 25 Jahre, und verheiratete Männer, die mindestens 21 Jahre alt waren, lesen und schreiben konnten, ein Unternehmen oder Immobilien besaßen, in Kapital investiert hatten, Kunst ausübten, eine Arbeitsstelle oder Einkommen hatten.
Der Erwerb der Staatsangehörigkeit war abhängig vom Besitz von Kapital oder eines Unternehmens, einem zehnjährigen Aufenthalt für Alleinstehende und sechs Jahre für diejenigen, die mit einem Ausländer verheiratet waren, und drei Jahren für diejenigen, die mit einem Chilenen verheiratet waren.
Stabilität der «República Conservadora»
Das Konstrukt von Portales gab der Exekutive wirksame Mittel an die Hand, um starke und stabile Regierungen aufzubauen. Sie ermöglichte die «4 decenios presidenciales» von Joaquín Prieto (1831-1841), Manuel Bulnes (1841-1851), Manuel Montt (1851–1861) und José Joaquín Pérez (1861–1871). Diese institutionelle Stabilität war in Lateinamerika beispiellos.
Die Verfassung von 1833 schuf nicht eindeutig ein Präsidential- oder ein Parlamentarisches System. In den ersten vier Jahrzehnten seiner Gültigkeit hatte es einen im Wesentlichen präsidialen Charakter. Ab der Regierung von Federico Errázuriz Zañartu (1871-1876) werden jedoch eine Reihe von Verfassungsreformen verabschiedet, die gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zur Errichtung eines Regimes das «a modo parlamentario» oder «parlamentarismo a la chilena» bezeichnet wird.
Die Reformen
Die erste Reform der Verfassung von 1833 erfolgte 1871 und führte das Verbot der Wiederwahl des Präsidenten der Republik ein. Die Reformen der Jahre 1873 und 1874 sollten die Befugnisse des Präsidenten einschränken, die Freiheiten der Bürger erweitern und die Unabhängigkeit des Kongresses von der Exekutive stärken.
Zur Stärkung des National-Kongresses wurde durch diese Reformen eine direkte Wahl der Senatoren für einen Zeitraum von sechs Jahren eingeführt. Drei Mitglieder aus jeder Kammer wurden in den «Consejo de Estado» aufgenommen, sodass den Ministern, aus denen sich das Gremium zusammensetzte, das Stimmrecht entzogen wurde. Die «Comisión Conservadora» bestand ihrerseits nun aus sieben Senatoren und sieben Abgeordneten. Diesem Gremium wurde nun zusätzlich die Aufsicht über die öffentliche Verwaltung übertragen.
Es ist interessant hinzuzufügen, dass 1865 ein Interpretationsgesetz der Verfassung über den Umfang des Katholizismus als offizielle Staatsreligion verabschiedet wurde. Von da an war das Verbot der Ausübung anderer Religionen auf die Öffentlichkeit beschränkt, was das Praktizieren anderer Religionen im Privatbereich ermöglichte. Dies hatte wichtige Auswirkungen auf die deutsche Kolonie, da sich die Mehrheit zum Protestantismus bekannte.
Während der Präsidentschaft von José Manuel Balmaceda wurde 1888 eine weitere Verfassungsreform verabschiedet. Das Wahlrecht wurde erweitert: Wählen durfte, wer älter als 21 Jahre war und lesen und schreiben konnte.
Bürgerkrieg und «República Parlamentaria»
Die Konflikte zwischen der Exekutive und dem Nationalkongress, die auf unterschiedlichen Auslegungen der Befugnisse beider Funktionen beruhten, verschärften sich während der Präsidentschaft von Balmaceda und lösten den Bürgerkrieg von 1891 aus.
Ohne die Verfassung ausdrücklich zu ändern, führte die Niederlage der «Balmacedistas» zu einer veränderten Auslegung des Verfassungstextes und zur Einführung eines neuen Regierungssystems in Chile. Diese Zeit zwischen 1891 und 1924 ist als «República Parlamentaria» bekannt.
Diese Periode war geprägt von einer starken politischen Macht der Legislative und der Ausübung wichtiger Befugnisse durch den Kongress: Die Legislative handhabte nach eigenem Ermessen öffentliche Gelder, stellte parlamentarische Anfragen und zensierte das Kabinett.
Dem System fehlte eine Exekutive mit rechtlichen Instrumenten, um die Macht des Kongresses auszugleichen, was zu großer politischer Instabilität führte. Hinzu kam ein undiszipliniertes und aristokratisches Mehrparteiensystems, das nicht auf die schweren sozialen Krisen in dieser Zeit einging. Die angestrebten Reformen von Präsident Arturo Alessandri (1920-1925) stießen im Kongress auf starken Widerstand. Die sozialen Unruhen nahmen zu und die Diskreditierung des Systems verstärkte sich. Das unzufriedene Militär und die Offiziere mit ihrem «ruido de sables», dem Säbelrasseln vom September 1924, konnten Sozialgesetze durchsetzen und bereiteten das Ende der «Parlamentarischen Republik» vor.