Der Mann hinter der Queen
Prinz Philip galt als Charmeur, wenn auch mit Hang zu kauzigen Sprüchen. Er spielte stets die zweite Geige hinter seiner Ehefrau, der Queen, hielt ihr aber gleichzeitig den Rücken frei. Nun ist der Herzog gestorben – nach einem selbst für einen Royal ungewöhnlichen Leben.
London(dpa/sik)– Sein Beruf war Prinzgemahl, Ehemann der Königin. Wahrlich kein einfacher Job. Immer artig ein paar Schritte hinter der britischen Monarchin hergehen – eine Herausforderung für einen ausgeprägten Charakter wie Prinz Philip. Er nahm es mit seinem eigenen Humor, für den er schon berüchtigt war. Philip galt als einer der markantesten Köpfe im europäischen Hochadel. Am 9. April 2021 starb er im Alter von 99 Jahren in Schloss Windsor bei London.
Mehr als «König der Fauxpas»
Philip nahm kein Blatt vor den Mund, nicht immer waren seine Sprüche politisch korrekt, zuweilen taktlos. «Bewerft ihr euch immer noch gegenseitig mit Speeren?», fragte er einen Ureinwohner bei einer Australien-Reise. Und von einem schottischen Fahrlehrer wollte er wissen: «Wie schaffen Sie es, die Eingeborenen lange genug vom Alkohol fernzuhalten, damit sie die Prüfung schaffen?». Insider behaupteten, er sage so etwas stets mit einem Augenzwinkern und helfe, die steife Atmosphäre am Hofe aufzulockern.
Dennoch war der Herzog von Edinburgh weit mehr als der «König des Fauxpas». Als Ehemann war er die wichtigste Stütze von Queen Elizabeth II., wie sie selbst immer wieder betonte. Noch im hohen Alter absolvierte er oft mehr offizielle Termine als seine Enkel Harry und William. Er war lange Schirmherr von hunderten Organisationen, insgesamt hatte er mehr als 22.000 Einzelauftritte und hielt etwa 5.500 Reden. Erst mit 96 Jahren wollte es der Prinzgemahl ruhiger angehen lassen.
Danach wurde es stiller um Philip – bis er im Frühling 2021 auch wegen Herzproblemen Wochen in einer Klinik verbrachte. Das Land drückte ihm die Daumen, Kinder brachten selbstgemalte Bilder zum Eingangstor. Nach einer Operation und einem Monat im Krankenhaus kehrte Philip auf Schloss Windsor zurück. Dort verbrachte er mit der Queen zusammen auch die Monate der Corona-Pandemie, möglichst abgeschottet und nur mit einer kleinen Zahl von Hofleuten.
Kindheit im Exil und ohne Eltern
Mehr als ein Dreivierteljahrhundert war er Elizabeth verbunden. Bereits 2009 war Philip zum amtsältesten Ehepartner eines britischen Monarchen der Geschichte avanciert.
Das Leben des künftigen Prinzgemahls war selbst nach Adels-Maßstäben höchst ungewöhnlich. Der Spross des Hauses Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg kam am 10. Juni 1921 auf der griechischen Insel Korfu zur Welt, und zwar – wie Biografen übereinstimmend schreiben – auf einem Esstisch. Der Arzt soll das praktischer gefunden haben.
Philip wurde als Sohn eines Prinzen von Griechenland und Dänemark geboren. Sein Besuch mit der Queen in Deutschland 2015 war aber fast so etwas wie eine Reise in seine zweite Heimat. In seinem Stammbaum gibt es viele Deutsche, und seine vier älteren Schwestern heirateten Deutsche; als Zwölfjähriger kam er 1933 für zwei Jahre in das Internat Schloss Salem am Bodensee und sprach daher die Sprache gut. Während der Schulzeit verbrachte er seine Urlaube gern in Darmstadt oder in Wolfsgarten bei Frankfurt.
Kindheit und Jugend waren nicht einfach. Sein Vater musste mit der Familie aus Griechenland ins Exil nach Paris. Der eineinhalb Jahre alte Philip wurde in einer Orangenkiste auf das Schiff gebracht. Bald verließ der Vater die Familie. Die Mutter kam in die Psychiatrie und ging später ins Kloster.
Jahrelang sah Philip die Eltern so gut wie gar nicht und wuchs bei verschiedenen Verwandten und seinen älteren Schwestern auf. Eine Schwester starb 1937 bei einem
Flugzeugunglück. Dass ihm konstante Bezugspersonen fehlten, prägte ihn Biografen zufolge nachhaltig – er habe sich in ein fast schon übersteigertes Pflichtgefühl geflüchtet.
Verzicht auf Karriere und Titel
Als 18-Jähriger begann der Prinz mit der damals 13-jährigen Elizabeth Briefe auszutauschen. Es sei Liebe auf den ersten Blick gewesen, sagte die Queen später. Seit der Hochzeit mit der künftigen Königin und vor allem nach ihrer Krönung am 2. Juni 1953 war Philip in erster Linie «Mann von». Nicht nur das war für den selbstbewussten und abenteuerlustigen Mann nicht einfach. Auch dass der frühere Prinz von Griechenland und Dänemark diesen Titel ablegen musste – und seinen Familiennamen Mountbatten nicht vererben sollte. «Philip schäumte vor Wut», schreibt dazu Biograf Gyles Brandreth. «Ich bin nur eine verdammte Amöbe», habe der Gemahl der Königin geschimpft.
Im Jahr der Krönung gab Prinz Philip seine aktive Karriere bei der Marine auf und lernte dafür das Fliegen, das zur Leidenschaft wurde. Zudem beschäftigte er sich mit Polo, Segeln und Pferdekutschenrennen. Er malte und sammelte unter anderem Cartoons. Bei Umbauten auf royalen Anwesen plante und arbeitete er selbst gern mit:
Einen Teich am Schloss Balmoral in Schottland baggerte er eigenhändig aus. Die Förderung der Wissenschaft gehörte zu seinen besonderen Interessen: 35 Jahre lang war er Kanzler der Elite-Universität Cambridge.
Philip lebte jahrzehntelang an der Seite einer äußerst disziplinierten Frau, die ihn «meine Stärke und meinen Halt in all den Jahren» nannte. Bücher wie «Das geheime Leben der Windsors» und die Boulevardpresse wollten von allerhand Affären des Charmeurs wissen – bestätigt wurde das aber nie.
Zumindest dem Königlichen Hof hat Prinz Philip mit seinem Tod ein Schnippchen geschlagen: Dem «Geburtstagsmuffel» bleiben die Feierlichkeiten um seinen
100. Geburtstag erspart, den er am 10. Juni gefeiert hätte.